André Lüthi: «Vielleicht wollte Luc Vuilleumier einen Nadelstich setzen»

Thema Dachverband: Ein Grossteil der Reiseunternehmen könnte Ja sagen, glaubt Lüthi. Jedoch nur wenn man es richtig erklärt, sensibilisiert und finanzierbar macht.
«Persönlichkeiten von STAR und TPA müssten in einem neuen Verband Mitglieder des Vorstands sein!» André Lüthi © TI

André Lüthi, Leiter des Ressort Politik im SRV-Vorstand und Globetrotter-Präsident, reagiert auf die Aussagen von STAR-Präsident Luc Vuilleumier im TRAVEL INSIDE-Interview vom 13. Januar 2022.


André Lüthi, STAR-Präsident Luc Vuilleumier erklärte im Interview mit TRAVEL INSIDE, dass die Zusammenarbeit in der Corona Task Force extrem gut funktionierte. Haben Sie dies auch so wahrgenommen?

Ja! Der SRV lancierte die Taskforce ganz zu Beginn der Pandemie. Die Mitglieder waren Sonja Laborde, Luc Vuilleumier, Max Katz, Walter Kunz und ich. Damals sprachen wir mit dem Fachbereich ‚Tourismus‘ des SECO zwei Mal live in Bern und noch einige Male in einer Telefonkonferenz. Zwar hatte der SRV dabei den Lead, die Zusammenarbeit mit Luc Vuilleumier und Sonja Laborde (Präsidentin TPA) war sehr konstruktiv.

Ich hatte auch danach in anderen Themen einige sehr gute Gespräche mit Sonja Laborde und Luc Vuilleumier.

Luc Vuilleumier ist gegen eine Gründung eines Dachverbands und macht deutlich, dass es aus seiner Sicht mindestens zwei Verbände braucht. Wie sehen Sie das?

Als ich das Interview im TRAVEL INSIDE mit Luc Vuilleumier las, war ich tatsächlich etwas erstaunt. Denn wie gesagt sprachen wir zwei, drei Mal mit ihm in Zusammenhang mit dem Projekt SRV 2022 und ich nahm in diesen Gesprächen seine Zeichen anders wahr, nämlich dass man das anschauen und diskutieren kann und muss.

Am 30.8.2021 wurde die Absichtserklärung bezüglich SRV 2022 von Sonja Laborde, Max E. Katz und Luc Vuilleumier unterzeichnet. Deshalb bin ich über seine Aussage im besagten Interview im TRAVEL INSIDE schon erstaunt. Doch wir  kennen Luc Vuilleumier und wissen, dass er manchmal gerne etwas provoziert… eben Luc…

Jedoch, und das möchte ich betonen, bin ich der Überzeugung, und die Corona-Krise hat dies mehr als verdeutlicht, dass im Speziellen in Zusammenhang mit den Themen Politik und Aus- und Weiterbildung ein einziger Verband der Weg in die Zukunft ist. Den Verbands-Namen könnte man zum Beispiel ja neu diskutieren.

Einerseits können wir damit die Kräfte der Branche bündeln und andererseits, als es um das ‘Eingemachte’, sprich die Härtefallunterstützung und in den letzten vier Monaten um das Testregime bei Rückreise in die Schweiz, ging, war hauptsächlich der SRV aktiv. Walter Kunz operativ mit dem BAG und ich zusammen mit anderen politisch – profitiert vom Erreichten hat aber die gesamte Branche –  und das ist richtig so.  Aber warum dann nicht ein Verband?

Aus dieser Tatsache heraus, und auch weil ich mehrfach von Parlamentariern angesprochen wurde, weshalb die Reisebranche  aus drei Verbänden  besteht, bin ich ein Verfechter der Idee eines einzigen Verbandes, welcher sich primär den Themen ‘Politik’ und ‘Aus- und Weiterbildung’, ‘Rechtsfragen’ und ‘Digitalisierung’ annimmt. Die Pandemie und die Erfahrungen daraus sind jetzt eine Chance, die Zukunft gemeinsam und vor allem solidarisch anzupacken.

Was andere Aktivitäten zum Beispiel von Luc Vuilleumier betrifft, die Kundengeldabsicherung Swiss Travel Security (STS) und die Einkaufsgemeinschaft STAR Enterprises, die können doch unabhängig weiterbestehen.

Mir ist bewusst, dass die Mitgliederbeiträge für den neuen Verband für die jetzigen STAR- und TPA-Mitglieder finanzierbar sein müssen. Aber je mehr Mitglieder der Verband hätte, desto geringer sind die Kosten für die einzelnen Mitglieder – einfach mal eine Milchbuchrechung.

