Rekord und neuer Chef für Genfer Flughafen (Ausgabe 2016-15)

Überkapazitäten Richtung Golf drohen

Einmal mehr weist die Jahresbilanz des Flughafens Genf zwei neue Rekorde aus: die Passagierzahlen stiegen um 4,1% auf 15,8 Mio. und der Umsatz um 4,9% auf CHF 424 Mio. Der Kanton kommt in den Genuss der Hälfte des Nettogewinns von CHF 84,6 Mio. Und im ersten Quartal 2016 betrug der Verkehrszuwachs bereits wieder 7%. André Schneider, der im Herbst als neuer Direktor auf Robert Deillon folgen wird, übernimmt einen erfolgreich operierenden Flughafenbetrieb, der in naher Zukunft sogar ein neues, grosszügiges Terminal für Langstreckenflüge erhalten wird. 

Die Kommunikation der Wahl des neuen Direktors ist hingegen völlig missglückt. Dies lässt sich auf einen schwerfällig agierenden und zu stark verpolitisierten Verwaltungsrat zurückführen. Als «streng vertraulich» deklariert, war die Wahl Schneiders bereits am Vortag der angekündigten Kommunikation über ein VR-Mitglied nach aussen gedrungen, was von den Medien dankbar aufgenommen wurde. Die offizielle Bekanntgabe war nur noch kalter Kaffee. Einmal mehr wird die Frage nach der Zusammensetzung des Verwaltungsrates und seinem Know-how in Airline-Fragen gestellt.

Der neue Direktor wird sich aber vor allem mit den drohenden Überkapazitäten zwischen Genf und der Golfregion beschäftigen müssen. Die Kapazitäten von Emirates, Etihad und Qatar werden im Sommer insgesamt um rund 65% erhöht. Ein enormes Wachstum für den Genfer Flughafen, der kaum von Umsteigepassagieren profitieren kann. Emirates lanciert im Juni einen zweiten täglichen Flug, Qatar wird ab Juli eine B-787-8 (Dreamliner) anstelle des jetzt operierenden A320 einsetzen, und Etihad könnte anstelle des aktuellen A330-300 auch bald eine grössere Maschine einsetzen. Der neue Abendflug von Emirates wird dem eigenen Nachmittagsflug Passagiere abjagen und in direkter Konkurrenz zu den Abendflügen der beiden Mitbewerber stehen.

Bezüglich Rentabilität wäre ein Preiskampf fatal. Doch es wird wohl dazu kommen, denn ohne gezielte Tarifaktionen werden die drei Golf-Airlines ihre Kapazitäten nicht vermarkten können. Die Konsumenten werden profitieren, denn die Kapazitäten der Carrier aus Middle East sind grösser als die Anzahl potenzieller Passagiere, die der Grossraum Genf hergibt. Zwischen den Airlines wird es zu einem harten Kampf um den Absatz ihrer Sitzplätze kommen. Letztlich möchten alle ihre Flugzeuge füllen, die Frage ist nur, zu welchem Preis?

Dominique Sudan