«Ich muss Raum für Improvisationen haben»

Die Karriere von Joël von Mutzenbecher zeigt steil nach oben. Der Comedian und Moderator spricht über seine Arbeit und Ideen.
Joël von Mutzenbecher

Sie sind Comedian, Moderator und Schauspieler. Was macht Ihnen am meisten Spass?

Alles auf seine Art macht Spass. Die Frage ist, was am meisten aus dem Herzen kommt und das ist Comedy. Aber in allem, was ich mache, schwebt Comedy immer mit. Ein Moderator kann eine komödiantische Ader haben und der Schauspieler, der Komödien spielt, sowieso. Das Komödiantische wurde mir in die Wiege gelegt. Schon als Kind wollte ich die anderen immer zum Lachen bringen.

Und wo liegen die grössten Herausforderungen?

Letztlich auch in der Comedy. Aber da ich kein Schauspieler bin, ist auch dieses Gebiet eine grosse Herausforderung für mich. Ich mache das zwar nicht mehr oft, und wenn, dann meistens in Rollen, die nahe an mir sind. Also der etwas freche Mitzwanziger mit Dreitagebart und etwas zerzauster Frisur. Wenn ich die Komfortzone verlassen muss, was in der Schauspielerei viel öfter der Fall ist als bei anderen Jobs, dann wird es für mich zur wirklichen Herausforderung.

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie auf die Bühne und auf den Bildschirm gehören?

Der Gedanke daran kam etwa mit zwölf Jahren, als ich Theater als Freiwahlfach belegt habe. Zuvor war es einfach meine Wesensart. Mit 15 Jahren habe ich die ersten eigenen Nummern geschrieben und wusste, dass der Moment kommen wird, in dem ich damit öffentlich auftreten werde. Ich schrieb fleissig weiter und hoffte auf diesen Moment.

Stimmt es, dass Sie für Ihren Traum die Schule geschmissen haben?

Jein. Als zum dritten Mal eine Schuljahr- Wiederholung anstand, bin ich mit 18 von der Schule geflogen. Aber das war nicht das Ende der Welt. Denn mir war völlig klar, was ich machen will. Meine Eltern waren nicht so begeistert, aber das hielt nicht lange an.

Zu Beginn war es nicht einfach. Ich hatte keinen Job, der ein paar Tausend Franken einbrachte. Ich arbeitete mal als Versicherungsvertreter, dann wieder als Kellner und als Praktikant beim Radio. Nachdem ich es geschafft hatte, beim Radio mehr zu arbeiten, war das gleichzeitig die Basis, auf der ich meine Karriere als Comedian planen und aufbauen konnte.

Mit 27 sind Sie mit Ihrem bereits zweiten Comedy-Soloprogramm «Wienerlipromi» auf Tour. Wie erarbeiten Sie so ein Programm?

Viele Komiker entwickeln eine Nummer und perfektionieren diese dann unentwegt. Ich hingegen möchte in Anlehnung an die englischsprachigen Komiker möglichst viel produzieren und nicht ein Programm jahrelang spielen. Nicht die einzelnen Nummern, sondern ich als Komiker möchte mich weiter entwickeln und besser werden. Als mein altes Programm ein Jahr alt war, stand ich vor der Frage, dieses deutlich zu verbessern oder ein neues zu schreiben. Die Entscheidung für ein neues Programm war schnell klar.

Der Rahmen war rasch abgesteckt und damit auch die ersten zwei/drei Nummern. Dann ging ich im Frühling 2015 für längere Zeit auf Reisen und es wollte sich zuerst überhaupt keine kreative Phase einstellen. Die Selbstzweifel nahmen zu, aber dann im Mai kamen die ersten Anflüge von Ideen, bevor dann der richtige Lauf begann. Diese Phasenwiederholten sich, aber am Schluss hatte ich doppelt so viel Material als ich letztlich ins Programm aufnehmen konnte. Das gibt Selbstvertrauen und das Feedback der Zuschauer bestätigt mir, dass das zweite Programm von A bis Z besser ist als das erste.

Ist die Tatsache, dass Sie der Sohn des bekannten TV-Manns Heinz Margot sind, eher förderlich oder hinderlich für Ihre Karriere?

Für die Karriere spielt es keine Rolle. Vielleicht hat man etwas mehr Medienpräsenz. Aber einige Leute haben die absurde Vorstellung, man sei dadurch privilegiert. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass mein Vater beispielsweise einen Fernsehchef anrufen würde, um ihn zu bitten, etwas für mich zu tun oder einen Auftritt zu vermitteln. Jedes Medium hat für jede Person, die in der Öffentlichkeit auftritt, eine Art Stempel. Wenn ich die Boulevard- Medien anschaue, dann ist Sohn von Heinz Margot ein viel weniger schlimmer Stempel als andere. Ich kann damit leben, aussuchen kann man es sich eh nicht.

Welche Projekte verfolgen Sie neben der aktuellen Tour noch?

