HP + TRAVELHouse = Neue Marktverhältnisse (Ausgabe 2006-44)

Kommentar von Angelo Heuberger, Chefredaktor TRAVEL INSIDE

Die Überraschung am TTW in Montreux war gewaltig: Noch nie zuvor war ein derartiger Deal so minuziös vorbereitet und so konsequent geheimgehalten worden. Die Reaktionen glichen einem Schock. Am Travelhouse-Stand flossen Tränen, bei Hotelplan (HP) waren anfänglich ungläubige, dann aber bald stolze Gesichter zu sehen. Die Konkurrenten tauchten ab, die Leistungsträger waren total verunsichert ob der neuen Marktmacht.

Eine derart spektakuläre Akquisition – man munkelt von einer 70-Prozent-Übernahme – ist für die Branche neu, das hat es in dieser Dimension noch nie gegeben. Der Deal wird die Branche nachhaltig verändern. Der Konzentrationsprozess tobt mit voller Gewalt und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Noch gibt es weitere interessante «Filetstücke» am Markt. Grundsätzlich sind solche Machtkonzentrationen nicht sympathisch, sie verursachen eher Ängste denn Vertrauen. Anderseits gibt es auch positive Aspekte: Stärkere Verbunde können den Schwierigkeiten des Marktes besser begegnen. Was bedeutet dieser Abschluss für die Branche?

Travelhouse: Travelhouse (TH) kann nun auf 106 HP-Filialen vertrauen. Diese werden ihre Prioritäten neu ordnen. Was dies unter dem Strich bringt, ist nicht bekannt. Ausserdem wird TH inskünftig verstärkt auf die Destinationen der Belair buchen und die Auslastung der HP-eigenen Charterairline steigern. Das TH-Staff erhält eine neue Sicherheit, eine Vision und neue Marktchancen. Die Umgewöhnung wird allerdings Zeit beanspruchen, vielleicht gibt es Mitarbeitende, denen die Zugehörigkeit zu Hotelplan weniger schmecken wird.

Stirnimann/Laubi/Diethelm: Thomas Stirnimann ist der grosse Sieger, ein Deal mit der Handschrift eines Hans Lerchs. Stirnimann hat sich sehr clever verhalten und vermutlich tüchtig mit abkassiert. Ausserdem wird er seine Macht als Mitglied der Gruppenleitung künftig auch auf Hotelplan ausdehnen. Oskar Laubi gewinnt einen VR-Sitz bei Hotelplan, verliert aber das Präsidium bei Travelhouse. Wie er seinen Mitarbeitenden klarmacht, dass er ursprünglich Travelhouse als eigenständige Kraft erhalten wollte und nun doch bei einem Marktleader landete, ist seine Sache. Laubi suchte sicherlich das Beste für die Unternehmung, war aber möglicherweise mit dem Einstieg des Finanzinvestors Peter Diethelm (ex Kuoni) vor eineinhalb Jahren zu naiv. Ein Verkauf ins Ausland wäre wahrscheinlich gewesen, doch Laubi will TH in der Schweiz erhalten. Alleine hätte TH als Spezialist praktisch ohne eigenen Vertrieb im Markt unter den sich veränderten Realitäten jedoch kaum Chancen gehabt. Offenbar haben Stirnimann und Laubi die Hälfte ihrer Aktien verkauft. Man munkelt, die TH-Anteile seien vorher zu je einem Drittel bei den drei Aktionären verteilt gewesen. Um die Mehrheit von geschätzten 70% zu erlangen reichte der Anteil des Finanzinvestors Diethelm nicht aus. Der Exit des Private Equity Investors war vorhersehbar, wurde nun durch das Angebot von Hotelplan früher als geplant ausgelöst. Diethelm ist bekannt für cleveres Geschäftsgebaren: Man darf davon ausgehen, dass HP – aus der eigenen Kasse notabene – nunmehr deutlich  mehr für TH hinblättern musste. Vor rund 18 Monaten soll TH noch rund CHF 25 Mio. gekostet haben, heute dürfte der Preis sicher bei CHF 50 Mio. gelegen haben.

Hotelplan: Christof Zuber, oberster Hotelplan-Chef, hat den grössten Coup der Branchengeschichte via Hitz & Partner gelandet. Zuvor noch wegen angeblicher Erfolglosigkeit in gewissen Medien gescholten, holte er zum ganz grossen Schlag aus. Er hat offenbar die Migros-Konzernführung überzeugen können. Und die Migros steht in der Schweiz zu 100% hinter ihrem Reise-Engagement. Und mit dem Einstieg von Globus wird es so richtig spannend.

Zuber holt sich mit Stirnimann Know-how vom Feinsten in sein Revier. Und setzt damit seine bisherige noch nicht über Massen erfolgreiche HPSG-Crew mächtig unter Druck. Das schafft vielleicht neue Motivation, nachdem die Umstrukturierung doch an die Nieren gegangen war. Ein doppelter Schachzug also für HP. Und Hotelplan überholt gleichzeitig in der Schweiz den bisherigen Marktführer Kuoni, der für einmal bei einer Akquisition abseits stand, respektive gar nicht involviert war. Damit ist die Position von HP in der Schweiz   gigantisch. Was sie an Synergien wirklich bringt, muss sich noch weisen. Möglicherweise hätte Hotelplan in der bisherigen Konstellation weder auf dem Schweizer Markt noch im Ausland auf Dauer eigenständig überleben können.

Fazit: 1+1 gibt selten 2, das weiss auch Zuber. Die Absicht besteht indes, beide Unternehmen als «freundliche», aber dennoch eigenständige Mitbewerber parallel im Markt auftreten zu lassen. Wie sich dies auf die bestehenden Doppelspurigkeiten bei Destinationen oder auch im Bereich Ticketshop mittelfristig auswirken wird, ist offen. Nicht hinweg diskutieren lässt sich jedoch, dass der Branche die bisher wohltuende vier- te Kraft im Markt abhanden gekommen ist. Auf Dauer werden die Unternehmen ihre Marktstrategie absprechen und auch die Marktbearbeitung koordinieren. Was dies für die Agenten bedeutet – Travelhouse war  bislang äusserst agentenfreundlich – wird sich noch weisen.