«Die TTS-Reiseveranstalter bieten eine unverschämt gute Schweizer Qualität» (Ausgabe 2014-24)

Der frisch wiedergewählte TTS-Präsident äussert sich zur Philosophie und zu den Zukunftsaussichten der mächtigen TO- und Retailer-Organisation.

Herr Walser, die TTS-Gruppe gilt als «vierte Kraft» im Schweizer Outgoing-Tourismus. Wie gross ist heute die TTS-Gruppe genau?

Im vergangenen Jahr erzielten die der TTS-Gruppe angeschlossenen Reiseveranstalter und Reisebüros gemeinsam einen Umsatz von rund CHF 400 Mio., wobei da Eurobus nicht eingerechnet ist, weil wir dort keine detaillierten Zahlen erhalten. Vom Gesamtumsatz entfielen rund CHF 145 Mio. oder 36% auf das Touroperating, was rund fünf Prozentpunkte höher als im Vorjahr war. Der Rest wurde im Retailing generiert.

Die TTS-Gruppe wies 2011 CHF 396 Mio. aus. Inzwischen sind aber mit Glur Reisen ein neuer Veranstalter und mit Basilisk ein neues Reisebüro zur TTS-Gruppe gestossen. Ist der Umsatz also real gesunken?

Wir haben einen leichten Rückgang im Retailbereich. Das ist einerseits darauf zurückzuführen, dass diverse Mitglieder infolge Übernahmen aus der TTS-Gruppe ausgeschieden sind. Ausserdem haben Mitglieder im Commercial-Bereich ein paar umsatzstarke Accounts verloren. Das sehen wir jedoch mit Gelassenheit: Es fehlt wohl etwas IATA-Umsatz; die betroffenen Reisebüros werden entweder die damit verloren gegangenen Gebühren kompensieren müssen oder bauen die Kosten ab. Unter dem Strich möchte ich aber festhalten, dass der Umsatz pro Reisebüro gestiegen ist.

Wie viele Reisebüros zählen aktuell noch zur TTS-Gruppe?

Total 65 Verkaufsstellen; TTS-Aktionäre hat es 32. So ergibt sich ein durchschnittlicher Umsatz von CHF 6,1 Mio. pro Verkaufsstelle. 2012 lag dieser noch bei CHF 5,7 Mio. Der Umsatz pro Mitarbeiter lag in den Reisebüros bei rund CHF 1,1 Mio.; das war seit Jahren erstmals leicht rückläufig. Wir sehen da aber keinen Trend; das Problem ist erkannt.

Wie ist es Ihren Touroperating-Mitgliedern allgemein ergangen? 

Dort dürfen wir auf ein Wachstum von 14% sehr stolz sein. Das ist wie erwähnt zu einem Teil auf die Aufnahme von Glur Reisen, aber auch auf organisches Wachstum zurückzuführen. 

Hat es nicht auch organischen Verlust bei den Reisebüros gegeben?

Die Umsätze bei unseren Prioritätspartnern – das sind nebst unseren TTS-eigenen TOs noch Kuoni und TUI – sind ganz leicht gesunken, es gab aber keine dramatischen Rückgänge.

Die Branche verändert sich rasant, und das betrifft auch die «Big 3». Sind dadurch Veränderungen in den Prioritätspartnerschaften denkbar?

Wir evaluieren unsere Prioritätspartnerschaften immer wieder, sowohl im Verwaltungsrat als auch gemeinsam mit den Mitgliedern an der Generalversammlung, welche wir gerade jetzt im Mai hatten. Wir beobachten den Markt sehr genau, berücksichtigen die Entwicklungen und Trends. Dazu gehören auch eine Qualitätskontrolle und die Nachfrage seitens unserer Kundschaft.

Aktuell gehört auch der zu erwartende verstärkte Markteintritt von FTI im Modularbereich dazu oder generell das Wachstum ausländischer Anbieter in der Schweiz.

Was heisst das nun in Bezug auf FTI?

