Wie lange 9 Prozent? (Ausgabe 2006-37)

Jean-Claude Raemy über den neusten Direktanbieter

Einen Viertel des Schweizer Direktanbieter-Umsatzes will sich Coop ITS Travel sichern – und zwar innert drei Jahren, je nach Wachstum dieses Segments. Ein aussichtsvolles Unterfangen?

Möglicherweise. Der Brand Coop ist hierzulande enorm stark. Die orangen Säulen in Coop-, Interdiscount-, Prodega- oder Top-Tip-Filialen werden täglich von Tausenden potenziellen Kunden wahrgenommen. Die Rewe-eigenen Hotels, die man im Katalog findet, sind bereits bei einigen Schweizer TOs buchbar – laut Dietmar Kastner (Rewe) werden schon jetzt jährlich fast 400000 Übernachtungen darin gebucht.

All dies deutet auch darauf hin, dass ein gewisser Marktdruck auf die Reisebüros entstehen wird. Einen solchen wünscht sich ITS Coop Travel unumwunden, denn man will hier keinen eigenen Vertrieb aufbauen, aber gerne von den Hilfeleistungen der Reisebüros profitieren – so lange, bis der erwähnte Marktdruck da ist?

Eine Kommission von 9% winkt den Reisebüros, welche Produkte von ITS Coop Travel verkaufen. Klingt verlockend, selbst bei einem Dossier-Durchschnittspreis von 1660 Franken (zwei Personen pro Dossier, sofern tatsächlich 36000 Pax und 30 Mio. Umsatz erzielt werden). Doch Reisebüros wissen: Nichts ist vergänglicher als Kommissionen. Gut denkbar, dass binnen Jahresfrist, wenn die Marke ITS Coop etabliert ist, keine Kommission mehr bezahlt wird. Die Reisebüros aber aufgrund des Marktdrucks Angebote verkaufen «müssen». Die 9% sind genau 1% mehr, als Direkt Reisen gewährt. Wobei deren Geschäftsführer Urs Tanner angesichts lediglich 6% Vertrieb über die Reisebüros überlegt, diese Zahlung einzustellen. Netto Reisen bezahlte nie Kommissionen, während Vögele bis Ende letztes Jahr 5% Kommission bezahlte und Easy von Januar bis Dezember 2004 ebenfalls 5–7% gewährte. Die drei Letztgenannten zahlen aber keine Kommission mehr, nur noch der Verkauf im Rahmen des Gesamtumsatzes wird honoriert.

Insofern ist das Ziel von Andi Restle (Chef ITS Coop Travel), in der Schweiz «einen geeigneten Mix zwischen Internetverkauf, Telefon-Direktvertrieb und Reisebüro-Vertrieb zu erzielen», wohl scheinheilig. In der Coop-Zeitung steht unmissverständlich: «Suchen Sie Ihre Traumferien im Katalog aus und buchen Sie via Telefon 0800 888 789 oder Internet.» Kaum vorstellbar, dass sich ein Schweizer Reisebüro ein Bein ausreissen wird, um den Kunden vom ITS-Coop-Angebot ab Friedrichshafen mit Air Berlin via Nürnberg nach Funchal, jeweils donnerstags, zu überzeugen.