Aus meiner persönlichen Sicht, müssten zum Beispiel Persönlichkeiten von TPA und STAR in einem neuen Verband auch Mitglieder des Vorstands sein. Diese Dinge diskutierte ich auch mit Luc Vuilleumier, denn ich habe mit ihm ein sehr gutes Einvernehmen. Er nahm dies auf, wobei natürlich verständlicherweise die Kosten für die STAR-Mitglieder für ihn ein grosses Thema sind. Doch wenn die Dienstleistungen eines Verbandes stimmen, ist man bereit dafür etwas zu bezahlen.

Luc Vuilleumier unterschrieb gemäss seinen Aussagen die Absichtserklärung nur im Hinblick darauf, eine gemeinsame Ansprechstelle für die Politik zu machen. Sie haben nun wegen der Krise noch mehr Erfahrung mit Bundesbern. Kann so eine Konstellation aus Ihrer Sicht überhaupt nutzbringend funktionieren?

Wir sahen am Anfang der Krise, als wir bei SECO Tourismus waren, dass die Taskforce sehr gut funktionierte. Aber wie bereits erwähnt, mit dem Andauern der Krise kam es zum Thema wirtschaftliche Unterstützung. In diesem Zusammenhang war ich eine Zeit lang oft in der Wandelhalle des Bundeshauses, lobbyierte hier und dort, was mit der ganzen Taskforce schlicht nicht möglich gewesen wäre.

Aus meiner Erfahrung während der Pandemie, muss man gegenüber der Politik als Branche mit einem Verband  auftreten, denn es werden ja noch andere Themen auf uns zukommen wie das CO2-Gesetz, das Pauschalreisegesetz und, wer weiss, auch neue Krisen.

Aus den Aussagen von Luc Vuilleumier ist ein tiefes Misstrauen gegenüber dem SRV herauszulesen. Können Sie dieses Misstrauen nachvollziehen?

Nicht mehr! Jedoch habe ich volles Verständnis und denke, er hatte zur damaligen Zeit den Nerv getroffen. Es hiess damals, der SRV und die grossen Veranstalter seien arrogant, aber heute ist dies anders. Der SRV hat rund 600 Mitglieder, wovon zirka die Hälfte wirklich unabhängig sind. Also, nicht zu Hotelplan, Kuoni oder TUI gehören.

Wir kämpften im Zusammenhang mit den Härtefallgeldern nicht für die Grossen oder nur für die SRV-Mitglieder, sondern für die kleinen Unternehmen der Branche. Darunter waren viele, auch TPA und  STAR-Mitglieder, die Härtefallunterstützung erhielten.

Ändere Verbände, wie beispielsweise derjenige der Veranstaltungs- und Event-Branche, fragten uns, wie wir es schafften, uns so viel Gehör in Bern zu verschaffen. Das konnte nur mit einem Kernteam an der Front und einer tollen Lobbying-Arbeit von vielen Branchenteilnehmern,  und nicht mit einer mehrstimmigen Taskforce funktionieren.

Ich bin sicher, dass Luc Vuilleumier die ganze Thematik erkennt, hier aber vielleicht noch einen Nadelstich setzen wollte. Deshalb hoffe ich, dass wir unter der Leitung des neuen Präsidenten Martin Wittwer mit ihm aufgrund der unterzeichneten Absichtserklärung das Gespräch weiterführen und durch Aufklärung und Sensibilisierung ein Modell erarbeiten können, welches auch für ihn und STAR stimmen wird.

Die andere in der Task Force aktive Partei war die TPA. Diese fusioniert nun mit der TTS zur TPS, einer eigentlichen Einkaufsvereinigung und verabschiedet sich damit aus der Verbandstätigkeit. Somit wäre doch das Thema Dachverband sowieso vom Tisch?

Hierzu müssten Sie eigentlich Sonja Laborde befragen. Mein Eindruck der Gespräche in der Arbeitsgruppe SRV 2022 war, dass Sonja Laborde sehr offen ist und sich vorstellen könnte, in einem grossen Verband mit einer Stimme für die ehemaligen TPA-Westschweizer Mitglieder im Vorstand einzusitzen. Die Einkaufsvereinigungen können und sollen ja auch bleiben.

Die TPA ist bzw. war sehr stark in den Bereichen Umwelt und Soziales. Davon könnte ein grosser Verband profitieren, und damit auch wieder der Sprung zu STAR bzw. zu Luc Vuilleumier, der sich als Vertreter der Retailer sieht. So könnte er doch in einer neuen Verbands-Organisation das ‘Ressort Retailer’ übernehmen, was es ja früher im SRV unter der Leitung von René Loosli schon einmal gab….

Wichtig im Rahmen dieses neuen Projekts ist Fairplay unter den einzelnen Akteuren und die Finanzierbarkeit, auch für die heutigen Mitglieder von STAR und TPA bzw. TPS.
Deshalb bin ich auch überzeugt, dass dies eine gute, zukunftsgerichtete und tragfähige Vision ist. Aber vielleicht bin ein ewiger Träumer….

