Cornelia Gemperle, wie haben Sie die Pandemie bisher erlebt?
Wir gingen Ende Februar 2020 bereits in Kurzarbeit, dann häuften sich all die Annullationen der Reedereien. Dies hatte massenhaft Anfragen der Kunden zur Folge, die natürlich wissen wollten, wie es weitergeht – und damit auch Rückfragen bei den Reedereien. Diese boten den Kunden attraktive Future Cruise Credits an um sie bei der Stange zu halten, was sehr viele Umbuchungen zur Folge hatte, die es wiederum zu bearbeiten gab. So konnten wir aber 70 bis 80 Prozent der Buchungen behalten, was jedoch einen gewaltigen Arbeitsaufwand erforderte.
Hat sich dieses Thema inzwischen beruhigt?
Da die Reedereien heute realistischer planen als zuvor, gibt es wesentlich weniger Absagen. Kreuzfahrten werden aber eher langfristig gebucht, deshalb hat uns das Thema über die Monate immer wieder beschäftigt – auch heute noch: So ging es zuletzt etwa um die Weltreisen, die auch für 2022 fast durchwegs abgesagt wurden. Zudem gibt es inzwischen immer mehr Kunden, die vielleicht schon ein-, zweimal umgebucht haben und sich nun überlegen, ob sie das ein weiteres Mal tun wollen oder nicht lieber stornieren und abwarten, bis sich die Lage effektiv entspannt hat.
Man hörte auch, dass sich die Reedereien bei Stornierungen zum Teil sehr viel Zeit liessen, um die Gelder zurückzuerstatten.
Das war bei einigen Reedereien im letzten Jahr tatsächlich der Fall. Oft dauerte es mehrere Monate, bis wir die Rückerstattungen erhielten – noch heute warte ich ganz vereinzelt auf Zahlungen. Kuoni Cruises hat den Kunden die Gelder umgehend zurückerstattet und somit für die Reedereien Bank gespielt. Natürlich ist mir bewusst, dass die Reedereien auf Grund der vielen Stornierungen innert kurzer Zeit viel Geld zurückerstatten mussten, was mit viel Aufwand verbunden war. Das hat sich inzwischen aber eingependelt, weil es nicht mehr so viele gehäufte Stornierungen gibt wie zuvor und sich die Kassen der Reedereien durch die Neubuchungen wieder füllen.
Wird dieser ganze Mehr- und Zusatzaufwand im Vertrieb von den Reedereien in irgendeiner Form entschädigt oder honoriert?
Für die meisten Reedereien haben wir gratis gearbeitet, und wir haben diesen Aufwand auch nicht dem Reisebüro, respektive dem Kunden verrechnet. Das wäre in unserer Branche zwar durchaus möglich und angebracht, doch wir haben uns in dieser aussergewöhnlichen Situation dafür entschieden, solche Mehrleistungen als Dienst am Kunden abzubuchen in der Hoffnung, dass er uns treu bleibt. Einige Reedereien honorierten Umbuchungen mit einem kleinen Kickback, zeigten aber vor allem den Kunden gegenüber mit ihren Future Cruise Credits viel Goodwill, was letztlich auch uns zu Gute kommt, denn so konnten wir die Kunden halten.
Ist diese Entschädigungs-Situation für Sie nachvollziehbar oder ärgerlich?
Nun, derzeit mangelt es überall an Geld und alle sind vor allem froh, dass man wieder Kunden für Seereisen gewinnen kann. Deshalb unterstützt man sich in der Branche gegenseitig und verzichtet auch einmal auf etwas. Was mich eher ärgert sind die gelegentlich sehr kurzfristigen Absagen von Fahrten, bei denen man schon lange voraussehen konnte, dass sie kaum möglich sein werden und trotzdem noch von den Reedereien gepusht werden. Solches unterstütze ich nicht.
Wie hat sich eigentlich der Personalbestand von Kuoni Cruises in der Pandemie und im Vergleich zum letzten Boomjahr 2019 verändert?
2019 waren noch 21 Mitarbeitende in unserer Abteilung beschäftigt, heute sind es noch 12,4 FTE. Dies hat aber auch stark damit zu tun, dass wir das Volumen-Geschäft der vier grossen Reedereien MSC Cruises, Costa Cruises, Aida Cruises und TUI Cruises an die Reisebüros übergeben haben, welche deren bekannten und ‘einfachen’ Produkte nun selber buchen. Dies führte zu einem gewissen Personalabbau, dazu kam in der Krise noch die eine oder andere Kündigung von Mitarbeitenden, die sich neu orientieren wollten. Die Personalplanung ist nach wie vor nicht einfach: Wir sind in Kurzarbeit, aber der Arbeitsaufwand, die Kurzfristigkeit und der tägliche Druck sind immer noch gross.
Und wie hat sich das Verhältnis zwischen Direktverkauf und Vertrieb über die Reisebüros und eigenen Filialen entwickelt?
Der Direktverkauf hat etwas zugenommen, aber nach wie vor sind die Reisebüros und eigenen Filialen der wichtigste Vertriebskanal für uns und macht deutlich über 50 Prozent aus. Dabei hält sich der Eigen- und Fremdvertrieb ungefähr die Waage.
Zurück zum Geschäftsgang: Wie hat sich dieses Restart-Jahr nun konkret entwickelt?
