Studiosus ist mit 2006 zufrieden (Ausgabe 2006-44)

Der europäische Marktführer in Studienreisen wird das 2006 leicht besser als im Vorjahr abschliessen. Er beklagt die Zurückhaltung von Erstkunden.

«Hochgerechnet werden wir dieses Jahr einen Umsatz von 203,750 Millionen Euro erreichen und 91415 Gäste zählen können», dies das Fazit von Peter-Mario Kubsch, dem Chef von Studiosus. «Nachdem es zu Jahresbeginn für uns nicht so gut aussah, konnten wir im Verlauf der Saison aufholen und beim Umsatz 1% zulegen, währenddem die Zahl der Gäste in etwa gleich blieb.» Sehr zufrieden ist man bei Studiosus mit den Schweizer Zahlen. 2006 konnten 2090 Schweizer Kunden (+2,26%) begrüsst werden, die einen Umsatz von rund 10 Mio. Franken (+10,4%) generierten.

In Europa, das nach wie vor bezüglich Gästen an der Spitze steht, konnte ein Zuwachs von 3,8% bei den Kunden erzielt werden. Einbrüche waren für die Türkei (–63% auf 1050 Gäste) und Zypern (–22% auf 1420 Gäste) sowie in Polen (–23% auf 1550 Gäste) zu verzeichnen.

Diese Verluste konnten zu einem Teil durch die seit August 2005 neu aufgelegten Kurzreisen «Kultimer» wett- gemacht werden. Über die Entwicklung der Gästezahlen in islamische Länder und der Fernreisen gibt die untenstehende Box Auskunft. Kubsch abschliessend: «Die Vogelgrippe und die Lage im Nahem Osten haben ein besseres Resultat verhindert.» Unter dem Strich ist das Ergebnis der Firma laut Kubsch «zufriedenstellend», «denn wir haben früh Kapazitäten rausgenommen und kennen keine Last-Minute-Aktionen».

Der Hauptharst der Studiosus-Kunden ist zwischen 45 und 65 Jahre alt (60%),
die Alterklasse der 65+ kommt auf 23%, und die unter 45-Jährigen machen etwa 17% der Kunden aus, von denen rund 60% Repeater sind. «Im Durchschnitt dürften die Kunden knapp unter 55 Jahre alt sein», erklärt Kubsch. Der Durchschnittspreis der Arrangements beläuft sich auf 2300 Euro. Zahlen zu den einzelnen Marken werden seit einiger Zeit nicht spezifiziert, «nachdem dies auch die Grossveranstalter nicht mehr tun.»

Für 2007 ist Kubsch recht zuversichtlich, «vorausgesetzt die politische Grosswetter-Lage verändert sich nicht allzu stark». Er weist auf stabile Preise in Europa, leicht höhere in Südamerika und tiefere in Südafrika hin. Nach wie vor ist man von den 105000 Gästen im Jahr 2000 entfernt, was Kubsch aber nicht als Ausdruck einer gewissen Sättigung interpretiert: «Seit 2001 sind für uns wesentliche Reiseziele wenn nicht ausgefallen, so mindestens eingebrochen, was sich auf die Grundnachfrage auswirkt. Und: Die Sorgen und Ängste der Reisenden sind grösser geworden.»

Kubsch geht davon aus, dass der Studiosus-Stammkunde einfach andere Ziele wählt. Das Problem seien die Erstkunden, denn eigentlich arbeite die Demografie dem Unternehmen ja in die Hände.
Hier will Studiosus künftig den Hebel noch mehr ansetzen, und dieser Gruppe vermehrt Einsteige-Angebote in Europa schmackhaft machen, wie Pressechef Klaus Dietsch bei der Vorstellung der neuen Programme bemerkte.

Peter Kuhn

«Die Veranstalter zerlegen Pauschalen in Web-Häppchen»
Einen Ausblick eigener Art unternahm Peter-Mario Kubsch mit der Schilderung der Zukunft der Pauschalreise aus seiner Sicht: «Es beunruhigt mich, wenn ich sehe, dass grosse Veranstalter die Pauschalreise in Web-gerechte Häppchen zerlegen. Das sind keine Veranstalter mehr. Da wird nur noch von der Kostenkette gesprochen, früher wars wenigstens noch die Wertschöpfungskette. Wo bleibt denn da noch der Sinn und Nutzen einer Pauschalreise?», fragte er sich. 

Die Studiosus-Antwort: Nachdem lange und intensiv an der Verpackung und Produktergänzung und -erweiterung gearbeitet wurde, konzentriert man sich nun auf Inhalte. Kubsch: «Wir tun dies eigentlich schon seit zehn Jahren. Nun aber wollen wir vermehrt nicht nur den Verstand ansprechen, sondern alle fünf Sinne. Wir wollen dem Leben begegnen, Kultur erleben, Entspannung geniessen und Rücksicht nehmen, also willkommene Gäste sein.» Vor allem der Aspekt der Begegnung werde immer wichtiger. «Da erhält unser Gast einen Zusatznutzen, den wir quasi institutionalisieren wollen. Dies ist allerdings ein sehr sensitives Thema, denn auch der Gastgeber muss einen Nutzen daraus ziehen können, sonst funktionierts nicht», ist sich Kubsch der Problematik bewusst. Der Gast wolle vermehrt Authentizität wahrnehmen und Einblick in Lebensgewohnheiten haben. «Und all dies soll nachhaltig sein», fordert Kubsch. Dabei gehe es auch darum, Kontakte zu schaffen, die sich eine Privatperson nicht so schnell erarbeiten könne.

Bei Studiosus besteht nun auf jeder Studienreise minimal eine Möglichkeit, mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, bei Reisen von mehr als zehn Tagen sind es deren zwei.
Gegründet sind diese Einsichten nicht zuletzt auf Ergebnisse der Deutschen Reiseanalyse 2006, wonach 49,2% der Pauschalreisenden den Kontakt zu Einheimischen für besonders wichtig (32%) oder wichtig (17%) halten.

PK