Tunesien: Neues trotz Stillstand (Ausgabe 2016-15)

Die Schweiz-Einreisezahlen nach Tunesien haben sich 2015 fast ­halbiert. Dennoch gibt es Hotel-Investitionspläne.

Es sind schwere Zeiten für Tunesien: Obwohl das Land als Musterbeispiel des Arabischen Frühlings gilt, befindet sich der erhoffte Aufschwung im Tourismus noch in weiter Ferne. Die Terroranschläge auf das Nationalmuseum von Bardo in Tunis und am Strand von Sousse im vergangenen Jahr haben die Branche schwer getroffen. 

Wurden 2014 noch 50237 Einreisen aus der Schweiz in Tunesien verzeichnet, haben sich diese im letzten Jahr fast halbiert – noch 27039 Schweizer besuchten das Land in Nordafrika, wie Boudeir Bouraoui, Direktor des tunesischen Fremdenverkehrsamtes, sagt. 

Bei den Schweizer TOs TUI Suisse, Kuoni Schweiz und Hotelplan Suisse ist das Tunesiengeschäft seit Beginn des Arabischen Frühlings praktisch zum Erliegen gekommen. Nach den Attacken im letzten Jahr gab es nochmals einen Einbruch, «im hohen zweistelligen Prozentbereich», wie Tim Bachmann, Director Touroperating Shorthaul bei Hotelplan Suisse, erzählt.

«Die TOs haben Tunesien in die zweite Schublade gelegt», meint Karl Hochstetter, Geschäftsführer vom Tunesien-Spezialisten Xenotours. Laut offiziellen Meldungen sei das Tunesien-Tourismus-Geschäft um mindestens 50% eingebrochen, sagt er. Allerdings geht er von einer geschönten Zahl aus und vermutet den Einbruch höher. Mittlerweile sucht er selbst Alternativen. «Nach 35 Jahren nur Tunesien baue ich nun andere Destinationen auf.»

Kuoni Schweiz, Hotelplan Suisse sowie TUI Suisse halten ihr Tunesien-Angebot – wenn auch zum Teil reduziert – aufrecht. Werbemassnahmen werden aber keine ergriffen. «Diese würden zum jetzigen Zeitpunkt nichts bringen. Die Nachfrage nach Tunesien lässt sich auch nicht über den Preis stimulieren», so Marcel Schlatter, Mediensprecher bei Kuoni Schweiz. Und Samuel Kuhn, Manager Product & Trading Shorthaul bei TUI Suisse, sagt: «In neue Produkte wird kaum investiert. Mit dem Rückzug der Hotelmarke Riu ist eher das Gegenteil der Fall.» 

Trotzdem gibt es Hotelketten mit Tunesien-Investitionsplänen. Mövenpick plant die Eröffnung des Mövenpick Hotel Les Berges du Lac Tunis für Ende 2016/Anfang 2017, Four Seasons hat in sein erstes Hotel, das im Oktober in Gammarth aufgeht, rund EUR 100 Mio. hineingesteckt. Auch Ritz-Carlton will sein Haus in Karthago in diesem Jahr eröffnen und die Hilton-Gruppe nimmt gleich drei Häuser in Betrieb, nachdem Sheraton ihr einziges Haus vor einigen Jahren übernahm, wie Fremdenverkehrsamt-Direktor Bouraoui mitteilt. «Hotelketten sind natürlich froh, wenn sie leere Hotels zu einem Drittel des Preises kaufen können», erklärt Hochstetter das Phänomen. 

Das Tourismus-Ministerium ergreift verschiedene Massnahmen und setzt die Priorität v.a. auf Sicherheit. Parallel möchte man aber auch auf die Produktevielfalt fokussieren und Tunesien nicht mehr nur als Badeort promoten. «Das ist aber eine alte Diskussion», meint Hochstetter. Im Land wären «herrliche Rundreisen» möglich, sagt er. Der Ex-Präsident Zine Ben Ali habe die Touristen jedoch lieber in All-Inclusive-Resorts gesehen, weshalb die touristische Infrastruktur ausserhalb der Zentren kaum entwickelt sei. 

Dass der Ausnahmezustand bis auf Ende Juni verlängert wurde, hilft dem Geschäft auch nicht gerade, obwohl dieser die Touristen nicht betrifft. 

Jessica Weber