Ich organisiere und moderiere immer noch den Comedy Club «Comedy im Balz» in Basel. Jeweils an einem Mittwoch stellen wir in diesem sonst als Nachtclub genutzten Lokal 86 Stühle auf, laden Komiker und Musiker ein. Jetzt gerade hatten wir die 16. Ausgabe. Das macht extrem Spass. Nebst den Solo-Auftritten mache ich viele Mixed Shows wie zum Beispiel «Comedy Bastards » mit den Kollegen Johnny Burn und Peter Löhmann (Dreier-Show).

Der Rest sind Auftragsarbeiten wie Weihnachtsfeiern und vieles mehr. Mein Glück ist, dass man mich für Moderationen und Comedy buchen kann. Das lässt viele Kombinationen zu, je nach Wunsch des Organisators.

Sie waren Ende Oktober eine Woche lang Gastmoderator bei Glanz und Gloria auf SRF1. Was war das für eine Erfahrung?

Eine durchwegs positive. Auch wenn ich früher immer wieder Mal Sprüche über das Magazin gemacht habe, nahm das die Redaktion locker. Ein tolles Team, das gute Arbeit leistet und nicht alles so bierernst nimmt.

Was ist Ihnen bei Auftrags-Moderationen wichtig?

Zwei Sachen: Ich nehme keine politischen Aufträge an, da wäre ich nicht der Richtige. Und man muss sich immer bewusst sein, wer einen bucht, wofür und ob man das möchte? Dann
stimmt es letztlich für den Kunden, für mich und vor allem für die Gäste. Am liebsten ist mir, wenn ich während der Veranstaltung die Stimmung aufnehmen kann und Raum für Improvisationen habe. Ich lege viel Wert auf ein Vorgespräch, damit ich genau weiss, worum es geht, was erwartet wird, wer der Kunde und die Gäste sind. Mit diesem Insiderwissen entwickle ich einige Eckpfeiler für die Moderation, der Rest ist Improvisation. Das einzige Ziel ist es, die Gäste gut zu unterhalten.

Haben Sie Vorbilder?

Die gibt es in den verschiedensten Bereichen. Ohne dass ich ihn als Vorbild bezeichnen würde, finde ich beeindruckend, was Thomas Gottschalk über Jahrzehnte mit einer Sendung geleistet hat. Im deutschsprachigen Raum möchte ich auch den grossartigen Hape Kerkeling und den unnachahmlichen Harald Schmidt erwähnen. Spezifisch im Bereich Comedy sind es schnell die Late-Night-Moderatoren in den USA, die bei mir Spuren hinterlassen haben. Sie sind Comedians, machen Talks und müssen gleichzeitig viel Gespür für die aktuelle Stimmungslage haben. Da kommen mir Namen wie Johnny Carson oder Conan O’Brien, den es ohne David Letterman gar nicht gegeben hätte, in den Sinn.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Ich bin sehr projekt- und somit gegenwartsbezogen. Trotzdem habe ich ein Langzeitziel. Ich möchte Comedy auf Englisch machen und damit den Radius für Auftritte markant erweitern. Dafür braucht man aber eine stabile Basis in der Schweiz.

Am Bildschirm und auf der Bühne nimmt man Ihre offene, direkte und humorvolle Art wahr. Ist das der öffentliche Joël von Mutzenbecher oder sind Sie auch privat so?

Ich bin auch privat so, trage es da aber nicht so stark nach aussen, wie es bei der öffentlichen Arbeit ja von mir erwartet wird. Privat ist es viel mehr von Stimmungen, der Laune, den anderen Menschen und der Situation abhängig. Seit ich mich öffentlich darstellen kann, bin ich viel weniger nervig als zu Teenager-Zeiten. Die Energie, das Lustige, Offene und Angriffige kann ich jetzt konzentrieren und in meine Programme einfliessen lassen. Es gibt also auch den ernsten Joël. www.joelvonmutzenbecher.ch


Joël von Mutzenbecher

Der talentierte Moderator und Nachwuchskomiker setzte mit seinem ersten Comedy-Soloprogramm «Multitalentfrei» ein grosses Ausrufezeichen. Im November 2015 folgte die Premiere seines zweiten Comedy-Soloprogramms «Wienerlipromi», mit dem er aktuell auf Schweizer Tournee ist. Nach ersten lokalen TV-Moderationen und Schauspiel-Auftritten moderierte Joël von Mutzenbecher für Bühne (Häbse-Theater) und TV (Telebasel) 2010 erstmals seine eigene Comedy-Talkshow «Primetime Show» und spielte bei der TV-Serie «Best Friends» (SRF2) mit. Seit 2011 arbeitet von Mutzenbecher für Radio Energy und moderierte im gleichen Jahr das Szenemagazin «wild@7» auf SRF2. Danach folgten erste Moderations-Jobs für Pro7 Schweiz. Von Mutzenbecher ist Organisator von «Comedy im Balz» und spielte im Kinofilm «20 Regeln für Sylvie» mit. 2015 gewann er den Swiss Comedy Award Publikumspreis.

Joël von Mutzenbecher