«Das Einzugsgebiet von Basel beginnt sich langsam auch Richtung Zürich auszubreiten» (Ausgabe 2006-34)

TI im Gespräch mit Walter Binggeli, CEO von FTI Touristik in der Schweiz.

Herr Binggeli, möchten Sie in der Schweiz nicht wieder als Generalist agieren wie FTI in Deutschland?

Nicht wirklich. An und für sich haben wir eine gute, gesunde Situation bei FTI. Wir haben eine Mutter in München, die über die gesamte Produktpalette verfügt. Ausser dem Modularbereich, dem Ticketshop und den Schiffsreisen haben wir in Basel alles, sprich Pauschal-reisen mit Chartern, Mietwagen mit Drive FTI sowie Sprachreisen mit LAL.

Reizt Sie nicht etwas mehr?

Wenn wir den Eindruck hätten, dass wir eines der anderen Produkte sinnvoll in der Schweiz oder in Frankreich aufgleisen könnten, dann würden wir dies zügig machen. Natürlich analysieren auch wir die Situation permanent und überlegen uns: Macht es Sinn, dass wir neue Angebote in der Schweiz auf den Markt bringen? Handkehrum stehen wir jetzt erst am Anfang der dritten Wintersaison unter den neuen Voraussetzungen. Wir sind immer noch am Etablieren und am Aufbauen.

Wollen Sie nicht wachsen?

Wir befinden uns in einem gut kontrollierten Wachstum. Und wir wachsen mit diesen Produkten, von denen wir wissen, dass sie auf dem Markt gut ankommen und wir mit ihnen schwarze Zahlen schreiben können. Wir werden in den nächsten zwei, drei Jahren eher etwas konsolidieren und uns dann Gedanken machen, ob es Sinn macht, in der Schweiz mit zusätzlichen Geschichten weiter Fuss fassen zu können.

Setzen Ihre Produkte heute mehr um als vor drei, vier Jahren, als es zudem den Baukasten und Ticketshop gab?

Das ist sehr schwierig zu vergleichen. Durch die Fokussierung auf die Charter fahren wir heute in Basel ein wesentlich grösseres Rad, als wir dies zu den Zeiten von Dübendorf taten. Hier sind wir eindeutig in die richtige Richtung unterwegs. Bei Drive FTI erzielen wir in etwa die gleiche Grössenordnung, zum Teil liegen wir auch darüber. Dafür bewegen wir uns mit LAL nicht mehr ganz in den Umsatzbereichen, die damals in Dübendorf abgewickelt wurden.

Worauf führen Sie dies bei LAL zurück?

Das hat nichts damit zu tun, dass wir dieses Rad nun von Basel aus bewegen, sondern mit einem veränderten Markt im Sektor Sprachreisen. Dies liegt zum Beispiel an der grösseren Preissensibilität, kürzeren Aufenthaltsdauern oder an den vielen kleinen Spezialisten, die in jüngerer Vergangenheit neu auf den Markt gekommen sind. Aber auch daran, dass der Wiederverkauf über die klassischen Reisebüros damit in immer stärkerer Konkurrenz zu dieser wachsenden Zahl an Direktanbietern steht.

Wie verteilt sich das Volumen bei FTI?

Der Charterbereich macht das grösste Stück des Kuchens aus. Dies liegt einerseits in der Natur dieser Sparte, andererseits ist es ein Volumengeschäft, mit dem meistens sehr schöne Umsätze verbunden sind – besonders jetzt wieder im Langstreckenbereich. Im Moment beziffere ich das Verhältnis von Charter ex Basel zu Drive FTI und LAL Sprachreisen mit etwa 80 bis 85 zu 15 bis 20%.

Wobei LAL im Vergleich zu Drive FTI wohl weniger Passagiere generiert, dafür mehr Umsatz bringt.

Dem dürfte so sein. Doch ich bin nicht der, der gern mit Zahlen um sich wirft. Umsatz ist sicher eine wunderschöne Grösse. Aber letztlich zählt, was unten rechts hängen bleibt. Und dort sind wir mit allen Produkten gut unterwegs, besonders beim dominanten Chartergeschäft. In den anderen Bereichen sind wir vielmehr ein Spezialist, aber nicht mit dem grossen Volumen. Das Wichtigste ist, dass sich alle drei Linien in einem Bereich bewegen, der sehr positiv schwarz schreibt. Das sind am Schluss unsere wichtigsten Vorgaben, die wir brauchen, um weiterzumachen.

