«Spring und Stirnimann bleiben Konkurrenten» (Ausgabe 2006-44)

Christof Zuber, CEO der Hotelplan-Gruppe, äussert sich im TI-Interview über Gründe, Ziele und Folgen des Deals mit der Travelhouse-Gruppe.

Herr Zuber, was war die Motivation für diese Akquisition?
Wir haben unsere Strategie erstellt, wissen, was wir können und wohin wir wollen. Diese Strategie ist vom höchsten Migros-Gremium abgesegnet. Die Migros bleibt Alleinaktionärin von Hotelplan. Damit kommt dem Schweiz-Geschäft innerhalb der Hotelplan-Gruppe ein grosser Stellenwert zu. Die Konsequenz ist, sicherzustellen, dass die Hotelplan-Schweiz-Aktivitäten nachhaltig gesund sind, was ein Engagement im Ausland nicht ausschliesst.
Wir haben mit Hotelplan eine Powermarke im Segment Generalist mit Good Value, der ergänzt wird von einem günstigeren Generalisten-Produkt M-Travel, dem Länderspezialisten Esco und dem Spezialisten für die Romandie TPT. Wir wissen, dass die Pauschalreise ein wichtiges Standbein unseres Geschäfts ist, sicher nicht stirbt, aber auch kein Wachstumsmarkt ist. Auf der anderen Seite wandert der Markt immer mehr in den Bereich Premium und zu den Spezialisten ab. In diesem Bereich ist Hotelplan Schweiz nicht optimal aufgestellt für die Veränderungen im Markt. Ich habe klare Zielsetzungen definiert und rede darüber seit einem Jahr hier im Haus. Nach innen ist das ein wichtiges Signal. Damit wird dokumentiert, dass der Gesellschafter sich comitted und investiert.

Was hat Ihre Analyse bewirkt?
Zwei Sachen sind passiert: Wir haben mit Globus Reisen unseren Eintritt ins Premium-Segment angekündigt. Dann haben wir uns gefragt, was es in der Schweiz noch für Spezialisten gibt. Mit Frantour und Kontiki-Saga haben wir zwei Akquisitionen nicht gewonnen, um die wir uns bemüht haben. Wir haben das im Verwaltungsrat analysiert und uns gefragt, warum kommen wir nicht zum Zug, sind wir zu wenig schnell, zu wenig aggressiv.

Welche Lehren daraus zogen Sie?
Wir mussten uns innerhalb unseres Strategieprozesses zuerst fit machen. Themen wie zu geringe Rentabilität oder kaum Wachstum über die letzten  zehn Jahre mussten angesprochen werden. Das ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Eine weitere Erkenntnis war, dass wir mit einzelnen Wunschobjekten ins Gespräch kommen, bevor diese in eine Auktion gehen. Das haben wir gemacht und sind im Juli auf Travelhouse zugegangen.

Wann wurde der Deal abgesegnet?
Wir waren am letzten Freitag in der Migros-Verwaltung für den endgültigen Entscheid. Wir wollten mit der Kommunikation nicht zuwarten, denn es wäre schwierig gewesen, das bis Montag geheim zu halten. Jeder Mitarbeiter bei Travelhouse und Hotelplan sollte die Neuigkeit direkt von seinem Vorgesetzten hören. Wir haben entschieden, einen Parallelbetrieb zu fahren. Travelhouse bleibt sehr selbstständig im Markt und muss sich gemäss Businessplan, der Grundlage für den Zusammenschluss war, auch selber behaupten und entwickeln.
Wir konnten in der Hotelplan-Gruppe und in der Migros dieses Projekt geheim halten. Das ist eine Befriedigung.

