Aldisierung mischt den Reisemarkt auf (Ausgabe 2006-48)

Jean-Claude Raemy zum Einstieg ausländischer Günstiganbieter

«Aldisierung» wurde 2005 in der Schweiz zum Wort des Jahres gewählt. Damit gemeint: «Der sich intensivierende Preis- und Sonderangebotswettbewerb, der das preisorientierte Konsumentenverhalten verstärkt.»

Die Aldisierung macht auch der Reisebranche zu schaffen. Die Schweiz wurde 2006 von neuen Direktanbietern wie ITS Coop, Denner Reisen oder jüngst Aldi Suisse Tours und Tchibo Reisen überrannt. Treiber dieser Entwicklung: Deutsche Konzerne wie Rewe, Aldi oder Tchibo, die kostengünstig den Schweizer Markt bearbeiten können und von der gestiegenen Preissensibilität profitieren wollen.

Deren Chancen sind intakt: Aldi und Tchibo sind in der Schweiz bekannte Marken; Rewe macht das Handicap durch eine Kooperation mit Coop wett. Alle haben sie Zugriff auf grosse Filialnetze für das Verteilen von Katalogen und Flyern, verfügen aber auch über Erfahrung im Reisevertrieb in grenzüberschreitenden Medien wie Telefon, Internet und TV. Die oft im Ausland produzierten Reisen müssen nicht einmal übersetzt werden – nur Preis und Fluglösung muss man anpassen. Währungsprobleme? Fehlanzeige. Die Aldi-Reise nach Makadi Bay (CHF 999) kostet bei der österreichischen Schwester Hofer Reisen 629 Euro – das ist fast tagesaktuell umgerechnet. Aufgrund der kurzfristigen Gültigkeit der Angebote fallen Währungsschwankungen kaum ins Gewicht. Aldi oder Tchibo sind alle zwei Wochen mit neuen Angeboten am Markt. Sie kommen damit dem Trend zu immer kurzfristigerem Buchen entgegen, und können variable Taxen, Gebühren oder Zuschläge aktuell einberechnen. Und auf Buchungs-, Beratungs- oder Servicegebühren wird verzichtet.

Schweizer Reisebüros pochen demgegenüber auf ihre Beratungskompetenz. Doch viele Schweizer schauen genauer als auch schon auf ihr Ferienbudget, so dass es blauäugig wäre zu meinen, der Markteintritt von Aldi und Co. bewirke nichts. Selbst klassische deutsche TOs wie Alltours machen vor dem Einstieg in der Schweiz nicht mehr Halt.

Schweizer TOs flüchten sich ihrerseits in lukrative Nischen wie Luxus-Fernreisen, Wellness und Golf – siehe Globus Reisen oder TUI/Flex Premium. Aldi oder Tchibo kommen mit ihren Günstig-Images nicht an diesen Bereich heran. Es wird spannend sein zu sehen, ob die Schweizer TOs damit die Umsatz-Erosion im volumenstarken Pauschalgeschäft kompensieren können.