«Ich wollte bis 2007 warten» (Ausgabe 2006-35)

Peter Seiler ist im Rahmen des Travelhouse-Verkaufs an die Gruppe der neuen Eigentümer um Thomas Stirnimann, Oskar Laubi und Peter Diethelm, aus der Unternehmung ausgeschieden. Angeblich auch aus gesundheitlichen Gründen. TI hakt nach.

Was waren die Hintergründe Ihres Abgangs bei Travelhouse?

Im Jahr 2003 haben Oskar Laubi, Robert Martin und ich beschlossen, dass wir uns bis 2007 aus dem operativen Geschäft zurückziehen werden. Das wäre für mich ideal gewesen, weil ich dann 61 werde. Dann ergab sich eine veränderte Situation bei Oskar Laubi. Er suchte einen Investor, wollte also verkaufen.



Und Sie wollten bis 2007 warten mit dem Verkauf?

Ja. Oskar Laubi hat mir nie gesagt, dass er nicht bis 2007 mit dem Verkauf warten wollte, Robert Martin auch nicht. Die Situation war dann so, dass zwei mögliche Investoren im Rennen waren: Knecht und Peter Diethelm zusammen mit Thomas Stirnimann. Zu dieser Zeit hatte man beschlossen, dass alles auf höchster Geheimhaltungsstufe läuft.



Sie waren zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr dabei?

Doch, ich war schon noch dabei, aber nicht informiert. Ich wurde dann auf dem Golfplatz Schinznach von einem Mitglied informiert, was mich persönlich sehr gekränkt hat.



Es gab doch zu dieser Zeit auch eine Krankheit.

Im späten 2004 hatte man bei mir eine Herzmuskelerkrankung aufgrund eines Virus entdeckt. Da muss man höllisch aufpassen, die Krankheit ist aber nicht lebensbedrohend. Man muss zwei Sachen vermeiden: Negativen Stress – dabei kann man aber immer noch von morgens bis abends arbeiten – und in den ersten vier bis fünf Monaten hatte ich Flugverbot. Bei dieser Krankheit geht die Pumpleistung zurück. Bei mir als Nichtraucher und Sportler waren dann die ersten Folgeuntersuchungen günstig. Die Krankheit ging aber über Monate.



Waren Sie irgendwann in Ihrer Arbeitsleistung reduziert?

Nein. Anfang 2005 habe ich mehr zu Hause gearbeitet, ähnlich wie wenn

jemand einen Beinbruch erleidet. Ich war aber immer erreichbar und nie krank geschrieben.

 

Dann waren Sie in der Phase des Verkaufs nicht präsent?

Doch, in dieser Phase war ich immer präsent. Ich war jeden Tag im Büro und verfügbar. Verkaufsgespräche finden ja immer statt, ohne dass jemand davon wissen darf.



Aber Sie waren ein wichtiger Aktionär von Caribtours.

Ja das stimmt. De jure kann man darüber streiten, ob es in Ordnung war, mich nicht zu informieren. Es zeugt aber von sehr schlechtem Stil.



Sie waren ja Minderheitsaktionär und wollten nicht verkaufen?

Nein, bis 2007 nicht. Ich hatte keinen Grund dazu. Es gab für Caribtours und Salinatours keine wirtschaftliche Notwendigkeit. Wir haben Geld verdient. Wenn man bei einem Umsatz von CHF 34 Mio. eine halbe Million Gewinn macht, steht man meiner Meinung nach auf der Sonnenseite. Oskar Laubi und ich haben uns danach aber bemüht, die Sache anständig über die Runde zu bringen, und ich habe mich von der Firma verabschiedet.



Hatte es nicht doch ein Stück weit mit der körperlichen Verfassung zu tun?

Ab Oktober 2005 war ich wieder zu 100 Prozent fit, und meine Pumpleistung war wieder in Ordnung. Es geht mir wieder wie vorher. Es war eine Krankheit, die meine geistigen Fähigkeiten nicht beeinflusst hatte. Ich konnte einfach während einer gewissen Zeit nicht von morgens um sechs bis abends um sechs Uhr arbeiten. Ich hatte die Firma aber immer voll im Griff, wusste immer, worum es ging, und führte die nötigen Sitzungen.



