«Die TO übernehmen immer weniger Risiko» (Ausgabe 2016-02)

Edelweiss-CEO Bernd Bauer zur Langstreckenstrategie und zur wachsenden Konkurrenz der Ferienairline.

2015 war ein turbulentes Jahr. Was hat die Edelweiss bewegt? 

Das Jahr stand im Zeichen des 20-Jahr-Jubiläums, das wir gross gefeiert haben mit dem Zeppelin, 4800 Passagieren und grosser Präsenz in der Schweiz. Aber auch sonst hat 2015 Freude gemacht, v.a. das erfolgreiche Wachstum auf der Langstrecke mit den Flügen in die USA, nach Kanada und Kuba. Mit Havanna waren wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Erfreulich war auch die Auslastung in der Business Class auf der Langstrecke mit teils 95%. 

Dann kommen die A340-Langstreckenjets 2017 ja gerade recht. Haben Sie bei einem solchen Flotten- und Streckenausbau viel mitzureden oder entscheidet die Lufthansa Group? 

Dafür sind wir selber verantwortlich. Wir schauen, was für den Schweizer Markt das richtige Angebot ist, berechnen die Wirtschaftlichkeit, stimmen uns mit der Gruppe ab und schauen dann, dass wir die Kapazitäten vollbekommen. Die Lufthansa reagiert da sehr rational. Positive Zahlen gut, negative Zahlen schlecht. Zudem ist es unsere Aufgabe, uns als Ferienfluggesellschaft immer weiterzuentwickeln. 

Stichwort Ferienfluggesellschaft: Einige Tour Operators klagen, dass man mit Edelweiss als Charterairline nicht mehr so gut zusammenarbeiten kann. 

Wir haben, seit Kuoni die Edelweiss 2008 verkauft hat, alle Flüge auch als Linienflüge publiziert und arbeiten mit Teilkontingenten. Und da muss man leider sagen, dass der Wille, Risiko zu übernehmen, bei den Veranstaltern auch immer kleiner wird. Unser Verkauf ist mit jedem Veranstalter im Gespräch und versucht, Modelle anzubieten, die für beide Seiten passen. 

Ist die Kritik aus der Branche Ihrer Ansicht nach also unberechtigt?

Wo wir restriktiver geworden sind, ist im Bereich Working Allotments. Wenn wir kurz vor Abflug wieder leere Sitze ins System gespült bekommen und wir diese billigst verkaufen müssen, hilft das weder uns noch den Veranstaltern. Wir bieten nach wie vor fixe Allotments und Zubuchermöglichkeiten sowie Direct-Connect, wo wir an neuen Lösungen arbeiten. Einen Vollcharter nimmt einem heute fast keiner mehr ab. Wir sind im Risiko. Da müssen wir schauen, wie wir unsere Sitze absetzen. 

Was ist mit den Spezialisten?

Die sind eher bereit, Risiko zu übernehmen. Das Angebot an Direktflügen mit hoher Qualität ist nicht unbegrenzt. 

Wie viel verkaufen Sie eigentlich über welchen Kanal?

Zirka 50% werden via GDS und www.swiss.com per LX-Code gebucht. Der Rest sind Kontingente und Verkäufe über unsere Website. 

Hotelplan und die Germania Flug AG haben es wieder versucht mit dem Vollcharter. Hat Edelweiss vom Scheitern des Holidayjet profitiert?

Es kommen immer wieder Airlines, und sie gehen auch wieder. Das hatte keine grösseren Auswirkungen. Wir haben mit Hotelplan das Gespräch gesucht, uns zum Teil wiedergefunden und arbeiten auf einigen Strecken wieder zusammen. Teils hatten wir die Kapazitäten aber auch gar nicht.

Jetzt kommt noch Vueling als neue Konkurrentin ab Zürich auf die Kanaren. Wird es da jetzt eng? 

Wir hatten schon länger vor, unsere Kapazitäten nach Teneriffa und Las Palmas auszubauen, das werden wir auch tun, nächsten Sommer. Da müssen wir sehen, wie sich das auswirkt. Vueling ist ein ganz anderes Produkt. Der Kunde wird entscheiden. 

Und Air Berlin?

Air Berlin war ähnlich wie wir aufgestellt, jetzt verändert sie sich gerade. Auch dort wird das Produkt abgespeckt. Wir versuchen, die Qualität und die Ganzheit des Produkts weiter zu bewahren. 

 

Man kann Edelweiss jetzt mit Eurowings-Flügen kombinieren. Verwässert das nicht Ihr Qualitätsprodukt?

Unsere Produkte sind verschieden. Das weiss der Kunde. Aber er hat auch mehr Flexibilität, was die Flugtage angeht. Weil wir den LX-Code auf unseren Flügen haben, sind wir mit allen Linien-Carriern und mit den Low-Costern der LH-Group kombinierbar. 

Die Edelweiss-Flieger werden neu bemalt, jetzt mit dem Zusatz «Switzerland». Ist das wirklich entscheidend? 

Unsere Positionierung als Schweizer Qualitätsairline ist uns sehr wichtig. Nicht nur in der Schweiz. Man muss sehen, dass wir inzwischen 40% Gäste haben, die nicht in Zürich einsteigen. Ein grosser Teil kommt aus Deutschland, an dritter Stelle stehen die USA. Auch dort wollen wir die Werte verkörpern, für welche die Schweiz steht. 

Zurück zum grossen Thema Langstrecke. Wo soll es denn mit den neuen A340 ab 2017 hingehen?

Interessant ist die ganze Welt. Mittelamerika, Karibik, Nordamerika, südliches Afrika, Asien, Indischer Ozean, über Burma haben wir mehrfach gesprochen. Es gibt viele Langstreckenziele, die ins Ferien-Portfolio passen. 

Müssen Sie Rücksicht auf die Swiss-Kombinationsmöglichkeiten nehmen? 

Einen grossen Teil unseres Erfolgs macht die gute Abstimmung mit der Swiss aus. Natürlich schauen wir nach Zielen, die sich gut mit der Swiss kombinieren lassen, wie Tampa mit Miami, Las Vegas mit Los Angeles oder Rio mit São Paulo. Aber es gibt auch klassische Ferienmärkte wie die Malediven oder Mauritius, die wir ganz unabhängig von der Swiss anbieten. 

Jetzt hört es sich fast so an, als ob die Kurz- und Mittelstrecke gar nicht mehr in der Strategie vorkommt. 

Natürlich gehört das zu unserem Kernbusiness. Aber im Winter braucht man die Ferienfliegerei innerhalb Europas nicht wirklich. Die saisonalen Schwankungen können wir mit dem Ausbau der Langstrecke abschwächen. Wenn wir es schaffen, diese im Sommer und Winter gleich erfolgreich zu fliegen (und da sind wir auf einem guten Weg), dann verschaffen wir uns noch mehr Stabilität für die Zukunft. 

Stephanie Günzler/Urs Hirt