Aber es ist doch eine Übernahme?
Nein, es ist keine Übernahme. Wir müssen unterscheiden zwischen Aktionariat und operativer Einheit. Wir haben im Aktionariat den Finanzinvestor abgelöst. Hotelplan hat die Mehrheit, Thomas Stirnimann und Oskar Laubi haben je eine Minderheit. Aus Überzeugung und um zu demonstrieren, dass wir die Travelhouse-Gruppe selbstständig im Markt operieren lassen wollen, haben wir den zwei Minderheitsaktionären Rechte zum Schutz ihrer Interessen im Sinne der Eigenständigkeit der Travelhouse-Gruppe einberaumt, die aktienrechtlich möglich sind. Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass Travelhouse so eigenständig wie möglich im Markt operieren soll, auch wenn wir die Mehrheit haben.

Wie soll das funktionieren?
Für wirklich grundlegende Entscheide wie Firmenzweck oder Strukturänderungen kann man den Minderheitsaktionären im Interesse und zum Schutz der Eigenständigkeit die Möglichkeit eines gemeinsamen Entscheides einräumen. Es könnte also sein, dass die beiden Herren etwas blockieren könnten, wenn es der Sicherung der Eigenständigkeit der Travelhouse-Gruppe dient.
Wir haben uns auf einen Plan geeinigt und festgelegt, was wir wollen. Wir glauben, dass wir diesen Plan besser realisieren können, wenn wir den Finanzinvestor Peter Diethelm durch einen industriellen Investor, also Hotelplan, ablösen, der langfristig in diesem Geschäft bleiben will.

Wie hoch ist Ihr Anteil?
Darüber geben wir keine Auskunft.  Selbstverständlich haben sich bei diesem Zusammenschluss Aktienverschiebungen ergeben. Über die vorherigen Anteile der drei Aktionäre weiss ich nicht Bescheid. Ich möchte jedoch betonen, dass alle Parteien ihre Sorgfaltspflicht erfüllen, um gewisse Situationen, die uns Menschen nun mal zustossen können, zu verhindern bzw. vorwegzunehmen.

Was meinen Sie damit?
Wir haben als Beispiel festgelegt, was geschieht, wenn einem der beiden Herren etwas zustossen würde. Wir wollen das Geschäft weiterentwickeln und nicht die Firma verkaufen, um irgendwelche Erben auszuzahlen. Alles, was im Rahmen dieses Abkommens festgelegt wurde, läuft unter dem Thema Parallelbetrieb, Erhalt und Eigenständigkeit von Hotelplan und Travelhouse. Die Travelhouse-Gruppe muss sich so entwickeln können, wie das angedacht ist.

Ich glaube, wenn die drei bisherigen Besitzer ihren ursprünglichen Plan umgesetzt hätten, dann wäre Travelhouse irgendwann in eine Auktion gekommen. Dann entscheidet von Verkäuferseite her der Mehrheitsaktionär, sofern es diesen gibt, und es wird schwierig, ein tieferes Angebot anzunehmen, nur weil einem der Käufer besser gefällt. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass Oskar Laubi offen für diese Gespräche war, um sicherzustellen, dass das Unternehmen in Schweizer Hand bleibt und sich die neuen Besitzer für ein langfristiges Engagement in der Reisebranche ausgesprochen haben. Er konnte damit verhindern, dass das Unternehmen allenfalls an eine ausländische Gesellschaft geht.

Die ursprüngliche Nachfolgeregelung Laubis war anders gedacht. Thomas Stirnimann hätte die Firma innert rund fünf Jahren übernehmen sollen.
Darüber muss Oskar Laubi Auskunft geben.

Will Hotelplan Travelhouse zu 100% übernehmen?
Das ist nicht das Ziel. Aber wie gesagt, wir haben uns für gewisse Fälle vorbereitet. Wichtig ist, wie übrigens auch schon bei Travelwindow, dass wir an diesen Exponenten und deren Mitarbeitenden, also auch an Thomas Stirnimann, interessiert sind. Er hat das Unternehmen Travelhouse einer Rosskur unterzogen, teilweise auch neue Leute in die Organisation hineingebracht. Wir haben nicht nur ein Unternehmen mit Marken gekauft, sondern damit auch gute Leute übernommen, und wir wollen, dass diese bleiben.

