«Eine Stunde Beratung bei uns ersetzt 13 Stunden Surfen im Internet» (Ausgabe 2016-13)

Dany Gehrig, CEO von Globetrotter Travel Service, über Olympia 2016, die speziellen Herausforderungen eines Sportreise-Spezialisten und seine Beziehung zum omnipräsenten Group-CEO André Lüthi.

Herr Gehrig, man sieht Sie selten in den Medien. Das Gesicht Ihres Chefs André Lüthi kennt hingegen jeder in der Branche. Stört es Sie, dass Sie öffentlich meist im Schatten des Globetrotter-Group-CEO stehen?

Danach werde ich oft gefragt. Aber das ist sogar ein bisschen Part of the Deal. Ich suche die Öffentlichkeit weniger als er und es nimmt mir auch weniger Zeit weg. Wir haben das von Anfang an so abgesprochen. Als ich früher Gigathlon-Präsident war, stand ich oft genug in den Medien.   

Apropos Medien. Die Reisebranche wird dort derzeit nicht gerade mit blühenden Landschaften in Verbindung gebracht. Wie schlägt sich Globetrotter Travel Service in der aktuellen Situation? 

Wir suchen unseren eigenen Weg und haben uns entschieden, unsere Nische in der Beratung für individuelle Reisen zu besetzen. Und das möglichst perfekt zu machen. Damit lässt sich noch gut Geld verdienen. 

Wie gut?

Im Jahr 2015 hatten wir bei Globetrotter Travel Service trotz der vielen Unsicherheiten unterm Strich ein gutes Jahr. Mit CHF 163 Mio. Umsatz lagen wir zwar 8% hinter dem Rekordjahr 2014 zurück. Aber die Hälfte davon ist damit zu erklären, dass 2015 kein Olympiajahr war und dass wir einen grossen Businesskunden verloren haben, was wir aber vorher wussten. Wir können sehr schnell auf Veränderungen reagieren und jeder packt mit an. Jeder Abteilungsleiter sieht sich selbst als Unternehmer und hat beim Sparen geholfen. Das hatte Einfluss aufs Gesamtergebnis.  

Das tönt jetzt aber doch nicht so gut.

Doch, es war ein sehr gutes Jahr 2015. Und auch ins 2016 sind wir erfreulich gestartet. Bei den Vorausbuchungen bis Ende Jahr liegen wir umsatzmässig im Plus. Und es ist ein Olympiajahr. Wir sind also sehr zuversichtlich. 

Bei Globetrotter gibt es zwölf Wochen Ferien, davon sind aber sieben unbezahlt. Kann man so Leute langfristig an sich binden? Oder ist das nur für die Jungen attraktiv?

Dieses System ist einer der Grundpfeiler unseres Erfolgs. Es ist eine Win-Win-Win-Situation. Win für uns, weil sich die Mitarbeiter beim Reisen fortbilden. Win für den Kunden, weil er eine authentische Beratung bekommt. Und Win für den Mitarbeiter, weil er seine Leidenschaft, das Reisen, weiter ausleben kann und weiss, wenn er zurückkommt, hat er seinen Job noch. 

Nachteil?

Wir brauchen 10% mehr Personal und müssen die Abwesenheiten gut planen.  

Konkret: Wie alt sind Ihre 260 Mitarbeiter und wie lange bleiben sie? 

Wir haben ein Durchschnittsalter von 38 Jahren und eine Fluktuation von unter 10%. Das finde ich einen guten Wert. Gerade erst haben wir jemanden pensioniert. Wir haben viele Teilzeitkräfte und Frauen im Team. Was viele nicht wissen: Wir zahlen eine Extra-Familienzulage und die zwölf Wochen Ferien sind kein Zwang. Man kann es jedes Jahr ändern, mal mehr nehmen und mal weniger. Je nach Situation des Mitarbeiters, aber auch der Filiale. Das Ganze ist ein Geben und Nehmen. Im Kader bin ich mit fünf Jahren übrigens absolut Dienstjüngster.

Globetrotter steht ganz klar zu Beratungsgebühren. Müssen Sie sich dafür oft rechtfertigen?

Ab und zu müssen wir es erklären, ja. Aber die meisten Leute haben es inzwischen begriffen. Da wir sehr früh damit angefangen haben, vor fünf Jahren, ist es intern selbstverständlich geworden, dass unser Wissen einen Wert hat. Zudem sparen wir den Kunden Zeit, und die ist heute ein rares Gut – eine Stunde Beratung bei uns statt 13 Stunden Surfen im Internet. Auch andere Branchen verlangen jetzt ja Geld für ihre Beratungskompetenz – Sportgeschäfte, Fotofachgeschäfte. Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. 

