Slots: Wohl und Wehe der Airlines (Ausgabe 2015-42)

Warum Nachwuchs-Carrier in Sachen Flugzeiten im Nachteil sind und wie die Germania Flug AG den Holidayjet vielleicht hätte retten können.

Ob ein Flugzeug morgens um sieben oder erst vormittags um elf den Airport verlassen darf, kann ganze Geschäftsstrategien zum Wanken bringen. Die Germania Flug AG z.B. verlor ihren Charterkunden Hotelplan Suisse u.a. deshalb, weil sie als Newcomer nur schlechte Slots in Zürich bekam und das Konzept von zwei Kurzstrecken-Rotationen am Tag damit nicht aufging. Icelandair konnte wegen Slotproblemen ihr Sommer- nicht auf ein Ganzjahresgeschäft ausdehnen. Auch wer Reisen verkauft, ist stets mit dem Kundenwunsch nach angenehmen Flugzeiten konfrontiert. Wie komplex das Thema ist, stellt sich erst bei einem Blick hinter die Kulissen heraus. 

Hinter diesen schaltet und waltet an den Flughäfen Zürich und Genf die Slot Coordination Switzerland. Die unabhängige Non-Profit-Organisation teilt die Zeiten zu, wann ein Flugzeug am Airport ab- und wann es andocken darf. «Besonders rar sind die Slots am Abend und am Morgen», erklärt Erich Rindlisbacher, Geschäftsführer und Chef des fünfköpfigen Koordinatoren-Teams. Wer die frühesten und die spätesten Slots besitzt, hat dazwischen die meiste Zeit, Maschinen auszulasten und Verbindungsflüge zu realisieren. 

Jedes halbe Jahr geht der Verteilkampf von vorne los. Auf der Poleposition sind dabei die Traditions-Carrier. Denn: Wer eine Strecke jahrelang Tag für Tag, Woche für Woche um dieselbe Uhrzeit geflogen ist, hat sich einen «historischen Slot» erarbeitet und darf diesen – wenn er möchte – auch weiterhin behalten. Diese so genannten «Grossvaterrechte» sind nicht unumstritten. Kritiker (meist von Seiten neuer Airlines) sehen in ihnen einen enormen Wettbewerbsnachteil.

Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Die Regelung ist Bestandteil der von IATA und europäischer Regulierungsbehörde erlassenen Bestimmungen. «Zudem müssen die Airlines auch etwas dafür tun und während der jeweiligen Saison (Sommer- bzw. Winterflugplan) 80% der Slots genau so fliegen, wie geplant», betont Rindlisbacher. Wer nicht performe, verliere seine historischen Rechte.

Priorität zwei bei der Slotvergabe haben angestammte Airlines, die ihre Slots nur leicht verschieben wollen (historic retimings). Erst dann kommen neue Anfragen dran, und zwar solche für Strecken, die noch gar nicht ab dem betreffenden Airport geflogen werden. Ganz zuletzt werden Neulinge berücksichtigt, die bereits bestehende Strecken bedienen wollen und noch über keinerlei historische Rechte verfügen. 

Ein solcher Fall war die Germania Flug AG, die im Sommer 2015 erstmals auf den Plan trat und als «Holidayjet» für Hotelplan Suisse ab Zürich an bereits bestehende Kurzstreckenziele fliegen wollte. In Sachen Slotzeiten musste sie sich hinten anstellen. Anbieter von Mittelstrecken – bei denen man nicht auf zwei tägliche Rotationen setzen muss – haben es da einfacher. In Bern ist es laut Rindlisbacher z.B. etwas leichter, an Slots zu kommen, als in Zürich. Am Bern Airport (wie auch in Genf) verlangt die IATA darum auch keine Slotcoordination. 

Welche Slots besonders rar sind, kann man auf der Website der Slot Coordination ganz einfach selber nachschauen. Zudem biete man Airlines eine Beratung an, sagt Rindlisbacher. Als Neuling sei man tatsächlich im Nachteil, gibt er ganz unumwunden zu. Aber man könne sich verbessern. Indem man zunächst weniger beliebte Slots fliege, durch Kontinuität langsam mehr Rechte erhalte und schliesslich z.B. von zurückgegebenen Slots anderer Airlines und einem besseren Platz auf der Warteliste profitiere. 

Geld spiele bei der Slotvergabe übrigens überhaupt keine Rolle, stellt Rindlisbacher klar. «Es herrscht absolute Transparenz und Neutralität, das ist unser wichtigster Grundsatz.» Weder Flughäfen noch mächtige Airlines könnten erpresserisch auf den Prozess Einfluss nehmen. Airlines untereinander können zwar Slots tauschen, aber diese nicht kaufen oder verkaufen (anders als etwa in England, wo dies durchaus Usus ist). 

Die magischen Daten für die endgültige Slotvergabe sind der 31. Januar für den Sommer- und der 31. August für den Winterflugplan. Ab dann ist alles fix. Zuvor findet jedoch noch eine für Aussenstehende kurios anmutende Veranstaltung statt: Die IATA Slot Conference. Jedes halbe Jahr treffen sich dort Vertreter von «koordinierten» Flughäfen und Airlines aus aller Welt, um von Angesicht zu Angesicht über die letzten Slot-Wünsche zu verhandeln. Auch Rindlisbacher ist meist dabei. Auf die nächste freut er sich besonders. Sie findet vom 10. bis 12. November auf Sentosa Island in Singapur statt.

Stephanie Günzler