Kuoni quo vadis? (Ausgabe 2006-35)

Angelo Heuberger über Kuoni nach dem Eklat

Wer denkt, nach dem Abschied von Präsident Andreas Schmid sei bei Kuoni wieder alles in Ordnung, könnte sich täuschen. Der Kuoni-Staff krampft zwar wie zuvor, aber mit mehr Freude. Und die Zahlen stimmen, für den Moment jedenfalls. Die Konzernleitung um CEO Armin Meier hat sich im VR durchgesetzt und den Präsidenten gebodigt. Diese Konstellation ist heikel, denn vom sechsköpfigen VR, ohne Schmid, haben nicht alle für das Management votiert. Der VR als oberstes Organ ist für die Festlegung der Strategie zuständig. Was ist vom jetzigen VR zu halten, was vom Management?

Offenbar gab es bei der Abstimmung vier «gute» und zwei «böse» VR. Drahtzieher bei der Schmid-Opposition soll David Schnell gewesen sein. Er ist auch Vertreter der Stiftung im Kuoni VR. Finanzspezialist Schnell, ehemals CFO von Swisscom, gilt als haarscharfer Rechner. Der Däne Henning Boysen, Catering-Spezialist und zuvor bei Gate Gourmet Präsident und CEO, hat sich offenbar nach einigem Zögern bereit erklärt, das Präsidium anzunehmen. Ob dies für längere Zeit gilt, ist fraglich, auch wenn er von einem längerfristigen Engagement spricht.

Boysen ist derzeit aber für Kuoni ein Glücksfall. Raymond D. Webster hat Erfahrung in der Airlineindustrie, zuletzt bei EasyJet, ist aber vor
allem Ingenieur. Annette Schömmel ist Kommunikationswirtin an der Hochschule für Künste in Berlin. Die wahrscheinlichen Schmid-Befürworter, Nils Hagander und Pierre Boppe, dürften es nach dieser Niederlage schwer haben. Mit ihrem Rücktritt kann durchaus gerechnet werden. Der Kuoni-VR präsentiert sich also nicht in Topform, jedenfalls nicht in der nötigen Verfassung, Europas Nummer sieben in eine weiterhin komfortable Position zu lenken.

Und das Management: Von der vierköpfigen Konzernleitung hat – nebst Reto Wilhelm (ex Swissair) –  Finanzchef Max Katz vorderhand noch am meisten Ahnung von der Touristik. Seine beiden Mitstreiter, CEO Armin Meier und Stefan Leser, sind zwar mächtig am Aufholen, gelten aber noch nicht als absolute Insider.

Kuoni ist nicht arg im Zugzwang, spätestens bis zur nächsten GV im Frühjahr 2007 müssen jedoch die Weichen im VR gestellt werden. Vermutlich müssen drei neue Leute gewählt werden, am besten natürlich internationale Touristikexperten. Vielleicht erinnern sich die Herren Boysen und Schnell noch an einen gewissen Hans Lerch. Das wäre die Kapazität, welche Kuoni benötigen würde. Vielleicht können ja beide Parteien über den Schatten der Vergangenheit springen. Zum Wohle der Unternehmung.