Familien zieht’s wieder häufiger und früher in die Reisebüros (Ausgabe 2010-49)

Als nützliche Werkzeuge am Schalter erweisen sich Familienkataloge.

Schweizer Reisebüros werden wieder vermehrt von Familien aufgesucht, wie eine TI-Umfrage zeigt. «Nachdem die Nachfrage für Familienferien in den letzten Jahren ständig zurückgegangen ist, beobachten wir seit ein paar Monaten einen Aufschwung, und zwar sowohl für den Sommer als auch für den Herbst 2011», sagt Natalie Meyer von Passage Reisen in Dübendorf. Auffällig sei dabei, dass die Zahl der Frühbucher zunehme. Ein früher Buchungszeitpunkt hat gemäss Meyer nicht nur finanzielle Vorteile; Familienzimmer oder Zimmer mit Verbindungstüren sind zu einem späteren Zeitpunkt gar nicht mehr verfügbar.

Dieselbe Beobachtung macht das Reisebüro Traveller in Chur. «Für Familienferien für den kommenden Sommer verzeichnen wir zurzeit eine starke Nachfrage», erklärt Filialleiterin Marina Riera. Anders als in früheren Jahren würden die Familien bereits seit Anfang November buchen. Die Vorteile von Frühbucherrabatten hätten sich inzwischen in den Köpfen der Kunden verankert, vermutet Riera. Dadurch würden die Veranstalter, die ihre Familienangebote erst spät veröffentlichen, automatisch in Nachteil geraten.

Für Heinz Binggeli, Inhaber von Binggeli Reisen Olten, ist deshalb klar: «Familienkataloge können gar nicht zu früh verschickt werden. Je früher, desto besser.» Dass viele Angebote online bereits freigeschaltet sind, nützt laut Binggeli nichts: «Die Familien wollen Kataloge zum Durchblättern und Vergleichen in den Händen halten.»

Dem widerspricht Riera. «Wenn die Angebote im Buchungssystem freigeschaltet sind, können wir die Kunden beraten und ihnen die Bilder aus den Vorjahreskatalogen zeigen. Für viele Familien sind die Kataloge zu umfangreich und die Preislisten zu kompliziert, sodass sie froh sind, wenn wir die Arbeit für sie erledigen.» Natalie Dové, Mitglied der Geschäftsleitung von Nussbaumer Reisen in Burgdorf, stellt eine ähnliche Tendenz fest: «Mit der Flut von Möglichkeiten sind viele Familien überfordert und kehren deshalb wieder vom Internet an den Schalter zurück.»

Die Bedürfnisse der Familien sind in allen befragten Reisebüros identisch. Killerkriterium ist der Preis; viele Familien würden zugunsten eines – auch nur leicht – tieferen Preises auf Mehrwert verzichten, sagt Mario Werlen, stellvertretender Geschäftsführer von Arrow Tours in Hochdorf. Weitere Argumente sind laut den Retailern eine kinderkonforme Unterkunft, Stichworte Verbindungstüren, Familienzimmer und Appartements, sowie eine gute Kinder-betreuung, damit Eltern ihre Kinder auch einmal ein paar Stunden abgeben können. All-inclusive wird von vielen Familien bevorzugt, da das Konzept den Alltag mit Kindern vereinfacht. 

Die spezifischen Familienkataloge der Veranstalter sind laut den Retailern gut auf die genannten Bedürfnisse abgestimmt und deshalb sinnvolle Arbeitswerkzeuge. «In den normalen Katalogen ist bald einmal jedes Hotel ein familienfreundliches Hotel, da müssen wir auf unsere eigenen Erfahrungswerte zurückgreifen», so Werlen. Die Spezialkataloge für Familien hingegen seien verlässlich. Dort würden die Angebote über Kinderclub, Betreuung und dergleichen verfügen – und vor allem auch über die entsprechende Klientel. «Gerade in gehobeneren Hotels kann es ansonsten vorkommen, dass zwar eine kinderfreundliche Infrastruktur vorhanden ist, aber fast keine Familien mit Kindern anwesend sind», erklärt Werlen.

Mogelpackungen mit falschen Versprechungen betreffend Kinderfreundlichkeit kämen in Familienkatalogen höchst selten vor. «Auf die Familienlabel ist Verlass, gelogen wird heutzutage nicht mehr», sagt Marcello Brunner, Geschäftsführer von Marcellos Travel Service in Zürich. Geschätzt werden bei den Retailern vor allem die in den Katalogen ausgewiesenen Kinderfestpreise, die die Arbeit am Schalter erleichtern.

Hier ortet Binggeli Unterschiede bezüglich Attraktivität der Angebote. «Ich bin schon vor fünf Jahren auf deutsche TOs ausgewichen, da diese gerade während der Schweizer Schulferien viel günstiger sind.» Weiter bemängelt er, dass viele Angebote beim zwölften Altersjahr enden. «Dabei verreisen 13- oder 14-Jährige oft noch zusammen mit ihren Eltern.» Insgesamt sind die Retailer mit den Familienkatalogen aber zufrieden, wie Dové bestätigt: «Mit diesen Produkten können wir gut arbeiten und finden immer ein passendes Angebot.»

Stefan Jäggi

Familien sind nicht experimentierfreudig

Südtürkei, Tunesien, Mallorca – dies sind gemäss den befragten Reisebüros die Destinationen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis für Familien und dementsprechend auch die meistgebuchten. Griechenland und die Kanaren erachten die meisten der befragten Retailer als zu teuer; Ägypten hätte wohl ein ansprechendes Preis-Leistungs-Verhältnis, ist für viele Familien im Sommer aber zu heiss. Generell stellt Mario Werlen von Arrow Tours in Hochdorf fest, dass die meisten Familien nicht experimentierfreudig sind, sondern auf bewährte Destinationen setzen. «Wenn sie einen Ort und ein Hotel gefunden haben, in dem alles stimmt, gehen sie dort wieder hin.» Neue, überraschende Trends bleiben deshalb meistens aus.

SJ