Krisenstimmung in der Türkei (Ausgabe 2015-34)

Pauschalisierungen helfen keinem weiter

Mehr als je zuvor ist der staatliche türkische Tourismus daran, das Image der reinen All-inclusive-Badedestination Türkei aufzubessern, sprich zu diversifizieren. In der Kommunikation wird kräftig für die andere Türkei geworben, die Türkei der jahrtausendealten Kulturen, die Türkei als Aktivferienziel mit neuen Wander- und v.a. Veloangeboten. So sollen weitere Gästesegmente erreicht und zudem die Saison ausgedehnt werden. 

Diesen Bemühungen kommen die sich zuspitzende politische Lage, die Meldungen von Anschlägen in Südostanatolien, aber auch mitten in Istanbul nicht gerade entgegen. Wenn das Schweizer EDA zur Vorsicht im gesamten Südosten, Osten und Nordosten rät, Wanderungen dort nur mit Guides empfiehlt und in Städten wie Istanbul das Risiko weiterer Anschläge nicht ausschlies-sen kann, klingt das nicht gerade motivierend.

Beim EDA und in den Medien wird jedoch deutlich von den als sicher und stabil geltenden Badeferienregionen im Süden und Westen unterschieden. Das nehmen die Veranstalter dankbar zur Kenntnis. Und aufgrund dieser Differenzierung werden Reisen in die Türkei – u.a. des Preis-Leistungs-Verhältnisses wegen – auch von den Kunden weiterhin gebucht. Die Tendenz, dass die Touristen sich (wie z.B. in Ägypten gang und gäbe) nur noch im All-inclusive-Hotel aufhalten und sich nicht mehr unter die Einheimischen trauen, steigt  jedoch. Die von Branchenleuten aktuell beobachtete «Islamophobie» einiger Kunden wird dadurch eher noch verschärft. Und: Geld, das Touristen nur im Hotel ausgeben, nützt dem Land meist weniger.    

Für Veranstalter und Retailer, die klassische Badeferien verkaufen, wäre eine Verschärfung der Lage in der Türkei eine heikle Angelegenheit. Denn die Türkei, in die 2014 fast 400000 Schweizer Gäste reisten, ist immer noch ein Reisebüroprodukt. Im Gegensatz etwa zu Spanien, wo Appartement und Flug eher im Internet gebucht werden, zumindest, was das Festland betrifft. Ägypten ist ebenfalls in der Dauerkrise, Tunesien lässt sich bis auf weiteres nur schwer verkaufen. Die einzige Destination auf der Kurz- und Mittelstrecke, die trotz Negativschlagzeilen ein Kassenschlager bleibt, ist Griechenland. Hier scheint das Produkt zu stimmen bzw. die Eurokrise Schnäppchenjäger anzulocken. Die Flüchtlingsproblematik schlägt sich offenbar nicht merklich auf die Nachfrage durch. 

Mehr denn je ist seitens aller Beteiligten eine differenzierte Betrachtung der Situation in krisengeschüttelten Ländern gefragt. Je mehr verunsichernde Schlagzeilen, desto mehr sind die Kunden auf die Kompetenz ihres Reiseberaters angewiesen.

Stephanie Günzler