Die Cruise-Industry durchleuchtet (Ausgabe 2007-06)

Erstmals wurden auf der «European Cruise Industry 2007 Conference» Zahlen vorgelegt.

Vor rund 200 Zuhörern aus 20 Ländern begrüsste am  vergangenen Dienstag John Richardson, Generaldirektor bei der EU-Kommission, anlässlich einer Tagung der europäischen Kreuzfahrtindustrie die Teilnehmer: «Europa braucht Wachstum – und die Cruise-Branche wächst.» Damit war das Thema der Tagung definiert, das durch eine von drei interessierten Organisationen in Auftrag gegeben Studie über das europäische Kreuzfahrten-Geschäft untermauert wurde.

Richardson rief den Spezialisten in Erinnerung, dass sie vor allem in der Arktis eine ganz besondere Verantwortung trügen, und man sich angesichts der immer grösser werdenden Schiffe die Frage stellen müsse, ob nicht auch die Gefahren entsprechend zunähmen. Diese Gedanken wurden von AIDA-Chef Michael Thamm aufgenommen: «Wir kreuzen in umweltsensiblen Regionen.»

Bezüglich Sicherheit waren sich die Anwesenden einig, dies sei primär eine Aufgabe der öffentlichen Hand. Uneinig waren sich die Vertreter der Schiffslinien und Häfen in der Frage, wer wem für welche Leistungen welche Entgelte zu bezahlen habe. So meinte Philip Naylor, Operations Manager Carnival UK, pointiert: «Eigentlich sollten die Häfen und Städte uns für das Ansteuern ihrer Destinationen wegen der daraus entstehenden Verdienstmöglichkeiten bezahlen.» Eine Forderung, die von den Hafen-Vertretern umgehend um 180 Grad gedreht wurde: «Nach dem Verursacher-Prinzip müssten eigentlich die Schiffslinien stärker belastet werden.»

Die letzte Mahnung Richardsons, angesichts des Cruise-Booms auch kleinere Häfen stärker zu berücksichtigen, wurde von Pier Luigi Foschi, CEO Costa Crociere gekontert: «Wir befinden uns in einem Massenmarkt, in dem die Kundenwünsche zählen, und wir preiswerte Angebote machen müssen. Foschi, der bis zum kommenden Frühjahr  Präsident des European Cruise Council ist, stellte die präsentierten Zahlen in einen grösseren Rahmen und sprach vom «Tourismus als der grössten Industrie der Welt», die mit weltweit acht Millionen Arbeitsplätzen 4% aller Jobs kreiere und in der EU 4% zum GDP beitrage. Für Foschi ist zentral: «Wir bewegen uns in einem Dreieck Mensch-Technik-Gesetzgebung.»

Peter Wild, einer der Autoren der Studie, kommentierte sein Zahlen-Material: «Das Cruise-Business ist global  und wächst sehr schnell.» Auch wenn heute noch pro Kopf der Bevölkerung viermal mehr Amerikaner auf Kreuzfahrten gehen als Europäer, ist Wild überzeugt, dass Europa die USA langfristig überholen wird, denn «das europäische Wachstum ist rund dreimal höher, die Bevölkerung Europas ist grösser, und die Demografie hilft auch.» Dazu kommt, dass 80% der europäischen Kreuzfahrten in Europa vor sich gehen.

David Dingle, Managing Director Carnival UK und ab April 2007 Präsident des European Cruise Council, sieht Europa heute in der Position der USA vor zehn Jahren und warnt: «Die Cruise-Industrie ist zwar mobil, aber  – vor allem in den USA – extrem vom Faktor Sicherheit abhängig.» Susan Hooper von Royal Caribbean, erst seit zwei Jahren in der Branche tätig, rief  in Erinnerung: «Die Marktgrösse folgt der Kapazität und die Nachfrage ist noch immer grösser als das Angebot.»

Peter Kuhn, Brüssel