Und wenn die Kunden nicht zufrieden sind?

Natürlich steigen mit der Gebühr auch die Erwartungen an die Beratung. Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Wissen auf einem hohen Niveau bleibt. Wir verkaufen Träume, unser Geschäft ist mit Erwartungen verknüpft, da gibt es immer Kunden, die auch mal nicht zufrieden sind. Aber das hält sich im normalen Rahmen. 

Geld zurück gibt es nicht?

Nein. Wir wollen die Leistung bringen. Die Aufgabe des Kaders ist es, Reklamationen zu thematisieren, zu schulen und Checks zu machen. Wir schicken auch Pseudokunden in die Filialen. Intern haben wir ein Drei-Sterne-System. Ein Stern heisst, der Berater war einmal in der Region, zwei Sterne: Er ist länger dort herumgereist, drei Sterne: Er ist ein absoluter Experte und hat mehrere Reisearten vor Ort erlebt. Je nach Beratungsbedürfnis des Kunden setzen wir den entsprechenden Berater ein. Es muss ja auch zwischenmenschlich passen. Das mit den Sternen bleibt allerdings intern. Wir wollen gegen aussen kein Zwei-Klassen-System, sondern eine dem Kundenbedürfnis entsprechende Beratung bieten.

Obwohl Globetrotter viel mehr auf offline als auf online setzt, haben Sie ein vorbildliches Online-Terminbuchungstool. Wie gut wird das angenommen?

Es kommen pro Monat mehrere 100 Termin-Anfragen über das Tool. Das ist genau unser Ansatz: online Ideen geben, offline beraten. Das Tool ist dabei sehr hilfreich. Es vermittelt direkt einen Kontakt zwischen dem Kunden und dem Berater für die gewünschte Destination. Man kann die Filiale und die Zeit festlegen und wenn man ins Reisebüro kommt, muss man nicht warten. Man kommt sofort dran, der Berater hat Zeit und ist vorbereitet. Diese Art der Beratung ist immer mehr im Kommen. 

Welcher Aufwand steckt hinter diesem neuen Tool?

Das Termintool haben wir 2014 eingeführt und es war die grösste Investition in den letzten Jahren. Dahinter steckt die ganze Zeiterfassung, wer arbeitet wann und ist wann verfügbar. Das gab es vorher gar nicht.

Und wie versuchen Sie sonst, am Ball zu bleiben, was neue Technologien
angeht? 

Bei uns gibt es keine Riesen-IT-Investitionen, die wir auf einen Schlag tätigen. Alles geht in kleinen Schritten. 2015 haben wir unser eigenes Campertool eingeführt, das schönere Offerten und bessere Preisvergleiche ermöglicht. Dieses Jahr haben wir eine Chatfunktion auf unserer Website eingerichtet. Sie wurde schon mehrere 100 Mal genutzt, was uns zeigt, dass das ein Bedürfnis ist. Für mich ist es ausserdem wichtig, mich auch in Gesprächen mit Führungskräften ausserhalb der Branche auszutauschen.  

Schauen wir hinaus in die Welt. Welche Destinationen liegen im Trend?

Diese Frage hat bei uns keine grosse Bedeutung. Hauptsache ist, dass die Kunden verreisen. Wir buchen alle gewünschten Destinationen. Hoch im Kurs stehen aber natürlich Kuba, Südliches Afrika, Myanmar. Und den Nord-Europa-Trend spüren wir auch.

Und von den Reisearten her?

Was wir ganz klar merken ist, dass Kleingruppen-Reisen immer mehr zunehmen. Obwohl doch der Schweizer eigentlich kein Gruppenreise-Typ ist. Vor allem junge Leute scheinen heute soziale Kontakte dem Alleinreisen vorzuziehen. 

Über eine Destination müssen wir aber schon reden mit Ihnen als Sportreisespezialist und offiziellem Partner von Swiss Olympic: Wie läuft Rio 2016? 

Das ist sehr gut gelaufen. Das Geschäft ist grossteils schon abgeschlossen. Rio scheint für die Schweizer, vielleicht auch durch den Flug mit Edelweiss, interessant zu sein. Rio bietet einen besonderen Lifestyle als Kontrapunkt zum regulierten, geplanten Leben in der Schweiz. Es gibt die Kombination aus Sport, Stadt, tollen Tagesausflügen und angenehmem Klima mit ca. 25 Grad im August. In Deutschland, habe ich gehört, läuft Brasilien nicht so gut.

Die Deutschen haben wahrscheinlich Angst vor Zika. Die Schweizer auch?

Das Ganze ist doch eher eine grosse Mediengeschichte. Wir hatten bislang eine einzige Reaktion. Unser Produkte-Chef war in Rio und dort unten ist es nicht so ein Thema wie hier. Selbstverständlich verfolgen wir die Entwicklung und würden bei entsprechender Warnung reagieren.