Dietmar Gunz bezifferte den Umsatz von FTI in der Schweiz im letzten Geschäftsjahr mit über 50 Millionen Franken. Wie sieht es 2005/06 damit aus?

Man kann davon ausgehen, dass die Zahlen, die mein Chef letzten Herbst genannt hat, selbstverständlich zutreffend sind. Mehr verrate ich nicht.

Ihr Chef spricht zudem von einem aktuellen Konzernwachstum von 24%.

Dass auch wir in der Schweiz im lau- fenden Geschäftsjahr von zweistelligen Zuwachsraten reden, ist der Fall.

Schreibt FTI 2005/06 wieder schwarz?

Das ist so. Wir sind mit dem, was wir heute machen, absolut zufrieden. Wir bewegen uns aber alle weiterhin in einem unglaublich volatilen Umfeld.

Wie beugen Sie dem vor?

Wir wappnen uns mit einer extremen Flexibilität, die es uns erlaubt, dass wir so beweglich sind, um ausweichen, ergänzen oder reagieren zu können. Wir vermeiden allzu grosse Klumpenrisiken, mit denen wir in Situationen kommen könnten, die schwierig werden könnten. Ich erinnere an die Anschläge im vergangenen Sommer in Sharm-el-Sheikh. Absolut unerfreulich für alle Beteiligten. Dies hat uns dahingehend nicht so dramatisch getroffen, weil wir ein sehr breites Portfolio mit unseren anderen Zielgebieten haben und so unser Business zügig shiften konnten.

FTI will 2006 ab dem EuroAirport rund 185000 Passagiere bewegen, was einem Drittel Marktanteil des Charter-volumens ex Basel entsprechen soll.

Das ist zwar richtig, doch bei Statistiken von Flughäfen gilt es zu beachten, dass die Passagiere doppelt gezählt werden – abfliegend und ankommend.

Es sind also Passagierbewegungen.

Genau. Die effektiv gereisten Passagiere muss man folglich durch zwei teilen. Wobei dies immer noch eine schöne Zahl ist, die wir bewegen. Total kommt der EuroAirport auf knapp 600000 Passagierbewegungen im Charterbereich. Mit zwei, drei anderen Mitbewerbern bekleiden wir die führende Position.

Wer sind die anderen neben FTI?

Die klassischen Anbieter aus Deutschland und Frankreich sind – wie auch FTI – seit vielen Jahren am EuroAirport präsent, da es ein Teil ihres Marktes ist. Positiv ist die Entwicklung in der Schweiz. Auch andere Tour Operators realisieren langsam, dass man ex Basel interessante Zahlen entwickeln kann. Das zeigt gerade unsere Partnerschaft mit TUI Suisse. Aber auch Hotelplan und neuerdings Kuoni haben gesehen, dass es auf der anderen Seite des Bötzbergs einen Markt gibt, der recht lukrativ ist.


Kann man die Flughäfen in Zürich und Basel gleich bedienen?

Die Distanz zwischen Zürich und Basel beträgt gerade mal 80 Kilometer, was absolut marginal ist. Auf den Markt Schweiz reduziert, ist es eigentlich völlig idiotisch, dass es für das kleine Einzugsgebiet zwei Airports gibt. Natürlich ist es verständlich, dass Veranstalter, die traditionell urschweizerisch ausgerichtet sind, aufgrund der Konkurrenz ihr Augenmerk auf Zürich legen. Sie können es sich schlichtweg nicht leisten, ein vergleichbares Volumen parallel auch noch ex Basel zu fliegen. Entscheidet man sich trotzdem dafür, dann ist dem wohl zuviel des Guten. Ausser, man will die Passagierströme umleiten, damit man nicht an beiden Flughäfen mit halb leeren Fliegern operiert.

Verlagern sich die Einzugsgebiete?

Das Einzugsgebiet von Basel beginnt sich langsam auch Richtung Basel auszubreiten. Umgekehrt ist der Flughafen oder der Anbieter in Zürich in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass sein Einzugsgebiet automatisch die Region Nordwestschweiz einschliesst.