Die Dynamisierung dieses Marktteilnehmers löst weder bei der TTS-Gruppe noch bei anderen Modularanbietern Freude aus, verursacht uns aber auch keine schlaflosen Nächte. Da haben wir genügend Selbstvertrauen und sind von unserer Qualität überzeugt. Nicht alles geht über den Preis! 

Bisher generierte FTI mit den TTS-Büros gute Umsätze im Badeferienbereich. In der neuen Konstellation positioniert sich FTI aber als Mitbewerber auf den Langstrecken; das werden wir – und hoffentlich auch die grossen Reisebüroketten – nicht unterstützen. Vielleicht müssen nun alle Farbe bekennen und nicht die Rolle des Steigbügelhalters übernehmen. Für einen neuen Anbieter ohne eigenen Vertrieb wird es relativ schwer sein, sich in der Schweiz zu etablieren. Zünglein an der Waage wird wohl Globetrotter sein, der sich aber vorerst zu TUI bekennt.

Es gibt aber noch einen ziemlich grossen ungebundenen Vertrieb in der Schweiz …

Das ist so. Allerdings haben wir mit vielen unabhängigen Reisebüros eine sehr gute Partnerschaft. Diese Partner setzen auf Zuverlässigkeit und «Swissness», und genau das decken wir 100% ab. Überdies bieten wir ein äusserst  attraktives Kommissionsmodell.

Dieses soll 2015 angepasst werden.

Wir haben das Kommissionsmodell jahrelang nicht angepasst, obwohl mit Smeraldo, Kira oder Glur zusätzliche TOs zur TTS-Gruppe stiessen und andere TOs ihre Angebotspalette ausgebaut haben. Wir haben da sehr stark den Wünschen unserer Retailer entsprochen. Es ist noch nichts in Stein gemeisselt, aber allein aufgrund der Tatsache, dass es einfacher geworden ist, mit TTS-TOs Umsatzstufen zu erreichen, werden wir das Modell 2015 voraussichtlich leicht anpassen.

Wieso «voraussichtlich»? War das nicht beschlossene Sache?

Diese Anpassung stand schon vor einem Jahr im Raum. Aber wir wollen zuerst die aktuellen Entwicklungen abwarten und schauen, wie neue Marktplayer agieren und kommissionieren; danach legen wir unsere Kommissionstargets fest. Sicher ist: Wir wollen dem Handel faire Entschädigungen bieten. Wir werden uns definitiv nicht verstecken müssen. Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass einige der Grossen ihre Kommissionen bereits gesenkt hätten, wenn der TTS nicht eine Balance geschaffen hätte.

Sehen Sie denn noch Wachstumsmöglichkeiten im Retailing?

Eines unserer Ziele ist, die aktuellen Umsätze leicht zu steigern oder zumindest zu halten. Noch wichtiger ist aber immer noch die Ertragsseite. Das sind hochgesteckte Ziele, besonders da im Bereich von Neuakquisitionen nicht mehr viel Spielraum besteht. Die TTS-Gruppe hat kaum mehr weisse Flecken auf der Landkarte. Wir suchen aber die Reisebürolandschaft regelmässig nach potenziellen Partnern ab.

Gibt es noch den «Gebietsschutz»?

Nicht mehr im Sinne von früheren Jahren. Die Aufnahmekriterien sind liberaler geworden. Früher wurde der Gebietsschutz zum Teil sehr konsequent durchgesetzt, heute können wir durchwegs mehrere TTS-Büros in der gleichen Stadt haben, die dann gemeinsame Marketing-Aktivitäten unternehmen und voneinander profitieren können. Im Übrigen wurde auch der Mindestumsatz für Neumitglieder auf CHF 3 Mio. gesenkt. Trotzdem ist die Anzahl der Mitglieds-Reisebüros gesunken.

Wie halten Sie eigentlich den ungebundenen Vertrieb sowie den eigenen Vertrieb bei der Stange, mal abgesehen von den Kommissionen?

