Eine Branche – zwei Systeme (Ausgabe 2007-31)

Peter Kuhn zum Verhältnis Incoming/Outgoing

Zwanzig Jahre lang war ich auf nationaler und lokaler Management-Ebene im Incoming tätig, die letzten beinahe zehn Jahre als journalistischer Beobachter im Outgoing. Da drängt sich die Frage auf, ob denn Incoming und Outgoing vergleichbar seien. Meine Antwort: Im Prinzip kaum, auch wenn beide Sparten «blind products» vermarkten. Weshalb? Das hat primär mit Quell- und Zielmärkten zu tun. Da stehen sich die beiden Sparten diametral gegenüber: Was dem einen Ziel ist, bedeutet für den andern Quelle und umgekehrt. Und die entsprechenden Ströme verlaufen praktisch nie parallel.

Das Incoming-Marketing ist zweifellos anspruchsvoller, gilt es doch, alle bestehenden und potenziellen Märkte zu beurteilen und zu pflegen. Allerdings eher al fresco als in der Tiefe. Das betrifft vor allem Fernmärkte. Da spielen Zielgruppen eine weniger entscheidende Rolle. Dies wiederum ist fürs Outgoing ungenügend, hier ist die Kenntnis auch der feinsten Aufteilung in Cluster und Ähnliches gefragt, denn es gilt ja die Vertriebskanäle mit Produkten zu füllen, die auch nachgefragt werden.

Unterschiede gibt’s auch bei der Produktgestaltung. Im Incoming ist ein wieder höher geschätzter Anteil nur wenig beeinflussbar, anderseits aber recht stark differenziert. Im Outgoing sind die Gestaltungs- und Beeinflussungs-Möglichkeiten grösser, was sich erstaunlicherweise keineswegs in einer stärkeren Differenzierung äussert. Schuld wird da wohl der «Markt» tragen, wird die Antwort lauten.

Bezüglich Umfeld sehe ich «Vorteile» für das Outgoing, auch wenn beide Sparten letzten Endes von KMUs geprägt sind. Was das Incoming belastet, ist die auch heute noch an allen Ecken und Enden spürbare Verpolitisierung. Das beginnt im Dorf – jeder Bürger hält sich für einen Experten – und endet beim Justizminister, der Tourismus-Förderung für eine privatwirtschaftliche Aufgabe hält. Während das Incoming
eine – wenn auch schwache, regional geprägte Lobby hat, existiert eine solche fürs Outgoing kaum, was aber weiter kaum jemanden stört.

Incoming und Outgoing sind beide den Einflüssen und Ansprüchen moderner Kommunikation unterworfen und handhaben diese auch ähnlich. Fazit: Die Methoden sind gleich, die Strukturen aber sehr verschieden. Ganz zu schweigen von den Menschen. Aber eines ist allen gemein: Der Tourismus-Virus. Dieser kann ansteckend sein, nachhaltig ist er sicher.