Wachstumstreiber Cruise und der Vertrieb (Ausgabe 2015-49)

Höchste Zeit, um auf’s Schiff aufzuspringen

Auf die zurückhaltende Entwicklung des «regulären» Pauschal- und Individual-Geschäfts haben smarte Reisebüros längst mit einer Steuerung auf Kreuzfahrten reagiert. Denn dieses Feriensegment ist seit Jahren auch in der Schweiz am Wachsen und wird heute da und dort gar als eigentlicher Treiber des Leisure-Marktes bezeichnet. Mit der Kommission lässt’s sich in der Regel leben, denn der (relativ hohe) Package-Preis beinhaltet ja sowohl die Leistungen Transport, Unterkunft und Verpflegung, die zudem in einem Arbeitsschritt gebucht werden. 

Doch jetzt zeichnet sich ein Gegentrend ab, der in den USA längst Einzug gehalten hat und nun auch in Deutschland aufhorchen lässt: Der Anteil direkt online getätigter Cruise-Buchungen auf spezialisierten Portalen und Reederei-Webseiten nimmt laufend zu und soll schon bei gut 20 Prozent liegen. Dies dürfte damit zu tun haben, dass mit der stetig wachsenden Zahl von Kreuzfahrern auch die Zahl der Repeater steigt. Wer zum dritten oder vierten Mal eine Cruise plant, weiss wie der Hase läuft und was er als Nächstes erleben möchte – er wagt eher mal eine direkte Online-Buchung. Zudem wächst eine junge Generation heran, die das Thema unkompliziert angeht und online- resp. mobil-affin tickt. Obwohl die Reedereien unverändert auf die Reisebüros als weitaus wichtigsten Vertriebspartner setzen, müssen sie deshalb alle Verkaufskanäle bedienen.

Ein mögliches Abschmelzen von Cruise-Buchungen im stationären Vertrieb soll nicht dramatisiert werden – vor allem auch, weil sich längst noch nicht jedes Reisebüro überhaupt erst mal mit dem Thema beschäftigt. Dass hier Geschäftsmöglichkeiten brach liegen, belegt die andere Seite der Medaille: Wachstum heisst auch, dass sich stets wieder Einsteiger erstmalig für eine Seereise interessieren – oder überzeugt werden können. Hier liegt das Reisebüro, sofern es über das entsprechende Know-how verfügt, in der Pole-Position. Denn Einsteiger haben viele Fragen: Welches Schiff passt zu mir? Wo ist’s am Schönsten? Werde ich seekrank? Was ist alles inbegriffen, was nicht? Welche Kleider muss ich mitnehmen? Lohnt sich ein Getränkepaket? Gibt’s WLAN an Bord? Solange diese Informationen kompetent und gebündelt im Reisebüro erhältlich sind, wird der Kunde das langwierige Googeln und Vergleichen im Internet sein lassen. 

Beat Eichenberger