DRV: «Vertrieb will nicht von einem einzigen GDS abhängig sein» (Ausgabe 2008-33)

TRAVEL INSIDE sprach mit Otto Schweisgut, Vorstandsmitglied des Deutschen Reiseverbandes, über die ersten Erfahrungen mit Vorzugspreisen.

Herr Schweisgut, wie sind die
Erfahrungen mit den Vorzugspreisen von Lufthansa (LH) und Swiss (LX) in
Deutschland seit der Einführung am 1. Juli?

Nachdem zuerst Sabre und dann Travelport eine Einigung mit LH/LX
erzielt haben, war auch das auf dem deutschen Markt führende GDS
Amadeus gezwungen zu reagieren. Nachdem offensichtlich deren Gespräche
mit LH/LX zu keinem Ergebnis geführt haben, hat Amadeus wenige Tage vor
dem Inkrafttreten zum 1. Juli angekündigt, vorerst bis Ende Jahr die
den Reisebüros entstehenden Kosten, die ja nur bei der Nutzung von
Amadeus entstehen, zu erstatten. Damit blieb die Einführung der
«Vorzugspreise» auf dem deutschen Markt bisher ohne Auswirkung.
Die zu erwartenden Auswirkungen und Marktreaktionen, die bei einer
Umsetzung des Konzepts wie von LH/LX vorgestellt natürlich eingetreten
wären, finden daher nicht statt, obwohl auf dem Papier das
Vorzugspreismodell nach wie vor existiert und die längerfristigen
Auswirkungen noch nicht abzuschätzen sind.
Die Thematik «Vorzugspreise» hat die Branche über fast ein halbes Jahr
intensivst beschäftigt. Mit allen Kunden, insbesondere im
Geschäftsreisebereich, mussten mehrfach bei den sich immer wieder
ändernden Rahmenbedingungen neue Vereinbarungen wegen einer den Kunden
kaum vermittelbaren Geschäftspolitik dieser beiden Airlines getroffen
werden, die dann letztlich doch alle obsolet waren. Das Chaos hat mit
Sicherheit bei den Kunden nicht den besten Eindruck hinterlassen.

Wie sind die Erfahrungen insbesondere bei Travelport und Sabre, wo keine GDS-Gebühren anfallen?

Ich habe keinen Einblick in bisher eingetretene Veränderungen
der GDS-Landschaft. In Deutschland spielen diese beiden GDS bisher noch
keine grosse Rolle; Amadeus ist mit riesigem Abstand Marktführer. Für
die meisten grösseren Reisebüros und Ketten im Geschäftsreiseverkehr
war ein kurzfristiger Wechsel des GDS aus technischen Gründen wegen
fehlender Anbindungen an die Backoffice-Systeme und den erforderlichen
Mitarbeiterschulungen gar nicht möglich.
Aufgrund der Unsicherheit, wie sich die «Vorzugspreispolitik» der
beiden Airlines ab dem nächsten Jahr auswirken wird, werden mit
Sicherheit im Vertrieb derzeit alle Anstrengungen unternommen, um
einseitige Abhängigkeiten von einem GDS zu beseitigen und zukünftig
flexibler reagieren zu können.

Wie sind die Erfahrungen mit der Rückerstattung der Gebühren von Amadeus an die Reisebüros?

Bisher ist noch keine Abrechnung erfolgt, Amadeus hat den
Agenturen das Prozedere erläutert, und wir hoffen, dass dann in der
Praxis ein in der Abwicklung einfacher Prozess auch ohne eine
Zwischenfinanzierung der «Vorzugspreisentgelte» durch die Reisebüros
funktionieren wird.

Welche rechtlichen Schritte laufen in Deutschland noch?

Ich gehe davon aus, dass die schnelle Einigung von Lufthansa und
Swiss mit Sabre in direktem Zusammenhang mit der Intervention des DRV
beim Bundeskartellamt zu sehen ist. Durch die Einigung mit Sabre wurden
die kartellrechtlichen Argumente gegen das «Vorzugspreiskonzept»
beseitigt und damit auch die bisher gefundenen Lösungen mit den anderen
GDS ermöglicht.
In den oben erwähnten Schreiben hat jedoch Amadeus auch die
Einleitung  rechtlicher Schritte erwähnt. Die Branche setzt jedoch
auf eine schnelle und langfristige Einigung auch mit Amadeus
entsprechend den anderen beiden GDS. Für eine verlässliche und planbare
Bedienung der Heimmärkte dieser beiden Airlines ist dies dringend nötig
und geboten.

Chris Probst