«Die OTAs müssen ihren Dornröschenschlaf beenden» (Ausgabe 2015-44)

Kleine Online Travel Agencies haben zurzeit einen schwierigen Stand. Es gäbe aber durchaus Erfolgsstrategien, sagt OTA-Experte Fabian Wismer.

Die Tage der OTAs scheinen gezählt. Seit Monaten wird ihr Ende vorhergesagt, und es gibt immer wieder Meldungen, welche diese These bestätigen. Mit Travel.ch ist erst kürzlich das grösste Schweizer Online-Reisebüro aufgrund roter Zahlen bei Hotelplan Suisse integriert worden.

Grosse OTAs halten sich mit teuren Zukäufen am Leben. Priceline hat Booking.com und Kayak übernommen, Expedia vergrösserte sich mit Trivago und Travelocity und will nun mit dem Kauf der weltweiten Nummer drei, Orbitz, ihre Marktposition weiter stärken. Es fällt auf, dass die gekauften Firmen sich in anderen Bereichen der Wertschöpfungskette befinden, um eine breitere Abdeckung zu erreichen. Der nachhaltige Erfolg ist hier aber sehr stark in Frage gestellt.

Doch was sind die Gründe, weshalb die OTAs noch mehr unter Druck geraten sind als die schon lange totgesagten Reisebüros? Die Antwort ist oft schnell gefunden: Google. Die Suchmaschine steht am Anfang des Such- und Buchungsprozesses und kann die Kunden bewusst steuern. Durch die erhöhte Nachfrage der Veranstalter in den letzten Jahren sind die Anzeigekosten so rasant gestiegen, dass sie durch die tiefen Margen der Angebote nicht mehr gedeckt werden können. Zudem versucht Google nun einen eigenen Vertriebskanal aufzubauen und agiert vorerst als Metasearch-Plattform. Eine valide Alternative fehlt den OTAs, um genügend relevanten Traffic auf ihren Seiten zu generieren. 

Doch der Schuldige ist hier zu schnell gefunden. Zu langsam hat man auf die Bedürfnisse der Kunden reagiert. Die Leistungsträger selber haben die Chance gewittert und bieten dem Kunden nun direkt personalisierte Angebote an. Die Metasearcher andererseits bringen eine Übersicht in den Dschungel der diversen Buchungsplattformen und sind behilflich bei der Suche nach den attraktivsten Angeboten.

Die Relevanz der OTAs als Vertriebskanal soll wieder gestärkt werden. Die Chancen sind vorhanden und das Markpotential noch lange nicht ausgeschöpft. Der Dornröschenschlaf muss aber beendet und die Lücke zu der Konkurrenz so schnell wie möglich geschlossen werden. Folgende drei Schlüsselfaktoren sind entscheidend:

1. Personalisierte AngebotE: Der grosse Vorteil der OTAs gegenüber den Metasearchern sind die vorhandenen Kundendaten. Diese können genutzt werden, um personalisierte und relevante Angebote zu unterbreiten – Stichwort Big Data. Doch es empfiehlt sich, zuerst mit wenigen Kundensegmenten zu starten und sich nicht einen allzu komplexen Algorithmus auszudenken. Der richtige Zeitpunkt und der optimale Kanal, sei es per Mail oder Social Media, sind hier ebenso entscheidend wie die Angebote. Weiter kann im Aftersales auf die Bedürfnisse und Vorlieben des Kunden eingegangen und Zusatzverkäufe in der Destination oder Upgrades verkauft werden. Diese sind von der Kommission her meistens noch interessanter als die Hauptleistungen.

2. Warenkorb aus Einzelleistungen: Das Bedürfnis des heutigen Kunden ist die individuelle Zusammenstellung seines Reisepakets. Die Zeiten der vorgefertigten Pakete sind vorbei und die selbständige Kombination von Flug und Hotel reicht noch lange nicht aus. Vielmehr gehören hier auch Einzelleistungen wie Mietwagen, Ground-Transport und Aktivitäten vor Ort dazu. Bei den günstigen Oneway-Tarifen in Europa soll es auch möglich sein, verschiedene Airlines für den Hin- und Rückflug zu buchen. Die einzelnen ausgesuchten Leistungen werden im Warenkorb zu einem persönlichen Angebot geformt und der Kunde erhält alles aus einer Hand. 

3. Technologie: Übersicht, Geschwindigkeit und Verfügbarkeit sind die Schlüsselwörter. Mit intelligenten Tools kann man den User durch sein Klick-Verhalten einer im Voraus definierten Kundengruppe zuteilen und ihm relevante Angebote anzeigen. Eine semantische Suche hilft dem Kunden zudem, das gesuchte Produkt schnell zu finden. Caches von GDS und Technologie-Anbietern im Bereich Hotel und Badeferien vermeiden eine lange Wartezeit. Wer es hier schafft, die Angebote im Cache mit einer hohen Verfügbarkeit darzustellen, hat die Nase weit vorne. 

Verloren ist noch nichts. Und wer schon lange im Internet-Business weilt, weiss, wie schnell sich ein Rückstand in einen Vorsprung verwandelt.

Fabian Wismer