Das «Schnipp-Schnapp»-Verfahren

Schiffsreisen-Update: Wie Windstar Cruises mit der bestehenden Flotte zu mehr Kapazitäten kommt und weitere News aus der maritimen Welt.
Die Star Breeze auf der Fincantieri Werft in Palermo. ©zvg
Beat Eichenberger, TRAVEL INSIDE Cruise-Spezialist

Das Vorgehen ist nicht gänzlich neu, aber keineswegs alltäglich: Die amerikanische Reeederei Windstar Cruises lässt derzeit drei ihrer Boutique-Schiffe in der Mitte entzweischneiden und mit einem dazwischen geschobenen neuen Mittelstück verlängern. Die «Operation» wird durch die italienische Fincantieri-Werft in Palermo durchgeführt, die neuen Mittelstücke werden im Werk in Triest gefertigt.

Der ungewöhnliche Auftrag über USD 250 Mio. wurde bereits Ende 2018 erteilt, das erste Schiff, die Star Breeze, gegen Ende 2019 auf diese Weise «gestreckt». Die Corona-Pandemie, die auch eine zeitweilige Einstellung der Werftarbeiten zur Folge hatte, brachte jedoch den ursprünglichen Zeitplan durcheinander: Die Fertigstellung der Star Legend und Star Pride folgt nun in diesem Jahr.

Die Seabourn-Windstar-Connection

Bei den drei Schiffen handelt es sich um ehemalige Einheiten der Luxus-Reederei Seabourn (Seabourn Pride, Legend und Spirit), die zwischen 1988 und 1990 gebaut wurden und mit je 9975 BRZ auf 212 Passagiere ausgelegt sind. Seabourn, ein Tochterunternehmen von Holland America Line, nahm zwischen 2009 und 2011 drei grössere Neubauten für je 450 Passagiere in Dienst (Seabourn Odyssey, Sojourn und Quest) und gab darauf noch zwei weitere neue Einheiten in Auftrag (2016 Seabourn Encore, 2018 Seabourn Ovation). Im Zuge dieser Modernisierung der Flotte wurden deshalb 2014/15 die drei älteren Einheiten an Windstar Cruises verkauft, die zuvor ebenfalls zu HAL gehörte.

Windstar Cruises wurde 1984 in den USA gegründet und 1987/88 von Holland America Line übernommen. Die Nischenreederei wurde mit ihren drei High-Tech-Grossseglern Wind Star, Wind Spirit und Wind Surf (ex-Club Med I) zum Begriff. 2007 verkaufte HAL (resp. Carnival Corporation) Windstar Cruises an Ambassadors International, die aber 2011 Konkurs ging. In der Folge konnte Windstar zum «Schnäppchen-Preis» von USD 39 Mio. von Anschutz Corporation, resp. deren Tochterunternehmen Xanterra übernommen werden, den heutigen Eigentümern.

47 Prozent mehr Kapazitäten

Mit dem Zukauf der drei kleineren Seabourn-Liner verdoppelte sich 2014/15 nicht nur auf einen Schlag die Zahl der Schiffe der Windstar-Flotte, sondern die Reederei lancierte damit nebst ihrem bisherigen Grosssegler-Standbein eine neue Produkte-Linie mit «klassischen» Boutique-Schiffen im Premium-Segment.

Hinter dem Entscheid, nun diese drei Schiffe zu verlängern und mit deutlich mehr Kapazitäten auszustatten, dürfte wohl die Erkenntnis liegen, dass mit einem solchen Schritt im wesentlich von Skaleneffekten getriebenen Cruisegeschäft mehr zu holen ist. Die Schiffe erhalten deshalb ein 26 Meter langes Mittelstück mit 50 zusätzlichen Suiten, eine Massnahme, die letztlich günstiger kommt als ein Neubau.

