Stohl-Air will mehr Marktnähe (Ausgabe 2006-35)

53 Mitarbeitende, 58 Mio. Umsatz – das Genfer Unternehmen mit Deutschschweizer Chef ist der Leader im Schweizer «TO-Mittelfeld».


Der Hauptsitz von Stohl-Air liegt in den oberen Stockwerken des Einkaufszentrums Signy, oberhalb von Nyon am Genfersee. Zwar arbeiten hier nur acht Personen (sechs Stellenprozente), doch hier schlägt das administrative Herz einer Firmengruppe, die unter den Outgoing Tour Operators der Schweiz ein gewichtiges Wort mitzureden hat.



Stohl-Air ist Dachmarke der Firmen Stohler Tours (Tour Operating Indischer Ozean, Südliches Afrika, Pazifik, Emirate), Stohl-Air Voyages (Ticketshop) und Fantasia (Tour Operating Asien). Das Unternehmen erzielte im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 58 Mio. Franken (Tour Operating/Flugverkauf), was einem leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr entspricht, was mit dem Ausstieg aus mehreren Ethnic-Geschäften im Graumarktbereich erklärt wird.

Mehrheitsaktionär des Firmenkonstrukts ist seit dem Ausstieg von Firmengründer Urs Stohler im Frühjahr Rolf Weber, der 1986 von Europcar/Interrent zum Unternehmen stiess; einen Teil der Aktien hält zudem Stohlers Exfrau Beatrice Stohler. Urs Stohler ist aber nicht ganz ausgeschieden: Er ist weiterhin in beratender Funktion für das Unternehmen tätig, leitet Projekte wie Golfreisen und tüftelt neue Geschäftsideen aus.



Während die Produktion und Reservation (25 Personen) in Genf, nahe dem Flughafen, untergebracht sind, gibt es in Lausanne (6 Personen) und Zürich (11 Personen) weitere «Profit Center». Dass das Büro Zürich, wo jüngst etwas Personal reduziert wurde, dereinst geschlossen werden könnte, dementiert Weber vehement: «Wir brauchen den Standort Zürich, weil wir nahe am Markt operieren wollen. Der Firmensitz ist zwar in der Romandie, aber es ist für die Wahrnehmung unserer Marken wichtig, in einzelnen Quellmärkten physisch präsent zu sein.» Im Prinzip wäre laut Weber mittelfristig also auch die Eröffnung von Profit Centern in Basel oder Bern denkbar – zumal derzeit der Umsatz von Stohl-Air zu zwei Dritteln in der Romandie und nur zu einem Drittel in der Deutschschweiz generiert wird, was Weber ändern möchte.



Dass Marktnähe in der Deutschschweiz wichtig ist, führt Weber gleich mit einem Beispiel an: «Während die Chikungunya-Krise im Indischen Ozean unser Tour Operating in der Romandie empfindlich traf, gab es in Zürich keine Einbussen. Allgemein gibt es in der Romandie grössere Wellenbewegungen im Buchungsverhalten.»



Im Übrigen wurden zahlreiche Kunden, die nicht mehr nach La Réunion oder Mauritius reisen wollten, einfach nach Dubai umgebucht. Die breite Abstützung von Stohler Tours in Qualitätsmärkten half somit, dass erwähnte Krise das Ergebnis nicht belastete. «Aufgrund unserer Konzentration auf den Indischen Ozean bestand früher ein Klumpenrisiko, das wir durch die Ausweitung des Angebots in die Emirate oder ins Südliche Afrika längst abgefedert haben», erklärt Weber. Die Zielsetzung sei aber noch nicht erreicht: «Wir wollen bei keiner der durch uns angebotenen Destinationen mehr als 25% Marktanteil haben, oder über 25% unseres Angebots von einem Anbieter beziehen», so Weber. Daran wird gearbeitet.



Die Aufnahme neuer Destinationen in die Angebotspalette schliesst Weber somit nicht aus: «Wir untersuchen ständig die Wünsche unserer Stammkunden. Wenn sich bei deren Buchungstrends eine Änderung andeutet, reagieren wir. Doch darf man diesbezüglich vorläufig keine grossen Würfe erwarten.» Änderungen im Marketing ergeben sich aus der 25%-Strategie ebenfalls: «Wir brachten früher viel Budget auf für die Bewerbung weniger Destinationen, vor allem Mauritius, wovon letztlich auch andere Unternehmen profitierten. Wir ziehen das Geschäft nun nicht mehr für alle an, und setzen wieder mehr auf Imagewerbung statt Destinationswerbung.» Dafür wurde ein Zweijahres-Marketingplan erarbeitet.



Jean-Claude Raemy



Stohl-Air setzt auf klassischen Vertrieb

Stohl-Air ist im IT-Bereich gut aufgestellt: Man war unter den ersten Kunden des T.O. Online und des Dynapack, und hat mit Airquest von Amadeus ein leistungsfähiges Nur-Flug-Buchungstool. Dynamic Packaging wird auch den Reisebüros zur Verfügung gestellt. Direktbuchungslösungen auf der Website – die überarbeitet werden soll – sucht man aber vergebens, mit Ausnahme von Links zu Selbstbucher-Sites von Mietwagen und Hotels. «Direktvertrieb gehört nicht in unsere Philosophie», erklärt Rolf Weber, «es ist uns ein Anliegen, unsere Vertriebspartner zu unterstützen, wo es geht. Wir sind im Vertrieb ziemlich konservativ.»



Lediglich SportsLive, der TO für Reisen zu Sportveranstaltungen, fusst primär auf dem Direktgeschäft; ein Sportreisenkatalog ist aber nicht vorgesehen. Die Produkte in den zehn Katalogen (Mauritius, Seychellen, Malediven, Dodo Mauritius, Hochzeitsreisen, Südsee, Südliches Afrika, Emirate, Fantasia, Fantasia Traumstrände) werden grossmehrheitlich über Reisebüros vertrieben.  



JCR





Lehrlingsausbildung – ein Steckenpferd von Stohl-Air

Von 53 Mitarbeitenden sind bei Stohl-Air neun in Ausbildung. Dieses aussergewöhnliche Engagement sieht Rolf Weber nicht nur als Investition in die eigene Zukunft, sondern vor allem als volkswirtschaftlichen Beitrag an die Jugend.



Nach zwei Jahren Ausbildung im Tour Operating und der Tarifierung kommen Lehrlinge in ein eigenes Reisebüro im Einkaufszentrum Signy, beim Head Office, und üben den Verkauf – und zwar nicht nur eigener Produkte. Das System kommt bei den Lernenden gut an: Das Reisebüro funktioniert bereits kostendeckend.  

  

JCR