Bereuen Sie heute, wie der Verkauf abgelaufen ist?

Bereuen? Nein! Es ist ein Ereignis, das stattgefunden hat und man nicht mehr korrigieren kann. Für die anderen gab es übergeordnete Ziele. Man musste sich überlegen, was man mit Robert Martin und Peter Seiler nun machen wollte. Bei Robert Martin war es einfach. Man gab ihm etwas, bei dem er bald verschwinden würde. Bei Peter Seiler sagte man, er sei ja krank. Es endete dann in einem halblauen Abgang. Aber wenn man heute sagt, man sei zu mir fair gewesen, dann bedaure ich das sehr. Es ist auch lächerlich, dass erzählt wird, ich sei fürstlich entschädigt worden. Das stimmt einfach nicht. Ich erhielt beim Verkauf das absolute Minimum. Das ist ja auch klar. Wenn man verkaufen muss, erhält man natürlich auch keinen guten Preis.



Wann wurde Caribtours gegründet?

Das war im März 1987. Die Integration von Salina war eine sehr wichtige Aufgabe. Wir haben die Firma zusammen mit vielen Schulden übernommen. In den besten Jahren haben die beiden Firmen zusammen ungefähr CHF 40 bis 42 Mio. umgesetzt. Wir haben einen guten Job als Spezialisten gemacht und hatten ein super Team mit der unverwüstlichen Renata Walker. Wäre 2001 nicht Herbert Baumann, sondern Oskar Laubi gegangen, würde es heute noch die Spezialisten von Travelhouse geben.



Wieso haben Sie eigentlich die Caribtours gegründet? Sie hatten doch eine gute Stellung bei Imholz!

Bei Imholz hatte ich eine sensationelle Zeit. Die Grundprinzipien des Tourismus haben sich nicht verändert, nur die Umwelt. Ich war immer Hans Imholz unterstellt und habe das Handwerk dadurch gelernt. Dann, mit 40, wollte ich selber anfangen.



Wollten Sie denn immer schon Unternehmer werden?

Nein. Aber ich bekam immer mehr Freude daran. Bei Imholz hatten sich auch ein paar Dinge verändert.



Brauchten Sie damals Oskar Laubi als reinen Geldgeber?

Nein, das kann man so nicht sagen. 1985 im Jahresschlussgespräch sagte ich zu Hans Imholz, dass ich nur noch ein Jahr bei Imholz bleiben würde, ohne dass ich gewusst hatte, was ich danach tun würde.



Wann begannen Sie bei Imholz?

Das war 1970. Ich hatte mehrere Funktionen: Chef Flugeinkauf, Chef Fernflug und Chef USA. Bei Imholz habe ich sehr vieles aufgebaut, Skandinavien – innerhalb von zwei Jahren sind wir von null zur Nummer eins in der Schweiz geworden –, Rundreisen und Städteflüge an neue Destinationen. 1976 begann ich das USA-Programm aufzubauen. Der grösste Erfolg dabei neben der einwöchigen Rundreise für 1290 Franken war eine 21-tägige Rundreise für 4900 Franken. Diese wurde 800 Mal pro Jahr verkauft. Ich hatte sehr viel zu tun, habe es aber immer gerne gemacht. Ab 1983 kam dann immer mehr dazu und ich war am Limit. Also wollte ich etwas anderes machen.



Wie kam es dann zu Caribtours?

Die Headhunter boten mir einen Job bei Schweri an, und ich hatte Offerten von American Express, Kuoni und Hotelplan. Mit Oskar Laubi hatte ich auch Kontakt, weil wir 1984 die Tower Air in die Schweiz holten – er für Skytours und ich für Imholz. Das hatte uns zusammengeschweisst.

Als ich 1986 bei Imholz aufgehört hatte, schlug Oskar Laubi vor, dass wir uns treffen. Gleichzeitig kamen auch Urs Frey, der mit Mondorama ein Südamerika-Programm aufbauen wollte, und Dr. Ralf Corsten, der wollte, dass ich das Programm von Togo Travel weiterführe. Schliesslich haben sich Oskar Laubi, Herbert Baumann und ich geeinigt, dass wir eine Firma mit einem Programm für den karibischen Raum gründen. Es gab ausser den Marktleadern Imholz und Jelmoli keinen Karibik-Spezialisten. Also haben wir 1987 einen 80-seitigen Prospekt herausgebracht.