Zum einen lassen wir den Aktionärs-Reisebüros die nötige unternehmerische Freiheit. Natürlich kontrollieren wir, ob unsere Prio-Partner unterstützt werden, die Steuerung ist aber liberaler als bei einer grossen Kette. Grundsätzlich gilt, dass unsere Reisebüros das Beste für den Kunden vermitteln sollen. Da sind wir einfach der Meinung, dass ein TTS-Reisebüro mit kleinem TTS-TO-Anteil diesem Grundsatz nicht entspricht und unternehmerisch nicht sehr weitsichtig handelt. Selbstverständlich würden wir aber eingreifen, wenn einer unserer Aktionäre z.B. ein Schaufenster mit Schauinsland-Postern dekoriert; da geht es auch um die Glaubwürdigkeit. 

Zum anderen setzen wir unsere Trumpfkarte auf die Qualität. Ich darf das vielleicht so formulieren: Die TTS-Veranstalter bieten eine «unverschämt gute Schweizer Qualität». Das schätzen sowohl die Reisebüropartner als auch die Endkunden.

Wie definieren Sie diese Qualität?

Die TTS-TOs sind zuverlässig, kompetent und loyal und der Handel kennt seit Jahren dieselben Ansprechpartner. Den Hauptgrund dafür sehe ich darin, dass die meisten unserer Unternehmen inhabergeführt sind. Das bietet Sicherheit. Kritiker können das als «bünzlig» oder langweilig bezeichnen, aber wir sind im Gegensatz zu anderen Reiseunternehmen in den letzten zehn Jahren still und leise kontinuierlich gewachsen. Dazu führen wir qualitativ hochstehende Studienreisen durch, liefern unseren Gästen top Reiseunterlagen mit und haben oft eigene Reiseleitungen in den Zielgebieten. Das hat seinen Preis, und trotzdem sind wir konkurrenzfähig. Ich wiederhole mich, aber der Kunde, sowohl B2C als auch B2B, honoriert in der Regel diese Qualität.

Wir werden übrigens noch in diesem Monat eine «Tour de Charme» bei unabhängigen Reisebüros durchführen. Vertreter von TTS-Veranstaltern besuchen spontan Reisebüros, um das eigene Know-how zu präsentieren und zugleich Präsenz auf dem Feld zu markieren. Wir waren in der deutschen Schweiz in diesem Bereich bislang ziemlich defensiv.

Wie viel setzen die TTS-TOs eigentlich über Fremd-Reisebüros ab?

Rund 43% über ungebundene oder Filialbetriebe der Reisebüros, den Rest über TTS-Reisebüros. Der Direktverkaufsanteil ist vergleichsweise gering.

Die TTS-Gruppe hat überdies keine nennenswerten E-Commerce-Tools.

Der Markt hat sich stark verändert. Früher wurde ein grosser Teil des Umsatzes als Badeferiengeschäft abgewickelt. Die Rennstrecken werden z.T. auf anderen Kanälen gebucht, das ist kein Geheimnis. Bei den beratungsintensiven Modularangeboten glauben wir aber, ohne die extrem investitionsintensiven Tools bestens auskommen zu können. Mitbewerber sind im Online-Bereich vielleicht einen Schritt weiter; wir glauben an die Beratungsqualität. Von den TTS-TOs ist einzig Tourasia über Cets buchbar, wobei auch hier die Mehrheit der Buchungen traditionell per Telefon abgewickelt wird. Unsere TO-Mitarbeitenden kennen die eigenen Produkte aus dem Effeff und wir investieren viel Geld in deren Know-how. Wir garantieren einen effizienten und kompetenten Service. Der Kunde will gerade bei grossen und teuren Reisen nicht immer alles sofort online buchen. Was Mitbewerber für die IT bisher in den Sand setzten, durften wir nachhaltig in unser Spezialistentum investieren.

Sie sprechen das Thema Ausbildung an. Was tut der TTS in diesem Bereich?

Wir haben einen starken Fokus auf die Ausbildung unserer Lehrlinge, Mitarbeitenden und Chefs. Wir bieten LAP-Vorbereitungs-Seminare, führen im Zweijahresrhythmus gut besuchte Academies durch und bieten einmal pro Monat ein Webinar an. Weiter haben wir Verkaufsschulungen und Chef-Seminare, denn auch diese sollten sich weiterbilden! 

Es heisst aber, es kämen wenige Lehrlinge vom TTS.

