Airlines wollen gewaltsam direkte Anbindung an den Vertrieb (Ausgabe 2010-49)

American Airlines zieht ihre Linie bei den GDS-Gebühren durch, weil sich die neuen Entwicklungen im Vertrieb nicht aufhalten lassen.

Die Ankündigung einer «Booking Source Premium» ab dem 20. Dezember hat heftige Reaktionen der Schweizer Reisebüro-Agenten und TMCs ausgelöst. Gianni Tronza, Regional Director Core Europe von American Airlines (AA), hat diese im TI zur Kenntnis genommen und erklärt: «Die Zusatzkosten pro Segment, welche uns Travelport im Gefolge des Streits mit Orbitz auferlegt hat, können wir nicht absorbieren und wir sind somit genötigt, diese weiterzureichen.» 

Über mögliche Verluste im lokalen Markt aufgrund der neuen Gebühr will Tronza nicht spekulieren, er verweist aber angesichts des angedrohten Shiftings von Agenten darauf hin, dass diese die gesamte Situation «sehr sorgfältig beurteilen» sollten. Die Prämisse: Wenn ein GDS seine Machtposition im Vertrieb ausnutzen kann, wie es dies Travelport nun mit den erhöhten Segmentgebühren bei AA macht, hat dies weit reichende Konsequenzen für alle Marktteilnehmer. Langfristig wird deshalb aus Kostengründen, aber auch aus Gründen der Serviceorientierung und der veränderten Konsumentenbedürfnisse ein Vertriebsmodell den Markt erobern, bei welchem die GDS nicht mehr dieselbe Rolle spielen.

Zentral ist in diesem Bestreben aus Sicht von AA das Produkt «Direct Connect», welches auch Ursprung des Streits mit Travelport-Tochter Orbitz ist. Dieses Tool soll laut AA die Entwicklung vom reinen GDS-Vertrieb hin zum «massgeschneiderten Vertrieb» beschleunigen. Genau genommen handelt es sich um eine Art Verkaufskatalysator: Im GDS werden die Tarife aller Airlines eingesehen; Direct Connect funktioniert dann als Filter und bietet dem Agenten optimierte, massgeschneiderte Tarif- und Produktangebote an. Das Reisebüro und letztlich der Konsument haben dadurch ein A-la-carte-Angebot, in welchem auch sämtliche Extras inbegriffen sind, welche bisher (teils) noch nicht im GDS abgebildet sind. 

Da der Content, welcher in Direct Connect angeboten wird, aber direkt bei AA gebucht wird, was für die Airline den Vorteil der Kostenoptimierung hat, lehnen sich die GDS dagegen auf, weil ihnen Einnahmen entgehen.

Die direkte Anbindung an den Vertrieb wird von allen grossen Airlines gefordert – und mit verschiedenen Direct-Connect-Tools angestrebt. American Airlines betritt mit der öffentlichen Konfrontation mit einem GDS jetzt aber Neuland – wohl im Glauben, dass zahlreiche Airlines in dieser oder in anderen Formen nachziehen werden, weil die Zukunft des Ticketverkaufs entweder im Direktverkauf oder in einer Art A-la-carte-Distribution stattfinden wird – und nicht mehr in den herkömmlichen GDS-Plattformen und deren Formaten.

Die Agenten können sich jetzt gegen AA auflehnen. Es ist auch weiterhin denkbar, dass der Streit zwischen AA und Travelport anderweitig beigelegt wird und die Premium Fee nicht kommt – die Zeit dafür wird allerdings immer knapper. Die Agenten werden – das ist wohl die Haltung von AA in dieser Sache – die generelle Tendenz im Airline-Ticketvertrieb nicht aufhalten können. 

Jean-Claude Raemy