Kreuzfahrtschiffe: Das ist die Kontroverse um LNG

Flüssigerdgas (LNG) wird von den Reedereien als klimafreundliche Treibstoff-Alternative propagiert. Das sieht die Umwelt-Organisation NABU aber anders.
LNG-Bunkering der Aida Nova in Barcelona. © BE

Die seit Jahren für ihre engagierte kritische Begleitung der Kreuzfahrtindustrie bekannte Umwelt-Organisation NABU (Naturschutzbund Deutschland) hat kürzlich wieder ein Thema aufgegriffen, das für Diskussionen sorgt.

«Mit Flüssiggas betriebene Schiffe stossen neben CO₂ auch extrem klimaschädliches Methan aus», schreibt der NABU. Dies habe der europäische Dachverband Transport & Environment im Rotterdamer Hafen mit einer speziellen Infrarotkamera deutlich sichtbar nachgewiesen.

Der kritische Methanschlupf

Bei der Verbrennung von LNG (Liquefied Natural Gas), das immer häufiger bei neuen Kreuzfahrtschiffen als umwelt-verträglichere Alternative zu Schweröl oder Marinediesel zum Einsatz kommt, entweicht auch unverbranntes Methan. Dieses Treibhausgas weise eine 86-mal stärkere Klimawirkung als CO₂ auf, und die Emissionen aus dem sogenanntem Methanschlupf, also unverbranntem Methan, schädige das Klima enorm, unterstreicht der NABU.

Auch bei Förderung und Transport gelange unverbranntes Methan in die Atmosphäre. Besonders klimaschädlich sei die Bilanz von Gas aus Quellen, die über Fracking angezapft werden.

Nach Angaben der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) entweichen je nach Motor zwischen 0,2 und über vier Prozent des fossilen Gases aus dem Verbrennungsprozess direkt in die Atmosphäre, zitiert der NABU: «Grüne Etiketten können den negativen Klimaeffekt von LNG-Schiffen nicht verstecken. Jede Regulierung, die auf LNG für den Seeverkehr setzt, zementiert eine klimaschädliche Technologie für mehrere Jahrzehnte».

Auch wenn die CO₂-Emissionen mit LNG bis zu 25 Prozent geringer sind, falle die Klimabilanz wegen des Methanschlupfs in einigen Fällen gegenüber Schweröl und Diesel sogar schlechter aus. Die Förderung von LNG als Schiffskraftstoff und entsprechende Betankungsinfrastrukturen seien zu stoppen. Stattdessen müssten zukunftsweisende Regelungen für den beschleunigten Hochlauf von synthetischen Kraftstoffen auf Basis von grünem Wasserstoff umgesetzt werden, erklärt der NABU.

LNG als Brückentechnologie

Bei Aida Cruises, wo mit der Aida Nova und Aida Cosma bereits zwei LNG-Schiffe im Einsatz sind, weist man auf Anfrage von TRAVEL INSIDE darauf hin, dass man den Einsatz von Flüssigerdgas stets als «Brückentechnologie» bezeichnet habe, die aber auf dem Weg zu einem emissionsneutralen Schiffsbetrieb einen wichtigen Beitrag zur Senkung von verschiedensten direkten und indirekten Treibhausgasen leiste.

«Neben der nachhaltigen Verringerung von CO₂-Emissionen werden durch den Einsatz von LNG zum Beispiel die Emissionen von Schwefeloxiden und Feinstaub nahezu vollständig vermieden und auch der Ausstoss von Stickoxiden wird erheblich gesenkt», teilt Martina Reuter, Senior Manager Communication & Sustainability bei Aida, mit.

«Dass es während des Verbrennungsprozesses in den Motoren zu einem Methanschlupf kommen kann, ist bekannt», so Reuter weiter. Aida Cruises arbeite mit Motorenherstellern und Treibstofflieferanten kontinuierlich an der Optimierung der LNG-Nutzung, um diese zu eliminieren. Jeder Fortschritt fliesse zudem in die Entwicklung neuer Transport- und Motorentechnologie ein.

LNG-Nutzen wird verringert…
Neue LNG-Bauserie World-Class von MSC. © MSC

TRAVEL INSIDE hat sich auch bei MSC Cruises zum Thema erkundigt, wo mit der neuen World-Bauklasse ebenfalls bald LNG-Schiffe zum Einsatz kommen. «Wenn LNG in einem Verbrennungsmotor verwendet wird, bleibt ein relativ kleiner Teil des Methans unverbrannt und wird freigesetzt, wodurch der Nutzen von LNG als Kraftstoff in Bezug auf die Treibhausgasemissionen tatsächlich verringert wird», bestätigt auch Dominik Gebhard, Head of PR DACH, den Sachverhalt grundsätzlich.