Seit Jahren stellt die TTS-Gruppe pro Lehrjahr 20–25 Lehrlinge, das betrachte ich als eine gute Zahl. Die Kunst ist es heute, diese Lehrlinge auch zu halten. Wenn nicht im eigenen Betrieb, dann zumindest in der TTS-Gruppe oder innerhalb der Reisebranche. 

Vom letzten Lehrlings-Jahrgang haben aber bereits 50% die Reisebranche verlassen.

Das stufe ich tatsächlich als dramatisch ein. Offenbar ist die Reisebranche nach aussen hin nicht mehr attraktiv. Das hat vielleicht mit einem gewissen Strukturwandel zu tun, welcher offenbar Unsicherheit schafft. Viele Eltern wollen anscheinend nicht mehr, dass ihre Kinder eine Reisebürolehre mit einer vermeintlich unsicheren Zukunft machen. Vielleicht spielen auch die vergleichsweise tiefen Löhne eine Rolle, ich finde Letzteres aber nicht matchentscheidend. 

Was kann man gegen diese Abwanderung tun?

Der SRV ist gefordert, eine Antwort auf die neue KV-Reform und auf die Abwanderung zu finden. In der geplanten KV-Reform werden die Anforderungen nochmals erhöht. Ich frage mich schon, ob betriebswirtschaftliche Vertiefung oder doppelte Buchhaltung für eine Reisebürolehre noch adäquat sind. Offenbar sind verschiedene Modelle angedacht – etwa, die seinerzeit gescheiterte Detailhandelslehre wieder zu lancieren, oder sogar eine spezielle Reisebürolehre. Ich hoffe, dass sich auch die Big Player in unserer Branche Gedanken dazu machen. 

Wozu tendieren Sie?

Ich habe mich noch nicht festgelegt und möchte zuerst die verschiedenen Modelle prüfen. Früher war ich Gegner der Detailhandelslehre, heute sehe ich das etwas differenzierter, die Rahmenbedingungen haben sich auch verändert. Bei einer reinen Reisebürolehre müssten sich die Schüler zur Reisebranche bekennen, und ein Wechsel in andere Branchen würde vielleicht etwas schwieriger.

Was macht der TTS intern für den Erhalt der Lehrlinge?

Wir wollen den Jungen Zukunftsperspektiven aufzeigen. Wir arbeiten im Bereich der Nachfolgeregelung – denn es stehen einige TTS-Reisebüros vor einem Nachfolgeproblem – gemeinsam mit Adova und dem Treuhandzentrum Zürich. Ausserdem haben wir den «Investorenclub» ins Leben gerufen. Dieser unterstützt motivierte und vielversprechende Nachwuchskräfte, welche als Unternehmer selbstständig werden möchten, tatkräftig im finanziellen Bereich und mit Ratschlägen. 

Jean-Claude Raemy

So ist die TTS-Gruppe organisiert

Vor wenigen Wochen wurde der Verwaltungsrat der TTS-Gruppe neu gewählt. Beat Walser wurde als Präsident bestätigt; er hat aber vor, innerhalb der nächsten drei Jahre das Amt abzugeben. Derzeit finde sowohl eine Verjüngung statt als auch eine Stärkung der Retailer-Vertreter im Verwaltungsrat.

Verwaltungsrat

• Beat Walser, Smeraldo Tours (Präsident)

• Stephan Roemer, Tourasia (Vizepräsident)

• Marcel Hausheer, City Reisebüro

• Marcel Gehring, Knecht Reisen (neu)

• René Bättig, Rolf Meier Reisen (neu)

• Hansjörg Hagger, Reisebüro Buchs (neu)

Geschäftsstelle

• Beat Obrist (Geschäftsführer)

• Gaby Howald (Assistentin)

Fachgruppen/Ressorts

• Chef Einkauf Land: Rolf Helbling, Helbling Reisen

• Chef Einkauf Flug: Marcel Hausheer, City Reisebüro

• Chef TTS-TO-Gruppe: Stephan Römer, Tourasia

• Ausbildung: Nathalie Hirt, Passage Reisen

• GDS: Roger Geissberger, Knecht Reisegruppe