«Wir müssen das Käsebrötchen zum Erlebnis machen» (Ausgabe 2006-36)

Edelweiss produziert zu 90% für Besitzer Kuoni und hält die gegenwärtige Grösse für optimal. Unternehmenskultur ist wichtig.

Grosse Töne sind bei Edelweiss nicht an der Tagesordnung. Das hat einerseits mit der Aufgabenteilung zwischen Besteller (Besitzerin Kuoni) und Ersteller (Edelweiss Air) zu tun, aber auch mit dem Managementstil von CEO Karl Kistler.

 

Die Aufgabenteilung sieht vor, dass Edelweiss für eine optimale Umsetzung der Flugwünsche von Kuoni zuständig ist. Die Planung der Rotationen liegt in den Händen von Marianne Häuptli (Langstrecken) und Walter Brüllhardt (Kurz- und Mittelstrecken).

 

Brüllhardt: «Ich mache dies nun seit 15 Jahren und jedes Mal ist es wieder eine neue Herausforderung.» Gemeinsam entwickelt man das Produkt, so geschehen bei der Aufwertung der Business Class auf den kommenden Winter. Kistler: «Da können wir zeigen, dass wir uns von der Konkurrenz dadurch abheben wollen, indem wir einfach besser sind.» Dass dies Kunden und Agenten anerkennen, zeigen laut Kistler die fünf goldenen TRAVEL STARs. Diese zieren übrigens nicht das Chefbüro, sondern die Einsatzzentrale im Parterre des Operations-Gebäudes am Flughafen.

 

«Wir haben nicht vor, diesen Standort zu verlassen», fügt Kistler an, auch wenn Swiss Ende Jahr einen guten Teil des Gebäudes räumt, um nach Kloten umzuziehen. «Wir haben den grossen Vorteil, dass wir – auch wenn die rund 20 Mitarbeiter der Administration im 9. Stockwerk arbeiten – alle unter einem Dach sind.

 

Dadurch ergeben sich mehr Synergien. Wie denn Kistler generell viel Wert auf ein gutes Betriebsklima legt. «Eine gute Einsatzplanung ist für die meisten Mitarbeitenden wichtiger als das Salär.» Und diese Planung wird von kompetenten Leuten vorgenommen. Kapitäne teilen Kapitäne ein, Kopis Kopis und so weiter: «Wir leisten uns diesen Aufwand, können so optimal auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden eingehen und diesen die Planung ihres sozialen Lebens vereinfachen.» Viele der Mitarbeitenden am Boden sind auch in der Luft anzutreffen. So fliegen neben dem CEO auch die Inhaber der Stellen Chefpilot, Chef Kabine, Chef-Instruktor, Flight Safety und Quality Manager.



Edelweiss kennt – wie Kuoni und im Gegensatz zu Belair – keine Gesamtarbeitsverträge. «Wir behandeln alle Mitarbeitenden mit gleichen Funktionen gleich und sind bezüglich Salären transparent, schliessen aber Einzelverträge ab, die die individuelle Leistung berücksichtigen.» Anzeigen für die Suche nach Cockpit- und Kabinen-Personal sind nicht nötig. Fürs Cockpit genügt eine mündliche Meldung des Chefpiloten, für die Kabine ein Hinweis auf der Homepage während 14 Tagen. Pro Jahr werden 15 bis 30 Flight Attendants intern ausgebildet, bei den Piloten ist die Fluktuation sehr gering. Eben wurden vier Piloten eingestellt, die alle als Kopis beginnen. Alle vier waren bei Swissair beschäftigt und sind nach dem Grounding ins Ausland gegangen. Nun zieht es sie wieder in die Schweiz zurück. Kistler: «Jeder qualifizierte A320/330-Pilot findet heute eine Stelle.»

 

Mit den drei A320 und dem A330 werden für Kuoni rund 90% der Produktion geflogen. Dabei sind die A320 jährlich rund 9500 Stunden in der Luft, was laut Kistler im Vergleich zu andern Charter-Gesellschaften mit dem selben Flugzeugtyp sehr viel ist. Vor fünf Jahren waren es etwas über 10000 Stunden, aber diese Zeiten werden auch laut Brüllhardt wohl nicht mehr kommen. Zu Zeiten von Balair/ CTA betrugen die Werte noch 2400 bis 2500 Stunden pro Maschine. Von den 126 A330, die bei Charter-Gesellschaften im Einsatz sind, erbringt die EDW-Maschine die meisten Flugstunden pro Jahr. Für Kistler bleibt da nur ein Wermutstropfen: «Auf unserer Homebase, über die wir uns sonst nicht beklagen können, wird der Charter-Verkehr aus politischen Gründen diskriminiert, dürfen doch abends unter keinen Umständen Bewegungen nach 22.30 Uhr durchgeführt werden. Und dies, obwohl unsere A320 mit ihren CFM-Triebwerken rund 40% weniger Schadstoffe ausstossen als vergleichbare Typen.» Allerdings muss Kistler zugestehen, dass Edelweiss noch nie wegen dieser zeitlichen Begrenzung in die Bredouille kam, «aber nur wegen des oft beispiellosen Einsatzes aller Beteiligten».



Sorgen bereitet ihm auch der Kerosinpreis, «aber da sitzen wir alle im selben Boot». Der Kostenanteil des Treibstoffes beträgt gegen 28% und hat im letzten Jahr um rund 45% zugenommen. Im Rahmen der Konzernvorschriften wird gehedged.



Peter Kuhn



Wo liegt die optimale Betriebsgrösse?

Mit der Feststellung, man habe eine gute Betriebsgrösse, lässt Kistler erst gar keine Gedanken auf ein noch engeres Zusammengehen mit andern Schweizer Charter-Unternehmen aufkommen. Alle Grössen hätten Vor- und Nachteile, man habe aber bei Edelweiss den Eindruck, die meisten Sachen richtig gemacht zu haben. Man sei bezüglich Kosten durchaus lean und mit einem LCC vergleichbar. «Unsere Leistung kann oft nicht mit finanziellem Aufwand verbessert werden. So können wir nicht Kaviarbrötchen servieren, aber wir können Käsebrötchen zum Erlebnis machen.» Dieses Credo gelte für die Gestaltung der Serviceleistungen.



PK



Neuer Service ab November

Noch wollen weder Karl Kistler noch Walter Brüllhardt Details verraten, aber eines steht fest: Ab November kommt auf den Flugzeugen der Edelweiss ein neues Servicekonzept zum Tragen. «Keine Revolution, wir erfinden nichts neu, vielmehr geht es um viele kleine Anpassungen, die ein Ziel haben, einen noch mehr individualisierten Service für unsere Passagiere an Bord.»

Laut Brüllhardt kann man den Service auch schlecht beschreiben, «man muss ihn erlebt haben». Für Karl Kistler geht es nicht zuletzt um Leistungen im immateriellen Bereich der Software.  



PK