Die Frage ist doch, ob sich die TPS entsprechend engagieren will? Letztlich ist es eine Einkaufsvereinigung mit Mitgliedern, wovon einige im SRV sind und andere, insbesondere auch ex-TPA-Mitglieder, nicht.

Mein Wunsch ist ein Verband, zu dem jedes Schweizer Reiseunternehmen, ob gross oder klein, Deutschschweiz oder Westschweiz, sagt ‘ja das macht Sinn’. Er vertritt uns gegenüber der Politik, organisiert die Ausbildung etc., und deshalb mach ich da mit und zahle meinen Jahresbeitrag, auch aus Solidarität. Die Exponenten der Reisebranche lernte ich als recht vernünftige Menschen und Unternehmer kennen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass ein Grossteil der Reiseunternehmen ja zu einem solchen Verband sagen könnte, wenn man dies richtig erklärt, sensibilisiert und vor allem finanzierbar macht.

Die Branche muss heute realisiert haben, zu was der Verband und dessen Exponenten fähig sind und welche Erfolge diese gegenüber der Politik und Behörden erzielten. In einem neuen Verband gäbe es neue einen neuen Vorstand, dessen Mitglieder nach deren Fähigkeit ausgewählt werden müssten. Sonja Laborde ist in den Themen Umwelt und Soziales daheim, Luc Vuilleumier im Retail, andere fähige Unternehmer würden die anderen Ressorts führen.

Da müsste doch jeder Unternehmer, SRV-Mitglied oder nicht, anerkennen, dass er von der Verbandsarbeit profitiert, weshalb ich sogar das Gefühl habe, das manch kleineres Unternehmen, vorausgesetzt die Finanzierbarkeit stimmt, sich zur Mitgliedschaft entscheiden würde.

Die Reisebranche hat gegenüber Politik und Behörden sehr viel erreicht, nach dem sie ja vor der Pandemie kaum wahrgenommen wurde. Was waren die wichtigsten Erfolgsfaktoren?

Ich glaube wir hatten vor allem auch Glück. Ein Faktor war sicher, dass ich schon 2020 mit Nationalrat Andreas Aebi Kontakt hatte, als er noch gar nicht Nationalratspräsident war. Als die Krise los ging, merkten wir im Vorstand des SRV, dass wir aktiv werden müssen. Ich sagte dann, dass ich Kontakte zu Parlamentariern hätte, unter anderem zu Andreas Aebi.

Der wichtigste Erfolgsfaktor war, dass wir auf breiter Ebene, von links bis rechts, fair spielten. So war ich beispielsweise in einem Gespräch in der Wandelhalle des Bundeshauses mit zwei Politikern der SVP und zwei der SP und konnte diese für unsere Problematik sensibilisieren und gewinnen.

Die Parlamentarier argumentierten immer, dass es ja die Kurzarbeit gäbe. Der Schlüssel war zu erklären, dass die Reisebranche trotz enormen Umsatzeinbrüchen gar nicht voll und ganz profitieren konnte, weil sie voll beschäftigt mit Umbuchen, Annullieren und Bewältigen der Auswirkungen der Pandemie auf ihre Kunden ist. Die schon beinahe Mantra mässige Erklärung dieses Punkts und der Abhängigkeit nicht nur von den Massnahmen der Schweiz, sondern auch von denjenigen der Reiseländer weltweit, war einer der wichtigsten Faktoren. Türöffner für vieles war aber tatsächlich Nationalratspräsident Andreas Aebi.

Wir blieben dran, und im Vergleich zu anderen Branchen, ohne eine konkret nennen zu wollen, beschwerten und beklagen wir uns nicht nur, sondern haben uns auch viele Male bedankt. Das war auch ein wichtiger Punkt. Es war auch so, dass uns die Ämter wie beispielswiese das BAG, vor einem Bundesratsentscheid telefonisch konsultierten und nach unserer Meinung fragten, beispielsweise in der Angelegenheit der PCR-Tests bei Rückreise in die Schweiz.

Wie schätzen Sie Wichtigkeit der persönlichen Aktivitäten der einzelnen Mitglieder bzw. Unternehmer gegenüber der und die Kontakte derselben zur Politik für diesen Erfolg ein?

Diese finde ich beinahe wichtiger, als mit einer Taskforce aufzutreten. Wir hatten ja, unter anderem auch in Zusammenarbeit mit TRAVEL INSIDE im August 2020 einen Aufruf gemacht, dass die Branchenteilnehmer Lobbying bei ihren Parlamentariern betreiben. Das war sehr erfolgreich und zeigt auch im Vergleich zu anderen Branchen, was dies bewirken kann. Nur um einige Beispiele zu nennen: Eine Birgit Sleegers oder ein Roger Geissberger und viele viele andere mehr  – wie auch die kantonalen Task Forces und die SRV-Geschäftsstelle haben eine tollen Job gemacht. Danke im Namen der ganzen Branche!

(Interview: Hans-Peter Brasser)