Wieso haben Sie das nicht alleine gemacht?

Ich wollte das nicht alleine machen. Einerseits aus finanziellen Gründen, andererseits wollte ich mich irgendwo anschliessen.



Wie viel muss man denn für so etwas investieren? Eine halbe Million?

Nein, man muss mehr investieren, denn im ersten Jahr, das von März bis Oktober des Folgejahres 18 Monate dauerte, habe ich eine halbe Million rückwärts gemacht. Ohne die Hilfe der beiden Herren wäre das gar nicht möglich gewesen. Bereits im zweiten Jahr hatte ich einen riesigen Gewinn.



Haben Sie von Anfang an akzeptiert, dass Sie Minderheitsaktionär waren?

Es war zu Beginn etwas anders.



Sie hatten also die Mehrheit?

Darüber spreche ich nicht. Nur soviel: Geändert wurde das, als Herbert Baumann ausgeschieden ist. Wir waren am Anfang drei Aktionäre mit mir als VR-Präsidenten.



Es hiess aber damals noch nicht Reisebaumeister.

Richtig. Es gab Caribtours, Falcon und Skytours. Ich glaube, das Nächste war dann Sierramar. Ohne die Hilfe der Herren Laubi und Baumann wäre es nicht möglich gewesen, mit grosser Kelle anzurichten und eine echte Alternative zu Jelmoli zu bieten. Jelmoli hatte gegenüber uns einen Nachteil: Der wirkliche Dienstleistungsgedanke, also Kunden am Telefon kompetent zu bedienen, war damals in der Jelmoli-Crew nicht vorhanden.



Haben Sie von Beginn weg nur über Reisebüros verkauft?

Ja, das stimmt. Auch Jelmoli verkaufte über die Reisebüros. Jelmoli war damals noch nicht mit Imholz zusammen und war unser eigentlicher Konkurrent. Dort waren allerdings Generalisten-Leute am Werk, die nicht das Spezielle angeboten haben. Für mich war das Spezielle, alles anzubieten, was eine Insel zu bieten hat, nicht nur drei oder vier Hotels. Diesen Vorteil hatten wir. In dieser Zeit hat die Karibik noch geboomt. Caribtours hat immer sehr gut gearbeitet, bis die Situation kam, als Kuoni und Hotelplan aufeinander los sind und Mehrkapazitäten in der Höhe eines Mehrfachen des ganzen Markts kreiert haben. Und als die Reisen dann halb gratis verkauft wurden, litten wir ohne eigenes Verkaufsnetz. Kritisch wurde es 1997/98.

 

Wann haben Sie Salinatours übernommen?

1994 haben wir Salinatours mit den Bankschulden von Marcello Brunner übernommen. Salina war ein kleiner Brasilien-Spezialist mit rund CHF 4,5 Mio. Umsatz und sehr viel Verlust jedes Jahr. Es ging länger, als ich gedacht hatte, bis ich die Firma ordnen konnte. Es kam dazu, dass Mittel- und Südamerika aus operationellen Gründen ein sehr schwieriger Markt ist. Erfolgsfaktor bei uns war sicher Christian Schneider, der Südamerika wirklich gern hat. Genauso wie bei Caribtours Renata Walker, die die Karibik liebt. Nicht zu vergessen Gloria Reidenbach im Backoffice-Bereich, welche all die schönen Prospekte produziert hat. Das würde wohl mit diesem Erfolgsteam noch weitere 40 Jahre gehen, wenn wir weiter so hätten arbeiten können. So einfach ist das!



Und 1997/98 wurde es schwieriger?

Ja, damals kamen die Überkapazitäten. Zu den besten Zeiten hatten wir 320 Sitzplätze pro Woche. Dann kam eine Phase mit 1200 Sitzen auf dem Schweizer Markt, wovon vielleicht 300 zu vollen Preisen verkauft wurden.



Kamen Sie dann in eine Verlustphase?

Es gab einzelne Jahre, in denen vielleicht eine der beiden Firmen Verlust gemacht hatte.



Das war Caribtours?

