Lebendige Erbschaften der Swissair-Ära

Viele ehemalige Angestellte der 2001 gegroundeten Schweizer Airline treffen und engagieren sich immer noch im Namen ihres ehemaligen Arbeitgebers.
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Es gibt Dinge im Leben, die schweissen Menschen für immer zusammen. Für die ehemaligen Angestellten der Swissair war oder ist dies ganz offensichtlich ihr einstiger Arbeitgeber. Warum sonst gibt es über eineinhalb Jahrzehnte nach dem Grounding der Airline im Herbst 2001 noch immer mehrere tausend Menschen, die sich im Namen der Swissair treffen, austauschen, gemeinsame Hobbys ausüben oder sich sozialen Projekten widmen?

Marcel Hungerbühler (r.) und Stefan Angst beim Besuch in der TI-Redaktion in Zürich.

«Es war eine Art Familie, eine schöne Zeit, die uns immer noch stark verbindet », sagt Andreas Wenger, der von 1990 bis 2002 bei der Swissair und der SAir Group im Controlling und in der Konzernentwicklung gearbeitet hat. Heute organisiert er mit anderen Ehemaligen die Xing-Gruppe «Swissair Network Circle», die fast 2400 Mitglieder zählt und sich jedes Jahr trifft. Wie vergangene Woche in Kloten-Balsberg. 120 Leute waren vor Ort, u.a. um die Keynote von Ex-Swissair-CEO Jeff Katz zu hören: «Swissair Afterglow: Important Lessons from Then and Now.»

DOCH DIE AKTIVE VERBUNDENHEIT zur Swissair ist nicht nur ein Schwelgen in vergangenen Zeiten. Dies beweist z.B. die «Stiftung Kinderhilfe des Swissair- Personals», der u.a. Marcel Hungerbühler (67, vor seiner Pensionierung COO beim Delhi und beim Bangalore International Airport) und Stefan Angst (51, heute Sales & Marketing Manager bei Amadeus Schweiz) angehören. Beide haben einst eine Luftverkehrslehre bei der Swissair gemacht und «die vielen Möglichkeiten zur beruflichen Entfaltung bei dieser tollen Unternehmung», bis zuletzt genutzt – auch international. Hungerbühler arbeitete als Sales Manager in Asien, als General Manager in England und als Area Manager im Fernen Osten. Angst zog es nach Nizza, Rom, Athen, Brüssel und Texas.

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Die «Stiftung Kinderhilfe des Swissair-Personals» unterstützt seit Jahrzehnten Kinderhilfsprojekte in aller Welt.

DIE STIFTUNG KINDERHILFE ist eine fruchtbare Folge dieser Internationalität. In vielen Ländern, welche die Swissair anflog und inzwischen auch in weiteren, sind Hilfsprojekte entstanden, die sich in erster Linie gegen Kinderarmut einsetzen. Im Zentrum stehen dabei die SOS-Kinderdörfer. Seit Beginn der Zusammenarbeit im Jahr 1976 sind 22 «Swissair- Häuser» entstanden, u.a. in Ghana, Rumänien, Mexiko, Vietnam, Aserbeidschan und zuletzt 2011 in Lesotho.

«Wir sind vor allem an der Langfristigkeit des Engagements interessiert», sagt Stiftungsrats-Präsident Hungerbühler. «Viele Projekte gibt es schon seit 40 Jahren», ergänzt Angst, der sich in der Stiftung um die Kommunikation kümmert. Früher hätten die Crews bei ihren Aufenthalten im Land die Projekte regelmässig besucht, heute geht vieles über Telefon, Mail, Treffen in der Schweiz, aber auch vor Ort. Die Verwaltungskosten der Schweizer Stiftung liegen Hungerbühler zufolge bei unter 1%. Auch andere Engagements werden seit Jahren unterstützt, etwa ein Slum-Bildungsprojekt in Bombay oder die Schweizer Organisation Child’s Dream mit Projekten in Laos, Thailand, Kambodscha und Myanmar.

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Am Jahrestreffen des Swissair Network Circle (v.l.): Andreas Wenger, Myrta Meichtry, Rainer Fröhlich, Werner Krummenacher, Marcel Hungerbühler.

BEGONNEN HATTE DIE GESCHICHTE der Stiftung Kinderhilfe 1956 mit einer Sammelaktion des Swissair-Personals für Ungarn-Flüchtlinge in der Schweiz. Nach dem Grounding geriet auch die Stiftung in eine Krise. «Wir haben überlebt, weil die Spender uns vertrauen, dass ihr Geld ankommt, wo es gebraucht wird», so Hungerbühler. Rund CHF 28 Mio. sind über die Jahre zusammengekommen. Seit dem Grounding nicht mehr durch automatischen Lohnabzug, sondern u.a. durch Erbschaften und Legate. Aber auch durch die vielen Ehemaligen, die sich immer noch mit der Swissair verbunden fühlen. Angst, Hungerbühler und Wenger erklären dieses Phänomen alle in ähnlichen Worten: «Man war einfach stolz, für diese Airline zu arbeiten.»


Noch existierende Swissair-Vereinigungen

Weltweit treffen sich ehemalige Swissair-Angestellte noch immer in verschiedenen Gruppen, teils in virtuellen, meist aber in realen Netzwerken. Allein in der Schweiz gibt es u. a.: Swissair Voices; FC Swissair; Swissair Oldies; Skiclub Swissair; Golfclub Swissair; Kunstzirkel Swissair; zudem die Modelleisenbahnfans, einen Eishockeyclub, Bogenschützen und die Swissair Friends auf Facebook (1400 Mitglieder).

Stephanie Günzler