Nachdem bereits im Sommer 2020 erste Schiffe unterwegs waren und wir doch schon gewisse Buchungen generieren konnten, fiel der letzte Winter wegen eines erneuten Lockdowns in vielen Ländern fast gänzlich aus – nur in den Kanaren und im Mittelmeer gab es noch ganz wenige Schiffe. Seit diesem Frühling kehren aber die Reedereien mit immer mehr Schiffen wieder aufs Wasser zurück, und wir konnten vor allem Mittelmeer-Kreuzfahrten verkaufen oder Expeditionen in Nordeuropa, die wieder aufgelegt wurden. Aber das Geschäft ist auch heute noch sehr kurzfristig und es gibt weiterhin vereinzelte Absagen oder Routenänderungen, was für uns Mehrarbeit bedeutet.
Mit welchem Umsatz rechnen Sie nun für das Jahr 2021?
Wir werden dieses Jahr weniger Umsatz erzielen als im letzten Jahr, in dem noch die Reisen im Januar und Februar reinspielten. Für 2021 erwarten wir einen Umsatz, der noch knapp 20 Prozent dem vergleichbaren Wert des letzten guten Jahres 2019 entspricht. Das inzwischen abgegebene Volumengeschäft noch berücksichtigt, wären es rund 10 Prozent. Ja, die Lage ist weiterhin dramatisch. Vielen Kunden ist es schlichtweg noch zu unsicher, sich wieder auf Kreuzfahrtschiffen zu tummeln, und ich befürchte, dass auch 2022 noch ein schwieriges Jahr wird. Dies hängt von der epidemiologischen Lage ab, die sich derzeit eher wieder verschlechtert und Kreuzfahrtinteressierte vom Buchen abhält.
Was können sie für diesen Winter und den Sommer 2022 überhaupt empfehlen?
Im Winter stehen bei uns die Kanaren im Vordergrund, die mit viel Sonne und recht kurzer Fluganreise punkten und wo sich verschiedene Schiffe tummeln. Weil Asien noch nicht offen ist, sind sehr viele Schiffe in der Karibik unterwegs, wo die Abfahrten ab Florida mit der Öffnung der USA nun auch für uns möglich werden. Da kommen nun Buchungen herein, aber der grosse Boom ist es noch nicht. Etwas überrascht bin ich, dass der arabische Golf eher unter den Erwartungen liegt, obwohl doch die Expo in Dubai dieses Routing beflügeln könnte. Kurzfristige Buchungen gibt es für das Mittelmeer, ebenso für Winterfahrten in Nordeuropa, und zum Glück kann die Antarktis-Saison durchgeführt werden. Kreuzfahrten sind inzwischen auch wieder in den Seychellen, im Indischen Ozean und in Südafrika möglich, zudem in Südamerika inklusive Galapagos-Inseln und in Polynesien. Nur in Asien sowie Australien und Neuseeland werden derzeit noch keine internationalen Kreuzfahrtschiffe zugelassen.
Trotzdem haben die Reedereien im nächsten Jahr wieder Asien-Fahrten programmiert.
Nun, auch die Reedereien denken positiv und rechnen damit, dass bis im nächsten Jahr fast die ganze Welt wieder mit Schiffen bereist werden kann. Für uns gilt: Was man buchen kann, das verkaufen wir auch. Natürlich weiss man nie, wie sich die Lage weiter entwickeln wird, aber es hat sich über die letzten Monate auch klar gezeigt, dass Kreuzfahrten dank der rigiden Schutzkonzepte auch in Pandemie-Zeiten sehr wohl möglich und sicher sind. Man wird sehen, wie sich die Angebote der Reedereien in Langstrecken-Revieren entwickeln werden – Kreuzfahrten brauchen etwas länger als reine Destinations-Reisen. Aber für das Mittelmeer und Nordeuropa bin ich zuversichtlich.
Und was ist davon zu halten, dass inzwischen fast überall eine Impfung für Kreuzfahrten verlangt wird?
Ja, fast überall wird nun eine vollständige Impfung verlangt ausser bei der einen oder anderen Familienreederei. Ich frage mich aber, wie lange diese Reedereien noch daran festhalten, denn das 3G-Konzept bedingt oft noch Bubble-Ausflüge, was für viele Kunden nicht ideal ist. Wenn Schiffe mit ausschliesslich geimpften Gästen anlegen, ist an immer mehr Destinationen ein individueller Landgang möglich, was ein wichtiges Argument ist. Zudem fühlen sich gerade ältere Kunden auf einem «geimpften» Schiff sicherer, und viele Reisende sind eh geimpft. Auch wir werden unsere Charterangebote mit einer Impfflicht verknüpfen, was vieles vereinfacht und den Gästen mehr Freiheiten bietet. Umständlicher wird es einzig, wenn Reedereien oder Länder zusätzlich zu einer vollständigen Impfung noch einen vorgängigen PCR-Test verlangen – das wird dann mit Test-Terminen und Fliegerei wieder etwas komplizierter.
Noch ein Blick auf die Preisentwicklung: Werden Kreuzfahrten tendenziell teurer, wie man das eigentlich annehmen müsste?
Die Preise verhalten sich weiterhin recht stabil, im Luxus- und Premiumbereich nur vereinzelt minim höher als 2019. Dass man nun nicht versucht, die zögerliche Nachfrage mit Preisnachlässen anzukurbeln, ist verständlich, denn die Reedereien müssen ja riesige Verluste ausgleichen und haben mit den Schutzmassnahmen, die auch mehr Crew erfordern, zusätzliche Aufwände. Zudem sind die meisten Schiffe noch mit einer geringeren Auslastung unterwegs. Aber auch zu massiven Preiserhöhungen wird es nicht kommen, das lässt der Wettbewerb kaum zu. Im Volumenmarkt mit den grossen Schiffen auf Turnusfahrten ist an gewissen Terminen eher weiterhin mit punktuellen Nachlässen und Aktionen zu rechnen.
(Beat Eichenberger)