Was macht einen Spezialisten zum Leading Specialist? (Ausgabe 2006-38)

Während der African Night von Privat Safaris und Rotunda hat sich Urs Bellmont, Direktor Kuoni Beteiligungen, kürzlich zum Thema «Spezialist in der Reisebranche» geäussert. TRAVEL INSIDE fragt nach.

Herr Bellmont, wieso haben Sie am Workshop von Privat Safaris und Rotunda Tours eine Viertelstunde lang über das Spezialistentum in der Reisebranche gesprochen?
Als Leiter der Tochtergesellschaften von Kuoni – notabene den Spezialisten aus dem Hause Kuoni – fühle ich mich durch die in Gang gekommene Diskussion in höchstem Masse angesprochen und verfolge sie sehr genau. Ich bin zuweilen erstaunt, wer alles sich als Spezialist bezeichnet und auf diesen Zug aufspringen will.

Diese Diskussion ist ja nicht zuletzt von den grossen Veranstaltern angeheizt worden, welche jetzt immer mehr Länder-Kataloge heraus geben. Was zeichnet nach Ihrer Meinung einen Spezialisten denn aus?
Darf ich zuerst sagen, dass es nicht der dicke Katalog ist, der jemanden dazu legitimiert, sich Spezialist zu nennen. Ein ausführlicher Katalog kann allenfalls ein Teil des Spezialistentums sein. Doch viel wichtiger als der Katalog ist das Personal, mit dem ein Reiseveranstalter arbeitet. Im Haus an der     Geroldstrassse 20 befinden sich die Büros von Intens, PSAF und Rotunda. Sie alle beschäftigen Mitarbeitende, die sich ausschliesslich mit jenen Destinationen befassen, welche die einzelnen Marken vertreiben.

Was ist denn bei diesem Personal anders als bei jenem anderer Anbieter?
Unsere Mitarbeitenden haben sich bewusst für einen Spezialisten entschieden, weil sie mit dem «Virus» der angebotenen Destinationen infisziert sind. Da sind Leidenschaft sowie Herzblut drin. Meist bleiben sie deswegen auch länger und sind etwas älter als der Branchendurchschnitt. Und wir legen grossen Wert darauf, dass unsere Mitarbeitenden als Studienreisenbegleitung, als Referenten an Besserwisserkursen, bei Präsentationen, an Kundenanlässen usw. den direkten Kontakt mit den Reisebüros pflegen.

Am Workshop im Zoo haben Sie selbst zwei-, dreimal den Ausdruck «Glaubwürdigkeit» gebraucht …
Dies ist für mich ein absolut zentrales Element. Als spezialisierter Reiseveranstalter müssen wir nicht nur einen glaubwürdigen Katalog herstellen, sondern vor allem dann unsere Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen, wenn Kunden Produkte wünschen, welche wir nicht in unserem Angebot aufführen. «Haben wir nicht» ist eine Antwort, die bei uns tabu ist. Genau so wie «Können wir nicht.» Glaubwürdig sind wir aber auch dadurch, dass eine Anfrage an Rotunda Tours oder Privat Safaris immer von einem Mitglied des entsprechenden Teams beantwortet wird – und wenn einmal alle besetzt sind, wird ein Anruf nicht an die Schwesterfirma weiter geleitet, selbst wenn dort gerade jemand frei sein sollte.

Doch genügt dies, um sich als «The Leading Specialist» zu bezeichnen, wie das Rotunda Tours tut?
Es gehört dazu, ist aber beileibe nicht alles. Rotunda  Tours existiert einerseits seit 35 Jahren und hat in dieser langen Zeit ein enormes Know-how aufgebaut. Und sich ein engmaschiges Beziehungsnetz geschaffen. Da Rotunda seit zwei Jah- ren mit der Kuoni-Tochter Private Safaris South Africa auch vor Ort vertreten ist – mit heute bereits 198 Personen – und in der Schweiz mit einem knapp 200-seitigen Katalog auch das grösste Angebot auflegt, darf sich dieser Reiseveranstalter mit Fug und Recht als führender Spezialist bezeichnen.

Auf dem Katalog von Privat Safaris findet man keinen solchen Hinweis. Ist die Firma, die Sie führen, noch kein «Leading Specialist»?
(schmunzelt) Bestimmt sind wir das. Das «Leading Specialist» gebührt auch Privat Safaris – bei der diesjährigen Katalog-Produktion haben wir aber noch auf diesen Zusatz verzichtet. Privat Safaris ist durch die fast gleichnamige Private Safaris ja bereits seit mehr als 35 Jahren in Ostafrika vertreten. Wir sind definitiv ein «Leading Specialist».

Ist nach Ihrer Meinung nur derjenige Reiseveranstalter ein Spezialist, der auch vor Ort über eine eigene Organisation verfügt?
So absolut würde ich dies nicht formulieren. Sicher ist aber, dass ich einen erhöhten Durchgriff auf das angebotene Produkt habe, wenn ich am angebotenen Ziel mit 46 eigenen Mitarbeitenden und – wie in unserem Fall in Kenia – sogar mit 104 eigenen Fahrzeugen arbeiten kann.

Was für ein Spezialist ist denn der auch schon erwähnte Anbieter Intens?
Andy Zgraggen und sein Team sind mit ihrem Indien-Produkt Spitzenklasse und zu den «Leading Specialists» zu zählen, auch wenn sie dieses Label noch nicht haben. Aber am Beispiel Intens Travel kann ich ebenfalls demonstrieren, was ich unter Glaubwürdigkeit verstehe: Auf dem neuen Programm für China findet sich noch gar kein Hinweis «Best» oder «Leading» – was nicht heisst, dass Intens da weniger gut aufgestellt wäre. Doch weil dieses Produkt eben neu auf den Markt gekommen ist, muss sich Intens Travel – trotz des Vorteils eines chinesischen Product Managers – erst im Markt bewähren, ehe wir dies nach aussen kundtun werden.

Hans-Rudolf Baumann