Markus Kohli: «Künstliche Intelligenz wird zu einem Gamechanger»

Der CEO der Knecht Reisen AG schaut im Interview mit TRAVEL INSIDE in die Zukunft.
Markus Kohli ©TI

Im grossen Interview mit TRAVEL INSIDE vergleicht Markus Kohli, CEO der Knecht Reisen AG, den Wandel, der Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt hervorrufen könnte, mit dem der Einführung des Internets.

Der Chef des Aargauer Reiseunternehmens wagt einen Blick in die Zukunft, spricht zudem über billiges Reisen und erklärt, weshalb Tourismus und Nachhaltigkeit nicht so einfach vereinbar sind, wie es sich viele vorstellen. Mehr von Markus Kohli und die Knecht Reisen AG lesen Sie in der am Donnerstag, 29. Juni erscheinenden Print-Ausgabe.


Markus Kohli, ein Blick in die Glaskugel – was erwarten Sie von 2024?

Ich erwarte noch einmal eine Steigerung. Wir streben ganz klar weiteres Wachstum an und verfolgen eine eindeutige Wachstumsstrategie. Das steigende Preisniveau in der Reisebranche sehe ich aber als Risiko, das heisst ich glaube, dass die Kaufkraft und Zahlungsbereitschaft aufgrund des langsam auslaufenden Nachholeffekts abnehmen werden. Auch dass sonst alles teurer wird, könnte auf das Reisen einen Impact haben.

Dann sind Sie ein Befürworter des billigen Reisens?

Das würde ich so nicht sagen, aber ich finde es nicht richtig, dass immer nur billiges Reisen kritisiert wird. Ich finde, es sind viele Produkte zu billig. Billigkleider, Billigfleisch usw. ist auch nicht gut. Wir bewegen uns aber in einer Konsumgesellschaft, darum finde ich es nicht zielführend, den moralischen Zeigfinger zu erheben, denn der eine macht gerne eine Fernreise und der andere möchte an den Ballermann. Das ist beides in Ordnung. Reisen soll auch kein Privileg für die Oberschicht sein. Das Verursacherprinzip sollte aber mehr zum Zug kommen. Billigreisen decken den Ressourcenverschleiss nicht, heisst es oft. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das bei Luxusreisen denn so viel anders ist.

André Lüthi ist der Meinung, dass Reisen an Wert verloren hat – was meinen Sie?

Diesbezüglich bin ich nicht so nostalgisch wie André Lüthi. Durch die permanente Übersättigung unserer Wohlstandsgesellschaft hat alles an Wert verloren. Das ist eine Tatsache. Ich finde das grundsätzlich auch schade; etwas bewusster zu leben, würde den meisten von uns guttun. Ich will aber niemanden bevormunden und deswegen würde ich auch nie sagen, reisen darf nicht billig sein.

Tourismus und Nachhaltigkeit – geht das überhaupt?

Beim Thema Nachhaltigkeit bewegen wir uns Touristiker auf Glatteis. Grundsätzlich ist Reisen nicht nachhaltig, ausser vielleicht Wandern, mit dem Velo oder dem Zug. Wir brauchen viel Ressourcen – das ist einfach so. Um hierfür Lösungen zu finden, braucht es technologische Entwicklung. Das ist der einzige Weg. Initiativen wie das SAF finde ich einen sehr guten Ansatz. Auch ein gutes Beispiel ist das Grootbos Nature Reserve in Südafrika, das ist die ersten Carbon-negative Lodge auf der südlichen Hemisphäre. Wir müssen da ansetzen – mit innovativen Ideen, mit Forschung und Entwicklung, die Reisen nachhaltiger zu machen. Im Moment wollen alle nachhaltig sein, aber sobald es ums Portemonnaie geht, sind dann viele plötzlich nicht mehr so nachhaltig.

Nachhaltiges Reisen sei aber im Trend – sehen Sie das anders?

Ich glaube nachhaltiges Reisen ist noch kein Trend. Wir sehen das jedenfalls noch nicht bei unseren Kunden. Auch bei uns in den Filialen wird danach nicht aktiv gefragt. Aber ich denke nachhaltiges Reisen wir in Zukunft immer wichtiger werden.

Apropos Zukunftsmusik – Künstliche Intelligenz, ChatGPT usw. sind gross im Kommen – auch in der Reisebranche?

Meiner Meinung nach wird Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt zu einem Gamechanger. Davon bin ich überzeugt. Das ist vergleichbar mit der Einführung des Internets. Für mich gibt es aber zu diesem Thema auch noch viele nicht beantwortete Fragen. Datensicherheit – was passiert mit diesen Daten, was ist mit dem Thema Urheberrecht – es sind noch viele Fragen offen. Ich glaube aber schon, dass wir das zukünftig, auch zu unserem Vorteil, nutzen werden. Zum Beispiel für Reiseprogramme, Reiseofferten oder automatisierten Chatfunktionen. Ich bin aber ebenfalls davon überzeugt, dass es das Reisebüro weiterhin braucht. Was KI und ChatGPT nicht anbieten können, ist eine Beziehung, eine emotionale und soziale Bindung. Der persönliche Kontakt ist in unserer Branche immens wichtig und wird es auch bleiben. In der heutigen virtuellen Welt wird es aus meiner Sicht auch immer wichtiger, dass man eine Bezugsperson, einen Kontakt oder eine Ansprechperson hat. Der Kunde wird auch in Zukunft den persönlichen Kontakt suchen, aus diesem Grund zählen wir weiterhin auf den Retail und wollen da in Zukunft auch wachsen.

Sind denn bereits neue Filialen geplant?

Nein, im Moment ist nichts geplant. Aber wir sind uns am Umsehen. Aktuell haben wir 17 Filialen plus Glur. Vertrauen, Sicherheit und der persönliche Kontakt werden weiterhin wichtig sein und deshalb setzen wir auch voll auf den stationären Vertrieb.

Was ist das Feedback Ihrer Kunden, was stört aktuell am meisten?

Ein Störfaktor ist die momentane Situation mit den langen Warteschlangen am Flughafen Zürich. Das ist ein grosses Thema bei unseren Kunden und sorgt für viel Verunsicherung. Und das zweite, was manchmal für Empörung sorgt, sind die hohen Flugpreise.

Interview: Yannick Suter