«Erreichbarkeit der Gäste ist wichtig für die Sicherheit» (Ausgabe 2015-48)

Experte Roland Schmid erklärt, wie ein grosser Veranstalter auf Krisensituationen vorbereitet ist.

Welche Maschinerie kommt bei einem Ereignis wie den Anschlägen in Paris bei TUI Suisse in Gang? 

Zu Beginn einer grösseren Krise ist der Zeitdruck hoch. Die Alarmierung der Geschäftsleitung und – je nach Ereignis – der verschiedenen Bereiche wie Product & Trading, Flugeinkauf, Sales & Operations, Retailer Sales, Kundenservice und Kommunikation ist entscheidend. Dann sind wir – auch im Netzwerk der World of TUI – innert kürzester Zeit handlungsfähig. Im Notfallplan sind die Prozesse standardisiert, die Abläufe detailliert festgelegt. Je schneller präzise Informationen vorliegen, desto rascher können Sofortmassnahmen ausgelöst und Entscheide gefällt werden.

TUI hat ein Krisenwarnsystem namens «Global Monitoring». Was kann es?

Dank dem Warnsystem können wir in Krisensituationen besser und schneller reagieren. Egal ob Naturkatastrophen, politische Unruhen, Streiks oder Infektionen: Das TUI-Krisenmanagement wird automatisch und umgehend vom System alarmiert, sobald die Sicherheit von Gästen in einem Reiseland beeinträchtigt wird oder werden könnte.

In der Konzernzentrale in Hannover wurde für EUR 60000 ein neuer Krisenraum eingerichtet. Ein Zeichen dafür, dass man mit immer mehr und immer grösseren Krisen rechnet?

Damit rechnen wir nicht. Der bisherige Krisenraum war rund 20 Jahre alt und auf Papierarbeit ausgelegt. Das neue Krisenzentrum integriert die digitalen Medien optimal. Eine Videowall mit Flachbildschirmen und eine Elf-Meter-Wand zur Lagedokumentation zählen zur Ausstattung. Informationen von Flughäfen, Fluggesellschaften, Behörden und Ländern sind rund um die Uhr verfügbar.

Wie profitieren die Reisebüros und die Kunden auch in der Schweiz davon?

In der Schweiz sind wir rund um die Uhr erreichbar. Der Pikettdienst dient der Alarmierung, doch er handelt auch, wenn jemand krankheitshalber eine Reise kurzfristig absagen muss oder das Flugzeug verpasst. Der Pikettdienst kann direkt mit unseren Leistungspartnern im In- und Ausland oder mit der 24-Stunden-Einsatzzentrale in Deutschland Kontakt aufnehmen. Bei Grossereignissen laufen in Hannover die Fäden der Krisenstäbe der TUI-Gesellschaften zusammen.

 

TUI sagt, das grösste Problem sei z.B. im Fall Paris gewesen, dass die Reisebüros den TOs die Handynummern der Gäste nicht weitergeben. Warum wäre das so wichtig?

In einem Krisenfall hat die Sicherheit der Gäste und der Mitarbeitenden Priorität. Die Erreichbarkeit ist entscheidend. Wir möchten rasch wissen, ob die Kunden wohlauf sind, wie gross allenfalls die Gefährdung ist oder ob es bereits zu Personenschäden gekommen ist. Wenn uns die Nummern vorliegen, können wir schnell informieren, z.B. über SMS. Als Tipp: In Krisenfällen arbeiten wir eng
mit dem EDA zusammen. Nützlich wäre deshalb die Online-Registrierung auf
www.itineris.eda.admin.ch. 

 

Welches war bislang die aufwändigste Krise, die TUI bewältigen musste?

Das Luxor-Attentat 1997 und besonders 9/11 in New York waren emotional für alle Beteiligten sehr anspruchsvoll. Man realisierte die Gefährdung für die Kunden oder das eigene Image. Zeitlich anspruchsvoll war der Einsatz des Krisenteams nach dem Tsunami und nach dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull im Frühling 2010. Beide dauerten mehrere Wochen.  

SG