Gab es in der Vergangenheit Olympiadestinationen, die gar nicht liefen?

Bei Sotschi waren wir sehr unsicher, wie es laufen würde. Aber es gibt immer Olympia-Reisende, die reisen einfach des Events wegen. Das muss man auch unbedingt einmal erlebt haben, die friedliche Stimmung, den kulturellen Austausch, den Nationalstolz. Nach Sotschi gab es über 30 Charterflüge von uns, weil auch viele Athleten aus anderen Ländern ab Zürich geflogen sind nach dem Weltcup in St. Moritz.

Dieses Jahr gibt es ja nun einen fixen Flug der Edelweiss nach Rio de Janeiro. Macht es das besonders einfach für Globetrotter?  

Es hat gewisse Dinge erleichtert, gewisse auch verkompliziert. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Wir waren davor schon mit der Swiss in Gesprächen wegen der Fluglösungen. Erst im Mai 2015 haben wir ja dann erfahren, dass die Edelweiss fliegt. 

Wie langfristig muss man sich das Projekt Fluglösungen für Olympia -vorstellen?

Ich war jetzt in Südkorea, um mir Fluglösungen und Unterkunftsmöglichkeiten für die Winterspiele 2018 anzuschauen. Damit Sie eine Ahnung bekommen: Wir müssen bereits bis Ende Mai unsere Tickets für die Spiele 2018 bestellen.

Was ist kompliziert an den Flügen?

Mit uns fliegen ja nicht nur die Touristen, sondern v.a. die Sportler, die Funktionäre, das SRF. Die fliegen ja nicht alle zusammen. Bei den Sportlern spielt es eine Rolle, wie weit sie im Wettkampf kommen. Wenn sie nicht mehr im Wettkampf sind, müssen sie nach zwei Tagen heimfliegen. Dann heisst es, umbuchen. Bei Wettkampf-Delegationen ist alles sehr individuell und man muss einen Kompromiss finden zwischen günstigen Fluglösungen und Ruhezeiten für die Sportler.  

Ein Thema ist sicher auch das Gepäck. 

Es ist viel Gepäck und problematisches Gepäck. Die Schützen wollen ihre Gewehre mitnehmen, der Stabhochspringer seinen Stabhochsprungstab. Das müssen Sie in manchen Ländern erstmal erklären beim Check-in. 

Und wenn es den Edelweiss-Flug nicht gegeben hätte?

Wären wir mit der Swiss nach Sao Paulo geflogen oder wahrscheinlich eher mit Air France/KLM, weil ein Umstieg in Europa weniger kompliziert ist.

Globetrotter Travel Service ist neben Leisure nicht nur auf Sport-, sondern auch auf Business-Reisen spezialisiert. Wie läuft es dort? 

Dort sind wir stetig leicht am Wachsen. Business-Reisen, die wir mit den Sportreisen zusammenzählen, machen ca. 15% vom Umsatz aus. Viele KMU und Sportverbände setzen auf die persönliche Betreuung bei uns. Gerade bei den Verbänden, wo immer Personalknappheit herrscht, ist man angewiesen auf unser Wissen was Flüge, Routings, Gruppenbuchungen und Tarife angeht. 

Um nochmals auf Ihren Group-CEO zurückzukommen: Wie viel mischt sich André Lüthi ins Geschäft von Globetrotter Travel Service ein? Immerhin hat er den Job lange Jahre selbst gemacht.  

Wir haben einen regen, aber unregelmässigen Austausch. Wir verstehen uns extrem gut, was die Strategie anbelangt. Bevor ich den Job als CEO 2013 von Ändu Lüthi übernommen habe, hatten wir lange Diskussionen. Aber er konnte sich extrem gut aus dem operativen ins strategische Feld zurückziehen. Der Wechsel war vorbildlich.

Wirklich?

Ja wirklich, er hat einfach den Schalter gekippt und sich operativ völlig rausgehalten. Es hat auch vom ersten Tag an funktioniert, dass er alle Leute vom Airline-Partner bis zum Produktechef an mich weitergeleitet hat, extern und intern. Auch das Kader ist vom ersten Tag an konsequent zu mir gekommen und nicht mehr zu ihm. Das hat es für mich sehr einfach gemacht. Ausserdem war Ändu in den ersten drei Monaten ohnehin viel unterwegs. Ob bewusst oder unbewusst (lacht).

Und wie ist die Stimmung bei den Mitarbeitenden unter Ihrer Führung? 

Die Stimmung ist sehr gut. Die Mitarbeiter haben gerade ihren Bonus bekommen (lächelt). 


Stephanie Günzler