Kuoni reformiert Eigenvertrieb und Rolle des Reiseverkäufers (Ausgabe 2010-35)

Know-how-Datenbank, Leistungslohn mit Bonussystem und mehr Aufstiegschancen sind Eckpfeiler der neuen Vertriebsstrategie im eigenen Filialnetz.
Kuoni will seine Vertriebskanäle stärken und investiert in die Beratungs- und Servicequalität. Mittelpunkt der neuen Kundenkontakt-Strategie, die per 1. September eingeführt wurde, sind das Know-how sowie die vielfältigen und unterschiedlichen Beratungs- und Verkaufsqualitäten der Filialmitarbeitenden. Die Retail-Mitarbeitenden wurden einem der drei definierten Aufgabenschwerpunkte zugeteilt und beraten nun Kunden als Reiseexperten oder persönliche Kundenbetreuer sowie als Reiseberater.

Reiseexperten vermitteln innerhalb der gesamten Organisation ihr gezieltes Reisewissen und unterstützen Verkaufsmitarbeitende im Kundengespräch. Persönliche Kundenbetreuer nutzen ihr Netzwerk, betreuen Stammkunden und sind in die Neukunden-Akquisition involviert. Reiseberater sind Verkaufsprofis, die bestehende Kunden beraten und für neue Kunden erste Ansprechpartner sind.

Laut Gianni MoccetTI,  Leiter Eigenvertrieb bei Kuoni, wurde eine Art Inventar der Stärken und des Wissens aller Retail-Mitarbeitenden erstellt. Aufgrund dieser Erhebung wurde mit den Regional- und Filialleitern sowie den betroffenen ca. 550 Filialmitarbeitenden (ca. 450 Vollzeit-Stellen) die Rolle jedes Einzelnen festgelegt. Moccetti: «Bis auf ein paar wenige Ausnahmen haben wir für alle Mitarbeitenden die richtige Rolle gefunden. In einem Jahr werden wir wieder schauen, 

ob die Rolle ausgefüllt wurde oder ob man Anpassungen vornehmen muss. Es gibt keine hierarchischen Abstufungen, alle drei Funktionen sind gleichgestellt. Auch die Zahl der Mitarbeitenden bleibt gleich. Klares Ziel ist, dadurch produktiver zu werden und die Reisebedürfnisse unserer Kunden noch mehr in den Mittelpunkt zu stellen und ihnen in allen Belangen Mehrwert zu bieten. Trotz des internen Austauschs von Wissen wird der Kunde auch in Zukunft einen Ansprechpartner haben, entweder einen Reisebetreuer oder einen Reiseberater.»

Neu ist auch eine leistungsabhängige Entlöhnung mit Bonussystem, wobei für alle als Basis der aktuelle Lohn gilt. Zusätzlich wurde pro Kategorie ein Jahresumsatz-Ziel festgelegt. Bei Erreichen oder Übertreffen kommen abgestufte Bonuszahlungen zur Anwendung. Moccetti: «Wenn jemand Vollgas gibt und seine Rolle gut ausfüllt, kann er viel besser verdienen als heute. Die Reiseexperten haben ein leicht reduziertes Ziel, damit sie Zeit für Expertisen in ihrem Wissensgebiet haben. Diese Expertisen werden übrigens durch jene benotet, die in der Beratung darauf zurückgreifen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist dank technischer Mittel auch vorgesehen, Reiseexperten, die ja in irgendeiner Filiale sitzen, direkt in die Beratung von Kunden und unabhängig von der Filiale mit einzubeziehen.» 

Laut Moccetti eröffnen sich mit dem neuen System zusätzliche Aufstiegsmöglichkeiten: «Reiseberater haben heute verschiedene Ausrichtungen in der Karriereplanung. Nebst dem Ziel der Filialleitung kann man sich nun auch zum Reisebetreuer oder zum Reiseexperten entwickeln. Demnächst werden wir einen Head of Reiseexperte und einen Head of Kundenbetreuung ernennen. Deren Aufgabe wird es sein, die Mitarbeitenden in ihren Rollen weiterzuentwickeln.»

Mit Expert Exchange hat Kuoni eine Datenbank eingeführt, um das gesamte bei Kuoni Schweiz vorhandene Know-how zu bündeln und dieses allen Filialmitarbeitenden zugänglich zu machen. Gleichzeitig wurde in ein Customer Relationship Management System investiert, und ein neues Verwaltungs- und Abrechnungssystem ist in Planung.

«Wir mussten die heutige Rolle des klassischen Tour Operatings hinterfragen. Mit dem neuen Beratungs-/Vertriebsmodell in unseren Filialen können wir zunehmend eine Kostenstufe weglassen; die Konsolidierung findet vermehrt in der Filiale statt. Wir stehen noch am Anfang, es ist ein erster Schritt.»

Urs Hirt

TTS-Roemer im Clinch mit Kuoni

Mit der neuen Datenbank Expert Exchange wird das bei den Mitarbeitenden von Kuoni Schweiz vorhandene Know-how gebündelt und allen Filial-Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt. Das könnte bei konsequenter Umsetzung auch die Bedenken von einigen Branchenprofis relativieren. Denn schon im Zuge der Einführung des Looping-Prozesses, bei dem Kuoni-Filialen Anfragen nicht mehr am Hauptsitz, sondern direkt bei den Destinationsagenturen vor Ort platzieren sollen, beobachtete beispielsweise Stephan Roemer von TTS-Mitglied Tourasia, dass vermehrt Anfragen von Kuoni-Filialen eingehen, die letztlich aber nicht in eine Buchung münden. Man habe dieses Problem bei Kuoni gemeldet und sei zuversichtlich, es auf freundschaftliche Art lösen zu können, so Roemer.

Darauf angesprochen kontert Gianni Moccetti, Leiter Eigenvertrieb bei Kuoni: «Wir sind Partner und stets im Kontakt miteinander. Wenn es Probleme mit einem Partner gibt, dann sind wir an einer einvernehmlichen Lösung interessiert und erledigen das mit dem jeweiligen Partner direkt.» Zur Frage, ob vonseiten TTS eine Anfrage erfolgt sei, wollte er sich nicht äussern.

UH