Warum konzentriert sich FTI auf Basel?

Das hat mit unserer Philosophie zu tun. Wir sagen, wir sind in Basel zu Hause. Wir lassen den Flughafen Zürich dort, wo er ist. Nicht, weil wir etwas gegen Zürich haben, sondern da wir uns bewusst sind, dass wir unsere Volumen, die wir ex Basel fliegen, punkto Auslas-tung im Moment sehr gut optimieren können, dank drei Heimmärkten. Hierzulande ist unser Einzugsgebiet die Region Basel, die Nordwestschweiz sowie das westliche Mittelland. Würden wir nun auch Charter ex Zürich auflegen, würden wir die Kunden aus unserem Einzugsgebiet vielleicht zum Umschwenken animieren. Dies wiederum könnte uns ein Optimierungsproblem für das Basler Produkt geben.

Was ist die Besonderheit des Dreiländerecks für einen Veranstalter?

Ab dem EuroAirport kann man nur Erfolg haben, wenn man grenzübergreifend funktioniert, also trinational. Man muss versuchen, die drei Märkte Frankreich, Deutschland und Schweiz unter ein Dach zu bringen, obwohl sie komplett verschieden sind. Dies erreichen wir dank unseren vier Katalogvarianten: Deutsch/Franken, Deutsch/Euro, Französisch/Franken, Französisch/Euro.

Sie betonen sehr gern, dass die Kundschaft von FTI aus dem Dreiländereck gedrittelt ist. Ist dem wirklich so?

Unter dem Strich schon. Dank dem Vertrieb, wie wir ihn jetzt betreiben, ist es am Ende eines Jahres ein Drittelthema. Dieses Drittel kann mal etwas grösser sein, mal etwas kleiner. Ein berühmtes Beispiel ist die Saisonalität, die sich Pfingstferien nennt. Dann haben wir ein starkes Volumen aus Deutschland. Wir haben zudem die frühen Abflugsdaten im Frühling, zu denen wir dominant mit Kunden aus der Schweiz unterwegs sind. Es schwenkt zum August, in dem wir aufgrund der Saisonalität fast zum Franzosen mutieren. Anfang Oktober haben wir wieder die Schweizer und Ende Oktober nochmals die Franzosen und Deutschen. Es schwankt, zum Teil sogar gewaltig. Doch zuletzt kommt dabei fast immer die Drittelung heraus.

Wobei die Kunden in Frankreich und Deutschland von weniger Reisebüros generiert werden als in der Schweiz.

Wir haben hierzulande ein unglaublich dichtes Agentennetz. Zudem sind wir mit der Situation konfrontiert, dass sich die Anzahl der gut produzierenden Reisebüros laufend nach unten korrigiert. Wir haben in Frankreich mit deutlich weniger Agenten zu tun. Wir arbeiten mit 100 bis 150 Reisebüros.

Wie viele Agenten sind es hierzulande?

In der Schweiz sind es 300 bis 400 Reisebüros, die ihren Drittel liefern. Der Umsatz pro Agent ist in Frankreich daher wesentlich höher als derjenige in der Schweiz. Dafür sind wir hier viel breiter ausgerichtet. In Deutschland sieht es nochmals anders aus. Dort haben wir mit 200 bis 250 Reisebüros in Baden-Württemberg zu tun, die auch von unserer Mutter in München betreut werden. In der Schweiz sind wir mit einer fast schon unglaublichen Dichte von Wiederverkäufern konfrontiert. Trotzdem wird es immer schwieriger, effektiv unabhängige und kompetente Agenten zu finden, die unser Produkt entsprechend nach vorne tragen.

Welche Bedeutung haben die Agenten?

Wir werden immer für die Reisebüros da sein. Wir sagen: Wir sind loyal zu all unseren Kunden. Wir stellen aber fest, dass deren Loyalität nicht immer gleich offen ist; auch aufgrund sich ändernder Tatsachen. Trotzdem haben wir in der Schweiz nach wie vor ein Volumen von 80 bis 85% im Agentenvertrieb.

Wie steht es mit dem Direktverkauf?

