SBB-Reisebüros: Rückzug auf Raten? (Ausgabe 2015-26)

Ausbleibende Buchungen und fehlendes Personal sorgen womöglich schon für vorzeitige Schliessungen.

Vor etwas mehr als einem Monat gab die SBB den Rückzug aus dem Reisebürogeschäft bekannt. 18 Büros in der Deutschschweiz, zwölf in der Romandie und drei im Tessin sollen geschlossen werden. 

Offiziell soll dies erst per Ende Jahr geschehen. Ob einige ihre Türen bereits früher zumachen, hängt aber offenbar von den noch eingehenden Buchungen oder dem verbleibenden Mitarbeiterbestand ab. «Wir sind so lange für unsere Kunden da, bis wir entweder keine Buchungseingänge mehr haben oder sämtliche Mitarbeiter bereits neue Stellen angetreten haben», sagt eine Mitarbeiterin gegenüber TI. Tatsache sei, dass bereits jetzt ein Buchungsrückgang stattfinde. 

Aus Mitarbeiterkreisen heisst es auch, die Personalgespräche würden derzeit ins Leere führen, da erst im Juli die Neuberechnung der Stellenprozente pro Bahnhof bekanntgegeben wird. Das heisst, es kann momentan noch nicht gesagt werden, wie viele Stellen weiterhin am Bahnhof besetzt werden und wie viele der Reisebüro-Mitarbeiter überhaupt dort bleiben können. 

Diese Mischung zwischen Schalterverkauf und Reisebüro hat den Reisebüros wohl auch das Genick gebrochen. «Ein Grossteil der SBB-Reisebüromitarbeitenden wird polyvalent innerhalb des Verkaufs eingesetzt. Dieser fehlende Fokus auf das Reisebürogeschäft genügt den heutigen Anforderungen der äusserst kompetitiven Reisebranche nicht mehr», sagt SBB-Sprecherin Lea Meyer.

Durch die sehr hohen Strukturkosten würde das SBB-Reisebüro zusätzlich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Diese Gründe und die Tatsache, dass das SBB-Reisebürogeschäft weder zum Kerngeschäft noch zum Eignerauftrag der SBB gehöre, hätten zum Entscheid geführt, die SBB-Reisebüros per 31. Dezember 2015 zu schliessen, erklärt Meyer weiter.

Auch Hans Rudolf Burkhard von Geotours Thun sieht das Problem in der fehlenden Fokussierung. Er störte sich an der ursprünglichen Begründung der SBB, dass der Schweizer Reisebüromarkt generell massiv verliere. «Ich sehe den wahren Grund für das Scheitern darin, dass 80% der Mitarbeitenden nicht richtig ausgebildet sind und die Angebotspalette nicht ausreichend war.» Das Projekt sei von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen.

Wie viel Umsatz die betroffenen Reisebüros wirklich gemacht haben, gibt die SBB nicht bekannt. Die Schätzungen von Branchenkennern reichen von CHF 30–40 Mio. bis zu CHF 90–100 Mio.

Melanie Mooser