«Bringt Corona das Ende des Massentourismus?»

INSIDER-KOLUMNE von Peter Baumgartner. Er war für Swissair, Swiss und als CEO für Etihad Airways tätig, zuletzt in der Funktion eines Senior Strategic Advisor Etihad Aviation Group.

von Peter Baumgartner

«Die Corona-Pandemie hat die Städte leer gefegt, die Natur konnte sich vielerorts erholen, die sonst von Touristen bevölkerten Plätze, Strände, Strassen und Gewässer haben sich beruhigt. Luftgrenzwerte wurden wieder eingehalten und die Klimaziele schienen plötzlich doch noch in greifbare Nähe zu rücken. Jetzt, wo Grenzen schrittweise Land für Land wieder geöffnet werden und die Sommerferien vor der Tür stehen, stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?

Kehren wir zurück zum Massentourismus, zu Gruppenreisen durch Europas Hauptstädte und Sauftouren nach Mallorca? Hat die Tourismusbranche nun nicht die einmalige Chance, den Tourismus neu zu erfinden – in der Tendenz weg von Menschenmassen und Billigreisen, hin zu qualitativ hochwertigen Angeboten für alle Preisklassen? Die Politik würde es freuen: Das Reisen würde mit behördlicher Klimapolitik in Einklang gebracht, so wie die diese Woche verabschiedete Flugticketabgabe. Letzteres betrachte ich übrigens als ein Unsinn im groben Widerspruch zur kürzlichen Rettung der Airlines. Zumindest ist der gewählte Zeitpunkt sehr fragwürdig. Unfug zu Lasten des Steuerzahlers kennt wohl keinen ‘Lockdown’.

Aber: Auch wenn das Zeitfenster für eine solche Transformation wohl einmalig ist, wird das wirklich passieren? Denn: Für viele Unternehmen in der Reisebranche wird es wohl ein Kampf ums Überleben werden – da bleibt wenig Platz für nachhaltigere Angebote. Die Fluggesellschaften werden ihre Flugzeuge und die Hotels ihre Zimmer füllen müssen, um überleben zu können. Auch die Reisegäste selbst sind in einer neuen Situation. Viele haben während der Corona-Pandemie Lohneinbussen hinnehmen müssen, vielleicht den Arbeitsplatz verloren und können sich teurere Reisen nicht leisten – wollen aber vielleicht doch nicht auf Sonne und Meer verzichten. Wird dieser Sommer also erst recht zum Preiskampf am überfüllten Strand?

Mein Fazit: Sorgt Corona für «eine bessere Welt»? Vielleicht. Jedenfalls besteht jetzt eine Chance, dem Markt disruptiv zu begegnen. Für die Reisebranche bedeutet dies eine Chance, sich von einer übergrossen, ja gar fahrlässigen Abhängigkeit von der Masse einer höchst volatilen Nachfrage zu befreien. Das dies immer noch so ist, zeigten die Krisen der jüngeren Geschichte immer wieder auf. Das neue Gleichgewicht liegt dabei wohl wie so oft irgendwo in der Mitte. Wer trifft den Nerv der Zeit am besten?»


FEEDBACK von Hans Wiesner hier