Bisher waren die drei Schiffe je 134 Meter lang, mit ca. 10’000 BRZ vermessen und auf 212 Passagiere ausgerichtet. Neu sind es nun rund 160 Meter, 13’000 BRZ und 312 Passagiere, mithin eine Kapazitätszunahme um 47 Prozent. Gleichzeitig werden neue, energieeffizientere Schiffsmotoren eingebaut.

Die Schiffe erhalten zudem im Zwischenstück zwei neue Restaurants, nämlich ein «Quadro 44 by Anthony Sparks» und ein «Star Grill by Steven Raichlen». Die Verlängerung wirkt sich auch auf die Pool-Landschaft an Deck, die Spa- und Fitness-Infrastruktur und die Shopping-Vielfalt aus. Im gleichen «Aufwisch» werden sämtliche Suiten mit neuen Bädern ausgestattet.

Wann die drei verlängerten Windstar-Schiffe nun genau in Betrieb gehen, ist wegen der andauernden Pandemie noch ungewiss. Vorgesehen sind derzeit aber nach wie vor ab Juni/Juli nebst Fahrten in der Südsee mit der Wind Spirit und in der Karibik mit der Star Breeze ein breites Mittelmeer- und Nordeuropa-Programm mit der Wind Star und Wind Surf sowie der Star Legend und Star Pride. Mehr Details gibt’s beim Schweiz-Agenten Delphi Reisen.

Auch diese Schiffe wurden verlängert

Tatsächlich ist das «Strecken» von Kreuzfahrtschiffen keine absolute Seltenheit. Erst 2017 wurde die Silver Spirit von Silversea Cruises ebenfalls auf der Fincantieri-Werft in Palermo um 15 Meter verlängert und erhielt 34 zusätzliche Suiten. Gleichzeitig wurde das 2009 erbaute 36’000-BRZ-Schiff umfassend renoviert und mit mehr öffentlichen Räumlichkeiten ausgestattet.

Gleich vier Schiffe liess 2014/15 MSC Cruises für rund 200 Mio. Euro bei Fincantieri in Palermo verlängern: Die vier 60’000-BRZ-Einheiten der ersten, zwischen 2001 und 2004 ausgelieferten Bauserie (Lirica-Klasse: MSC Armonia, Sinfonia, Lirica und Opera) wurden mit einem 24 Meter langen neuen Zwischenstück versehen, das je 194 zusätzliche Kabinen, neue Lounges und einen neuen Wasserpark umfasst. Sie sind nun mit knapp 66’000 BRZ vermessen.

In den letzten 20 Jahren ebenfalls verlängert wurden daneben die Balmoral und Braemer der englischen Fred Olsen Line (beides ehemalige Norwegian-Schiffe): Die beiden Einheiten erhielten 2008 auf der deutschen Blohm+Voss-Werft ein neues 30-Meter-Zwischenstück für 186 zusätzliche Passagiere und 53 Crew-Mitglieder. Und 2005 wurde die Enchantement of the Seas von Royal Caribbean in Rotterdam mit einer neuen 22-Meter-Sektion mit 150 zusätzlichen Kabinen verlängert. Ähnlich vorgegangen wurde 2003 mit der Pride of America von Norwegian.

Beim Blick weiter zurück waren es zwischen Mitte der 1970er-Jahre bis zur Jahrhundertwende rund ein Dutzend weitere Schiffe, die dank einer Verlängerung ihre Kapazitäten erhöhen konnten. Darunter befanden sich mehrere Einheiten von Norwegian Cruise Line, drei Schiffe der einst renommierten Royal Viking Line oder damals bekannte Namen wie die Berlin, die Westerdam oder die Costa Allegra.


