Nehmen Ausländer uns die Jobs weg? (Ausgabe 2007-23)

Norman C. Bandi über die volle Personenfreizügigkeit

Drei Fragen beschäftigen Schweizer Arbeitgeber und Arbeitnehmer seit dem 1. Juni: 1. Wie wirkt sich die volle Personenfreizügigkeit mit der EU auf unser Land aus? 2. Wie viele deutsche Stellensuchende siedeln dieses Jahr zu uns über? 3. Machen all diese Ausländer den Einheimischen ihre Jobs streitig? Auch in der bekanntlich weltoffenen Reisebranche stellt man sich solche Fragen. Noch sind die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit nicht bekannt.

Fakt ist, dass sich Erwerbstätige aus 20 Staaten Europas hierzulande neu frei niederlassen können. All dies betrifft vorerst nicht die acht osteuropäischen Länder, die 2004 der EU beigetreten sind. Nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens vor fünf Jahren war die Einwanderung von Daueraufenthaltern auf 15000 pro Jahr begrenzt. Diese Limiten wurden immer restlos ausgeschöpft. Im Gegensatz zu den Kurzaufenthaltern, deren Kontingent zwar jährlich auf 115500 festgesetzt war, aber nie ganz beansprucht wurde.

Die Touristik hat sich als interessanter Arbeitgeber entpuppt. Wie von Personalvermittlern zu erfahren ist, stieg die Nachfrage von ausländischen Stellensuchenden in den letzten fünf Jahren konstant an. 2006 stammte beinahe jede fünfte Bewerbung nicht von Schweizern. Und gut 5% aller in der Reisebranche vermittelten Jobs wurden mit einem Ausländer besetzt.

Die Deutschen belegen auch in der Touristik einsam die Spitze. Innert Jahresfrist ist die Zahl der Deutschen in der Schweiz um 15461 auf 177000 am stärksten gewachsen. Entsprechend gehen die Behörden davon aus, dass sich die Zuwanderung mit dem Wegfall der Kontingente verstärken wird. Die Gewerkschaften orten das Problem, dass der Druck auf die Löhne weiter steigt. Für die Arbeitgeber überwiegen dagegen klar die Vorteile für die Schweizer Volkswirtschaft. Sie können jetzt nämlich in ganz Europa Spezialisten rekrutieren.

Trotzdem kann man nicht davon sprechen, dass die Ausländer den Einheimischen die Jobs wegnehmen. Die Arbeitslosenquote fiel letztes Jahr von 3,7 auf 3,3%. Dabei blieb der Wert der Schweizer klar unter jenem der Ausländer. Dennoch bleibt die Personenfreizügigkeit ein Politikum. Sollten die Daueraufenthalter in den nächsten Monaten mehr als 10% über dem Schnitt der letzten drei Jahre liegen, wäre die Schweiz berechtigt, ab 1. Juni 2008 wieder Kontingente einzuführen.