Der Kuoni-Deal aus deutscher Sicht (Ausgabe 2015-39)

Europäische Tourismus-Einheit mit Vielfalt

Aus Schweizer Sicht mag es schmerzhaft sein, dass ein Traditionsunternehmen wie Kuoni an einen deutschen Konkurrenten fällt. Aber Kuoni hat in den vergangenen zehn Jahren das Veranstaltergeschäft in Europa durch diverse Organisationsänderungen und Technik-Fehlschläge heruntergewirtschaftet. Die DER Touristik war nicht nur der natürliche Käufer, weil sie in Europa schwach aufgestellt ist. Die Rewe-Tochter ist unter allen Optionen der beste Gesellschafter, weil sie kein Finanzinvestor ist und der Zukauf für sie eine echte Chance zur Weiterentwicklung ist. 

Es ist absolut glaubhaft, wenn CEO Sören Hartmann versichert, er plane keinen Einheitskonzern. Dafür ist das Kuoni-Geschäft viel zu heterogen. Zudem sprechen die Erfahrungen beim Zukauf von Exim in Tschechien und die Philosophie der Gruppe für starke nationale Einheiten. Als langjähriger TUI-Mann weiss er um die lähmenden Grabenkämpfe, die zwischen einer Zentrale und den Landesgesellschaften entbrennen können. Trotzdem werden die Kuoni-Veranstalter Eigenständigkeit einbüs-sen. Das Badeferien-Geschäft von Kuoni in der Schweiz und Skandinavien kann im Verbund mit ITS & Co sowie deren Incoming-Agenturen effektiver einkaufen und produzieren. Im modularen Geschäft von Kuoni in der Schweiz und Grossbritannien sind die Synergien begrenzter, aber auch hier muss man über gemeinsame Systeme und den Einkauf Grössenvorteile heben.

Kuoni Schweiz verzeichnet in diesem Jahr kräftige Einbussen. Dies war, wenn vielleicht auch nicht in der Höhe, von DER Touristik erwartet und eingepreist worden. Schliesslich war der Kauf ein Schnäppchen. Nun beginnt die Kärrnerarbeit. Das Kuoni-Geflecht muss so weit in die DER Touristik integriert werden, dass eine effektive Steuerung möglich ist und sich im Verbund finanzielle Vorteile ergeben. Das ist schon deshalb nicht leicht, weil die DER-interne Integration der Standorte Frankfurt und Köln nicht abgeschlossen ist.

Nach dieser Pflicht beginnt die Kür, muss das grosse Ganze fortentwickelt werden. DER ist nicht gerade als digitaler Vorreiter bekannt, die Marken sind nicht so bekannt wie TUI oder Neckermann und das eigene Hotelportfolio ist begrenzt. Das TO-Geschäft steht unter Druck, Portale wie Booking.com dringen in die Ferienregionen vor und die Kreuzfahrt zieht Hotelurlauber ab. Hier können die Luxus- und Spezialistengeschäfte von Kuoni sowie die Grössenvorteile im Massengeschäft der DER Touristik helfen. Win-Win heisst aber auch, dass Kuoni Schweiz schnell wieder auf die Gewinnerspur zurückkehrt. 

Gastkommentar/Klaus Hildebrandt