Kuoni-Interessenten kristallisieren sich langsam heraus und formieren sich (Ausgabe 2015-11)

Kuoni Schweiz – ein Schnäppchen

Kuoni Schweiz ist eine interessante Braut, aber nur gerade ein einziger möglicher Bräutigam wirbt unverfroren offen, andere halten sich vornehm zurück. Die Interessenten warten ungeduldig auf die detaillierte Ausschreibung. Diese von vermutlich zahlreichen Anwälten und Kanzleien zu erstellende Dokumentation ist offenbar noch immer in Arbeit, bereits machen sich verschiedene Banken Gedanken zum möglichen Kaufpreis. Die Berechnungen einiger Bank-Analysten sollen eine erhebliche Bandbreite für das gesamte zum Verkauf stehende Paket erreicht haben.

Eine deutsche Bank hat anscheinend mit CHF 185 Mio. die tiefste Schätzung gemacht. Andere Banken beurteilen einen Preis von CHF 200 bis 300 Mio. als realistisch. Das Paket Kuoni Schweiz (CHF 679 Mio. Umsatz), mit einem Anteil von gut einem Drittel am ganzen Kuchen, dürfte derzeit also bei einem Verkaufswert von rund CHF 70 bis 90 Mio. liegen, ein Schnäppchen sozusagen. Dieser geschätzte Betrag umfasst alle Einheiten inklusive der erfolgreichen Tochtermarken, jedoch nicht die Kuoni-eigene Liegenschaft Neue Hard, welche mit rund CHF 100 Mio. bewertet sein dürfte. Die Immobilie ist zwar noch im Besitz der Schweizer AG, wird aber wohl demnächst in die Holding transferiert werden.

Migros oder Coop? Ein Blick auf mögliche Käufer offenbart mit Hotelplan (Migros) einen ebenso interessierten wie auch valablen Kandidaten. Bei Hotelplan -arbeiten derzeit gefühlt wohl mehr ehemalige Kuoni-Manager als bei Kuoni. Group-CEO Thomas Stirnimann ist voll am Ball und macht aus dem Interesse keinen Hehl. Er geniesst die volle Rückendeckung seitens Herbert Bolliger (MGB und HP-Präsident) und Hans Lerch (HP-Vice Chairman). Eine Übernahme durch Hotelplan würde indes auch bei einer dualen Markenstrategie
ein personelles «Blutbad» bedeuten – vor allem im Tour Operating, zum Teil auch bei den Filialen. Von grossem Vorteil für die weiterbestehende Firma Kuoni wäre allerdings das mit Abstand bessere IT-Team mit deren HP-Lösungen. Beim Kuoni-Staff hat diese Variante allerdings wenige Freunde. Inwieweit die Übernahme der Nummer 1 durch die Nummer 2 im Schweizer Markt von der Wettbewerbs-Kommission gutgeheissen würde, ist völlig unklar. Ein Durchwinken könnte mit einem Teilabstossen einzelner Geschäftseinheiten verbunden werden.

Coop – stets mit einem Auge auf Migros bedacht – könnte mit der Akquisition auf einen Schlag in der -Reisebranche zum Leader avancieren. Eine möglicherweise verlockende Aussicht, obschon sich der Detailhandelsriese absolut zugeknöpft gibt, was ihn erst recht «verdächtig» erscheinen lässt. Coop könnte das Abenteuer Kuoni mangels eigenen Ressourcen (IT, Management etc.) allerhöchstens in Verbindung mit der Rewe Group meistern. In Deutschland wird DER Touristik als passende Firma deklariert. Die Basler Genossenschaft betreibt mit Coop ITS-Travel in der Schweiz bereits eine Reisetochter in einem Joint Venture mit Rewe. Und zumindest der Coop-Präsident Hansueli Loosli verfügt über Kuoni–Insider-Wissen, arbeitet doch eine nahe Verwandte als Filialleiterin in Kuoni-Diensten.

TUI und Thomas Cook liegen auf der Lauer. Der Schweizer Peter Fankhauser, Nummer 1 bei Thomas Cook und selber ein Ex-Kuonianer, könnte das Schweizer Geschäft locker führen, ist aber finanziell nicht gerade üppig aufgestellt. Nun hat sich aber kürzlich der potente chinesische Mischkonzern Fosun bei Thomas Cook mit 5% eingekauft. Fosun hat offenbar noch mehr Appetit und will auf 10% erhöhen. Der Chinese hat bereits den Club Med aufgekauft. Wenig bis nichts ist von TUI zu hören, aber keine Frage, auch TUI wäre absolut in der Lage, Kuoni erfolgreich zu lenken.

Andere öffentlich genannte Kandidaten dürften Kuoni Schweiz nicht stemmen können, darunter wohl FTI oder auch Diethelm Keller mit STA und Globetrotter. -Finanzinvestoren könnten hingegen die lachenden Dritten werden, währenddessen die Dnata aus Dubai Interesse höchstens an Kuoni UK haben dürfte. Dies ist das Fazit der bisherigen Brautschau auf die ominöse Ankündigung von VR und Konzernleitung am 14. Januar. Zumindest vor den Kulissen.

Weltweit hat die Kuoni-Schlagzeile für grosses Kopfschütteln gesorgt: An der ITB Berlin war Kuoni eines der grossen Gesprächsthemen. Lieferanten wie Hotels und Incoming-Operators machen sich um ihr eignes Geschäft mit Kuoni grosse Sorgen, sogar Kuoni-eigene DMC. Da und dort war von happigen Vorauszahlungen die Rede, welche jetzt als Sicherheit in Betracht gezogen würden.

Derweil kämpft der von seinem eigenen Mutterhaus düpierte CEO von Kuoni Schweiz, Marcel Bürgin, bravourös um die zum Verkauf stehende Firma mit über 1300 Angestellten. Er ist zuversichtlich in das neue Reisejahr 2015 gestartet und machte sich berechtigte Hoffnungen auf eine gute Lancierung samt einer schwungvollen Werbekampagne. Bürgin will die Suppe dennoch auslöffeln, auch im eigenen Interesse. Wobei, die Marke Kuoni hat enorm gelitten seit der katastrophalen Mitteilung zur absoluten Unzeit. Im Schweizer Handel macht die Zahl von einem Einbruch um die 30% bis 40% die Runde, bei den eigenen Filialen dürfte es hingegen weniger dramatisch ausschauen. Die Konkurrenz freut sich nicht über den Kuoni-Verkauf, doch man ist allzeit bereit, das von Kuoni preisgegebene Business dankend zu übernehmen.

Angelo Heuberger