Wird Travelhouse am alten Standort bleiben?
Ja, ganz klar, auch wenn wir hier in Glattbrugg die leeren Räume noch so gerne vermieten würden. In den Gesprächen haben wir alle wichtigen Punkte aufgelistet. Einer davon war, dass Travelhouse den Firmensitz eigenständig wählen kann. Der unternehmerische Gedanke und der KMU-Groove sollen nicht verloren gehen.

Wie sehen die neuen Verantwortlichkeiten aus?
Oskar Laubi als Minderheitsaktionär bleibt im Verwaltungsrat der Travelhouse-Gruppe. Wir wollen ihn aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung als Nachfolger für den ausgeschiedenen Wolfgang Wehrlé für den Hotelplan-VR vorschlagen. Thomas Stirnimann, ebenfalls Minderheitsaktionär bei Travelhouse, ist VR-Mitglied und CEO der Travelhouse-Gruppe und berichtet parallel zu Peter Spring für die HPSG direkt an mich. Er nimmt auf der Ebene der Hotelplan-Gruppe Einsitz im Executive Committee (Gruppenleitung), dem nebst mir unser Finanzchef Philipp Manser, Peter Spring, Anna Schuepbach von Hotelplan Italien, die neue Leiterin von Inghams Travel England, Litsa Constantinou und Interhome-Chef Simon Lehmann angehören. Auf der anderen Seite werden Philipp Manser und ich Mitglied des Travelhouse-VR, ich als Präsident.

Wieso ist Thomas Stirnimann nicht Schweiz-Chef Peter Spring unterstellt?
Weil wir die beiden Unternehmen als Parallelbetrieb mit jeweils unabhängigem Auftritt am Markt positionieren. Insofern sind die beiden als Marktteilnehmer auch Konkurrenten. Es gibt auch Synergien, beispielsweise bei den GDS oder beim Kauf von IT-Hardware. Mehr Volumen bringt allen Beteiligten mehr Rabatt. Aber vor dem Hintergrund des Parallelbetriebs ist das nicht markant. Den Herausforderungen, denen Peter Spring sich stellen muss, bringt dieser Zusammenschluss nichts. Spring hat nach wie vor seine Volumen- und Margenthemen, sein Budget und seinen Business Plan.

Bringt der Zusammenschluss weniger Risiko für Belair?
Nein, Travelhouse nimmt keine Flugrisiken. Jedoch wird Travelhouse auf einzelnen Flügen zusätzliche Passagiere bringen.

Was bringt der Deal für Travelhouse?
Die Travelhouse-Gruppe wird Prioritätspartner in 106 Hotelplan-Filialen. Auf der anderen Seite wird Hotelplan Prioritätspartner der 16 Filialen von Travelhouse.

Planen Sie, den Zusammenschluss marketingmässig zu verwerten?
Wir werden nichts verstecken, aber Travelhouse soll eigenständig am Markt bleiben. Viele Konsumenten wissen nicht, dass Globus zur Migros gehört, das wird auch bei Travelhouse so sein. Wir werden Travelhouse nicht als Spezialisten-Marke von Hotelplan bewerben. Ich denke, im Markt sind die zehn Marken als Destinationsspezialisten etabliert und nicht der Brand Travelhouse. Schon Oskar Laubi hat erkannt, dass die kommunikative Betreuung von zehn Einzelmarken relativ anspruchsvoll und teuer ist. Er hat ein phänomenales Dachmarken-Konzept entwickelt, die Kataloge kommen heute aus einem Guss. Im Retailing wird der Absender die einzelne Marke sein, unter der Dachmarke Travelhouse.

Gibt es bei den Angeboten nicht zahlreiche Überschneidungen?
Travelhouse hat kein Rotes Meer, keine Türkei, kein Tunesien und so weiter. Bei Griechenland hat Travelhouse ganz andere Hotels im Angebot als Esco, und das trifft auch bei anderen Destinationen zu. Das bedeutet, dass sich Hotelplan, M-Travel, Esco und andere Marken entsprechend positionieren. Wenn ich ein Luxusresort auf den Malediven im Prospekt von Hotelplan und Globus sehe, dann müssen wir uns entscheiden. Beides geht nicht, sonst sind wir unglaubwürdig.