Das Phänomen «Methanschlupf» sei aber vor allem bei relativ alten Motoren von grösserer Bedeutung, während seine Auswirkungen bei Motoren der neuen Generation erheblich reduziert werden. Der tatsächliche Beitrag des Methanschlupfs zur globalen Erwärmung sei nicht leicht abzuschätzen: «Einerseits hat Methan ein höheres globales Erwärmungspotenzial als CO₂, andererseits nimmt sein Beitrag im Laufe der Zeit deutlich ab», erklärt Gebhard.

…bleibt aber eine Alternative

Bei MSC Cruises weist man zudem darauf hin, dass die von internationalen Institutionen wie IMO oder «Society of Gas as Marine Fuel» anerkannte Methode zur Berechnung des Beitrages von Methanschlupf und flüchtigen Emissionen zur globalen Erwärmung auf einem Zeitraum von 100 Jahren basiere. Die vom NABU genannte Klimawirkung werde aber über einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet, wodurch der Beitrag von Methan zur globalen Erwärmung überschätzt werde.

«Eine umfassende Studie des anerkannten Forschungsinstituts Sphera bestätigt, dass LNG trotz des Methanschlupfs zu einer Verringerung der Treibhausgas-Emissionen um rund 10 bis 15 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Schiffskraftstoffen führt, wenn man den gesamten Kraftstofflebenszyklus betrachtet», hält Gebhard fest. Auf Grund dieser Überlegungen stimmt man bei MSC nicht mit der Aussage überein, dass LNG keine klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Schiffskraftstoffen darstelle.

Keine «one fits all»-Lösung

Die Reedereien arbeiten zudem längst intensiv an einer Ablösung der Brückentechnologie LNG und der Erforschung und dem praktischen Einsatz von emissionsneutralem Treibstoff. «Bis diese neuen Treibstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und international einheitliche Regularien zum Umgang und der Lagerung an Bord von grossen Passagierschiffen geschaffen werden, ist aktuell LNG der wichtigste Treibstoff für die Schifffahrt um Emissionen im Seebetrieb nachhaltig zu senken», sagt Martine Reuter von Aida Cruises.

Zusatzenergie mit Batteriespreicher. ©BE

Technisch betrachtet werde es aus heutiger Sicht keine «one fits all»-Lösung für die emissionsneutrale Kreuzfahrt geben, ist man bei Aida überzeugt.

Aber man entwickle laufend wichtige praktische Schritte auf diesem Weg: So wird etwa auf der Aida Prima in diesem Sommer das bisher grösste Batteriespeichersystem in der Passagierschifffahrt mit einer Kapazität von zehn Megawattstunden im Betrieb genommen. Und auf der Aida Nova wird ebenfalls im Sommer die erste Brennstoffzelle auf einem grossen Passagierschiff in der Praxis getestet.

Brenstoffzellen und Landstrom
Landstromanlage von Aida in Warnemünde. © Aida

Ein anderer Schritt ist das Thema Landstrom mit dem Ziel, mit allen Aida Schiffe wo immer im Hafen verfügbar grünen Landstrom zu nutzen.

Seit 2017 ist in Hamburg-Altona Europas erste Landstromanalage in Betrieb, seit letztem Sommer beziehen die Aida-Schiffe auch in Kiel und Rostock-Warnemünde grünen Landstrom. Auch in Bergen und Southampton verliefen erste Tests erfolgreich. Aktuell können 11 Aida-Schiffe – dort wo verfügbar – Landstrom nutzen.

Auch MSC Cruises, die als erstes Kreuzfahrtunternehmen der Initiative «Green Marine Europe» beigetreten ist und ebenfalls einen emissionsfreien Schiffsbetrieb anstrebt, wird natürlich intensiv an neuen Lösungen gearbeitet. Ein Schwerpunkt sind wasserstoffbetriebene Schiffe und Brennstoffzellen auf LNG-Schiffen wie der MSC World Europa, die im Dezember 2022 ausgeliefert wird eine solche Pilotanlage erhält. Auch der Ausrüstung der Schiffe für Landstrom wird bei MSC viel Gewicht beigemessen.

Beat Eichenberger