Ja, auch einmal. Aber der entscheidende Verlust war ein Währungsverlust Ende 1999, den ich zu verantworten hatte. Der Dollar lag damals auf 1,50 und ich hatte nicht abgedeckt. Damals hörte ich zum letzten Mal in meinem Leben auf einen Guru, der mir abgeraten hatte, einzukaufen. Aber der Fehler lag ganz klar bei mir. Innerhalb von zwei bis drei Tagen stieg der Dollar auf 1,80. Die Differenz ergab einen Verlust von ungefähr einer Million. Das war der einzige wirkliche Verlust in all den Jahren. Das Eigenkapital war aber immer sehr safe. Die Substanz war nie in Gefahr. Wir konnten auch immer Dividenden bezahlen.



Gab es nicht einmal eine Phase, als man Caribtours abstossen wollte?

Nein, das ist mir nicht bewusst.



Aber es gab Angebote für Caribtours?

Ja. Als die Edelweiss Air gegründet wurde, musste Kuoni Umsatz dazukaufen. Spasseshalber sagte ich damals in einem Lokal zu Roberto Luna, dass ich die Firma am nächsten Tag verkaufen würde, wenn mir jemand 15 Millionen dafür geben würde. Etwas später rief mich Thomas Stirnimann an. Wir kamen zusammen, der Preis war dann aber nicht 15, sondern zwischen 10 und 15 Millionen. Herbert Baumann war Feuer und Flamme für einen Verkauf. Laubi und Baumann wollten, dass ich die Entscheidung treffen sollte. Ich hatte ein Wochenende lang Zeit, mir das zu überlegen, und am Montagmorgen sagte ich ab.



Wieso?

Ich konnte das meinen Mitarbeitern nicht antun und war nicht bereit, mit arbeiten aufzuhören. Der Deal wäre gewesen, dass ich sofort hätte aufhören müssen. Baumann meinte, ich würde das sicher einmal bitter bereuen. Ich kann aber bis heute nicht sagen, dass ich es bereue. Ich hätte damals sicher mehr erhalten als heute. Aber es ist ja nicht so, dass ich jetzt nichts erhalten habe und morgen wieder arbeiten gehen müsste. Mit mehr Geld wäre ich auch nicht glücklicher. Ich bin zufrieden mit dem, was ich mit meiner Ausgangslage gemacht habe.



Jetzt haben Sie nur einen Zehntel von dem erhalten, was damals Herbert Baumann erhalten hat. Baumann hat ja gegen 15 Millionen erhalten.

Es ist bei weitem nicht soviel.



Travelhouse war für 27 Mio. auf dem Markt.

Zwei Millionen weniger: 25 Mio.



Eben. Und Laubi und Baumann waren im Verhältnis 50:50 beteiligt.

Wenn wir drei Jahre zurückblicken, gab es damals eine Money Cow, das war Sierramar. Sierramar hatte noch die grösste Substanz. Dann gab es andere Firmen, die in den letzten Jahren gut gearbeitet haben. Diese sind aber schon mit neun Mio. Minus gestartet. Wenn man das ausrechnet, müssen diese Firmen noch zehn Jahre lang gut arbeiten, um in den Büchern ausgeglichen zu sein. Das war bei Robert Martin (Sierramar) nie der Fall.



Skytours ist aber bald à jour.

Noch nicht ganz. Aber dank Pascal Wieser ist Skytours auf dem richtigen Weg. Davor habe ich einen riesigen Respekt. Unter seiner Führung ist ein Spitzen-Veranstalter entstanden.



Gibt es eine berufliche Zukunft für Sie?

Mein Tagesablauf präsentiert sich heute so: Ich stehe zwischen fünf und sechs Uhr auf und erledige meine E-Mails. Ich habe sehr viele karitative Sachen angenommen. Damit bin ich bis ungefähr um 10 Uhr ausgelastet. Danach erledige ich private Dinge und treibe in der Regel am Vormittag auch noch Sport. Auch am Nachmittag habe ich zu tun. Wenn jemand von meinem Netzwerk und meinem Know-how profitieren möchte, bin ich gerne dabei.



Sie wollen aber keine Verantwortung mehr übernehmen?

Ich verabschiede mich nicht von der Branche, will aber nicht mehr in einem Management sein, wo man sich die Hälfte der Zeit nur profilieren muss.



Angelo Heuberger/Chris Probst