Wie alle anderen Themen beschäftigt uns auch dieses – sogar relativ stark. Schliesslich arbeiten wir im Risikogeschäft und haben ein entsprechendes Volumen zu bewirtschaften. Deswegen können wir nicht einfach so zuschauen, wie sich der Wiederverkaufskanal verändert, ohne dass wir ergänzende Absatzkanäle aktivieren. Dennoch kommunizieren wir weiterhin: Buchbar in Ihrem Reisebüro oder direkt auf …

… Stichwort Internet.

Wir haben mittlerweile einen Auftritt mit einer voll funktionierenden Internet Booking Engine (IBE), wo man über FTI in Basel auch Ziele buchen kann, die nicht notwendigerweise in unserem Portfolio sind. Zum Beispiel Mauritius oder die Seychellen von FTI in München. Das ist jedoch ein Produkt, für das man über Deutschland reist.

Wie steht es mit dem Online-Umsatz?

Er bewegt sich noch im relativ kleinen Bereich. Aber er steigert sich schnell.

Norman C. Bandi










Sind Sie schon mal mit Arkefly geflogen?


Wie wurden die neuen Schmalkataloge aufgenommen?

Bei der Lancierung haben wir anfangs eher skeptische Gesichter gesehen. Das hat sich schnell relativiert. Nicht zuletzt, weil ein prominenter Mitbewerber in der Schweiz etwas später mit dem gleichen Format auf den Markt gekommen ist.

Sie halten folglich an Ihren Schmalkatalogen fest?

Die Schmalkataloge kommen für Destinationen zur Anwendung. Im Winter wird der Katalog für unsere Pauschalreisen das klassische Format haben. Das Werk erscheint Ende August mit den Zielgebieten Karibik, Kanaren sowie Rotes Meer.

Welche Neuheiten gibt es für diesen Winter?

Der Flugbereich ist ja hinlänglich bekannt. Wir fliegen mit TUI Suisse auf Arkefly auf der Langstrecke nach Puerto Plata, Punta Cana, Varadero, Cancun und Porlamar. Auf das Produkt möchte ich erst eingehen, wenn der Katalog draussen ist.

Wie steht es mit Italien, Malta und Zypern im Winter?

Italien bieten wir ab März wieder an und kommen Anfang Jahr mit einem neuen Katalog. Für die flankierenden Ziele Malta und Zypern bringen wir Flyer. Dies sind Destinationen, die wir im Winter mehrheitlich mit Linien ex Zürich führen.

Haben Sie Arkefly eigentlich schon getestet?

Ich habe die Airline persönlich noch nicht erflogen. Aber es kommt. Warum?

Es handelt sich um Ihre neue Chartergesellschaft?

Es ist ein Qualitätsprodukt wie andere auch. Arkefly operiert mit einer modernen B-767-300 mit drei Klassen, was eine niederländische Spezialität ist.

NCB



Walter Binggeli – Vom Bedarfsflieger zum Charterprofi


Nächstes Jahr ist Walter Binggeli (49) seit einer Dekade für FTI in der Schweiz tätig, seit Ende 2003 als deren CEO. Mitte 1997 ist er zum Unternehmen von Dietmar Gunz (46) gestossen, um hierzulande die Charterabteilung auf die Beine zu stellen. Die Konzernzentrale in München hatte nämlich beschlossen, auch in der Schweiz in das Volumengeschäft einzusteigen.

Schon damals war klar, dass FTI den Schweizer Markt erst mal mit Chartern ab dem EuroAirport aufmischen wollte, obwohl die Zentrale der Münchner Tochter bis Ende 2003 noch in Dübendorf zu finden war. «Mit der Entscheidung, ex Basel zu operieren, ist meine Person mit ins Spiel gekommen», erinnert sich der Stadtbasler, der zuvor vier Jahre für Avione gearbeitet hat.

Eingestiegen in den Tourismus ist Binggeli vor 30 Jahren in der Bedarfsfliegerei: 1977 bei der echten Balair. Ende der 80er Jahre hat sich der 1,97 Meter grosse Charterprofi – nach einem knapp zweijährigen Gastspiel bei L’Tur – beruflich neu ausgerichtet. Er stieg ins Marketing-, Event- & Incentive-Business ein und war in diesem Bereich während sechs Jahren aktiv.

NCB