«God bless the Lufthansa pilots» (Ausgabe 2015-40)

Ryanair will sich in Deutschland die Krisen bei Lufthansa und Air Berlin zunutze machen.

An markigen Sprüchen mangelt es an einem Vortrag von Ryanair-Chef Michael O’Leary nie. «God bless the Lufthansa pilots» – Gott segne die Lufthansa-Piloten, rief er während seines Auftritts am FVW-Kongress in Essen und spielte damit auf den jüngsten Streik bei der deutschen Airline an.

In der Tat spielen ihm die Querelen bei der Lufthansa sowie die kriselnde Air Berlin in die Hände; O’Leary plant mit seiner irischen Billigairline nämlich einen Grossangriff auf den deutschen Markt. Dort hält Ryanair bisher einen Marktanteil von 5%, was O’Leary zu wenig ist. In Berlin Schönefeld baut Ryanair jetzt eine neue Basis auf – die sechste in Deutschland – und bis im nächsten Sommer sind landesweit 35 neue Routen geplant. Die Anzahl Passagiere in Deutschland soll dabei um 29% auf über zehn Millionen wachsen. 

Möglich soll dies unter anderem deshalb werden, weil sich Ryanair immer stärker für Geschäftsreisende öffnet. Seit Mai ist sie nun in allen drei grossen GDS vertreten, und die Service-Offensive soll weitergehen: Neue Website, «Hold-the-fare»-Option, personalisierte App und schliesslich dann auch ein neues Interieur der Boeings sind geplant. Das grelle Gelb soll dezenteren Blau- und Grautönen weichen. 

Dies alles läuft unter einer Art «Charme-Offensive», auch wenn man sie der knallhart kalkulierenden Airline nicht so recht abnehmen mag. «25 Jahre lang waren wir unhöflich und grob zu den Kunden, und es hat gut geklappt. Seit 18 Monaten sind wir nun nett und bieten ihnen mehr Service und tiefere Gebühren – und es klappt noch besser! Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich schon früher nett gewesen», resümierte O’Leary auf der Bühne.

Um für Geschäftsreisende attraktiv zu sein, muss Ryanair aber auch davon wegkommen, mehrheitlich sekundäre Flughäfen anzufliegen. «Die Hälfte unseres Wachstums soll sich an gros-sen Hauptflughäfen abspielen», erklärte O’Leary.

Auf diese Weise käme Ryanair auch mit einem anderen Ziel voran: Feeder-Aufgaben für grosse Airlines zu übernehmen. «In drei bis vier Jahren ist es gut möglich, dass sich Lufthansa von ihrer Kurzstrecke nach und nach verabschieden und auf Ryanair als Feeder setzen wird», kündigte O’Leary gewohnt grossspurig an. 

Er ist jedoch nicht der einzige mit diesem Ziel: Auch Easyjet bemüht sich um Langstrecken-Feeder für grosse Airlines. Deutschen Medienberichten zufolge wünsche sich Lufthansa-CEO Carsten Spohr eine Zusammenarbeit zwischen seiner Low-Cost-Tochter Eurowings und Easyjet.

Ein anderes Projekt hat Ryanair nun scheinbar aufgegeben. Letzte Woche verkündete Marketing-Chef Kenny Jacobs, dass die lange gehegten Langstreckenpläne auf Eis gelegt wurden. Es gebe genügend Potential innerhalb Europas – zum Beispiel eben in Deutschland. 

Stefan Jäggi