Hat der Deal Einfluss auf die Agentenpolitik, die ja unterschiedlich ist?
Auch hier gilt möglichst eigenständig. Der Agent wird also unmittelbar nichts von diesem Zusammenschluss spüren, weil wir die beiden Unternehmen parallel fahren. Wir dürfen aber den Konzentrationsprozess nicht vergessen. Der einzelne Agent muss die Anzahl seiner Lieferanten, sprich TOs, tendenziell reduzieren. Von dieser Seite her passiert etwas im Markt.

Könnte es sein, dass in Zukunft die kumulierten Umsätze von Hotelplan und Travelhouse zu einer Superkommission berechtigen?
Bisher haben wir dieses Thema nicht analysiert und nicht entschieden, weil die Leute, die das letztlich betreuen und umsetzen, aus Geheimhaltungsgründen nicht in das Projekt involviert waren. Da braucht es nun intensive Gespräche zwischen Thomas Stirnimann und Peter Spring unter meiner Leitung. Aber ich will diese Möglichkeit grundsätzlich nicht verneinen. Ich kann heute noch nicht sagen, ob das sinnvoll ist und wie wir damit umgehen.

Am TTW äusserten viele Marktteilnehmer, speziell Airlines, die Angst vor neuem Druck auf die Konditionen. Ist damit zu rechnen?
Dort wo es keinen Einfluss an der Front und gegenüber dem Agenten hat, ist es sinnvoll, das neue Volumen zu bündeln und zu nutzen. Ein Beispiel ist der GDS-Vertrag mit Galileo. Wir sind alle unter Margen- und Kostendruck. Aber es wird ganz klar keinen zentralisierten Einkauf von reinen Reiseleistungen geben. Damit würden wir die Produkte vermischen und jedes Produkt braucht ein Profil, eine eigene Aussage, ein Herz und ein Leben.
Damit die Produkte ihre Eigenständigkeit behalten und ausbauen können, müssen wir auch im Einkauf am Parallelbetrieb festhalten. Beide Unternehmen müssen organisch wachsen und ihre eigene Profitabilität steigern. Es geht nicht darum, Synergien zu optimieren. Sowohl Thomas Stirnimann wie Peter Spring haben ihren eigenen Business Plan und müssen den stand alone umsetzen. Daran werden sie gemessen.

Wird sich diese Akquisition lohnen?
Der Kauf dieser Aktien wird sich ab sofort und langfristig lohnen. Da ist viel Geld im Raum und wir stehen alle in der Verantwortung.

Wollten Sie mit diesem Deal unbedingt die Nummer 1 auf dem Schweizer Reisemarkt werden?
Das war nicht das Ziel. Unser Ziel der Marktführerschaft hat nicht nur die Komponente Umsatz, sondern auch qualitative Aspekte. Primär müssen wir profitabel sein. Wenn ich denke, wie man mit unserem Aktionär Migros zusammenarbeiten kann, wenn man fundiert argumentiert, begründet und die Basis legt, dann liegt vieles drin.

Ist es richtig, dass beide Unternehmen bei der Rentabilität noch zulegen müssen?
Beide Unternehmen haben sehr konkrete Pläne und beide haben ganz massive Transformationsprozesse hinter sich. Die Travelhouse-Gruppe wurde gesellschaftsrechtlich unter einer Dachmarke zusammengefasst, die IT wird umgestellt und man ist teilweise umgezogen. Also eine massive Reorganisation. Auch die Hotelplan Swiss Group hat eine Rosskur hinter sich. Beide Unternehmen haben ihre Business-Pläne und ihre Budgets und beide haben je einen Verantwortlichen, der diese umsetzen muss.

Angelo Heuberger/Urs Hirt