Hier weitere, noch nicht gesondert gemeldete News der letzten Tage aus der weiten Welt der Schiffsreisen:

  • MSC und der Lirica-Brand. Am vergangenen Freitag, 12. März, machten Bilder von einem Brand auf der MSC Lirica die Runde in den social media. Das Schiff lag inaktiv («warm layout») im Hafen von Korfu, an Bord befanden sich keine Passagiere. Von den 51 Crew-Mitgliedern wurde niemand verletzt. Das Feuer brach auf einem Rettungsboot auf Deck 6 aus und konnte nach wenigen Stunden gelöscht werden, die Innenräume des Schiffes sollen keinen Schaden erlitten haben.
  • Celestyal startet erst Ende Mai. Die griechische Reederei Celestyal Cruises wollte ab Ende April wieder in See stechen, nun wurde dieser Termin aufgrund der behördlichen Hafenfreigaben um einen Monat auf den 29. Mai verschoben. Der Start ist mit der Celestyal Crystal ab Athen und einwöchigen Aegäis-Fahrten geplant.
  • Royal Caribbean verschiebt Neustart. Nach den Reedereien der Norwegian Cruise Line Holding und den meisten Marken von Carnival Corporation hat nun mit der Royal Caribbean Group das dritte grosse US-Cruise-Konglomerat die Betriebspause um einen weiteren Monat bis Ende Mai verlängert. Dies betrifft die Marken Royal Caribbean International (ausser einzelne Schiffe in Asien), Celebrity Cruises und Silversea Cruises. Ob es aber im Juni ab US-Häfen tatsächlich sachte losgehen wird, ist nach wie vor unsicher. Schon zuvor, nämlich bereits am 8. März, will RCI jedoch mit der brandneuen Odyssey of the Seas und Mittelmeer-Kreuzfahrten ab Haifa für (geimpfte!) Israelis starten.
  • Cunard und die GB-Öffnung. Die englische Reederei hat ihr Programm 2021 massiv zusammengestrichen: Die Annullationen betreffen sämtliche Fahrten der Queen Victoria bis 27. August 2021, der Queen Elizabeth bis 11. Oktober und der Queen Mary 2 bis 12. November. Gleichzeitig plant Cunard aber, diesen Sommer die Queen Elizabeth in britischen Gewässern auf neuen Kurzreisen einzusetzen, vorerst wohl exklusiv für den lokalen Markt. Dies wird voraussichtlich die Regierung ab 17. Mai zulassen, was nun auch andere Reedereien wie P&O Cruises auf den Plan ruft. Grossbritannien ist nach Deutschland der zweitgrösste Cruise-Markt Europas.
  • Crystal lanciert die Bahamas. Die amerikanisch-internationale Luxusreederei Crystal Cruises will ab 3. Juli Kreuzfahrten mit der Crystal Serenity in den Bahamas auflegen. Auf den 16-tägigen Seereisen ab Nassau und Bimini werden ausschliesslich Ziele in den Bahamas angelaufen. Es ist gut möglich, dass die Bahamas noch für weitere Reedereien zum Thema für ihre ersten Fahrten in amerikanischen Gewässern nach dem langen Shutdown werden.
  • Nicko Cruises für Dialyse-Patienten. Die Vasco da Gama, der Neuzugang aus der CMV-Konkursmasse bei Nicko Cruises, erhält in Kooperation mit Diacare eine voll ausgestattete Dialyse-Station. Das Angebot für Dialyse-Patienten gilt für sämtliche Reisen der Vasco da Gama. Derzeit werden in Lissabon die Kabinen und Suiten modernisiert, und das Schiff erhält einen neuen Aussenanstrich. Die Vasco da Gama wird zudem neu mit Marine Gasoil betrieben, erhält zudem einen SCR-Katalysator und ein neues Abwasser-Behandlungssystem.
  • Regent offeriert Landaufenthalte. Noch bis Ende März 2021 bietet die US-internationale Luxusreederei Regent Seven Seas Cruises die Möglichkeit, gewisse Kreuzfahrten vor oder nach der Reise kostenfrei mit einem Landaufenthalt zu ergänzen. Insgesamt stehen 13 Landprogramme bis zu sechs Nächten an exotischen Reisezielen in Afrika, Asien, Australien & Neuseeland und Südamerika zur Wahl. Das Angebot gilt bei 22 Kreuzfahrten zwischen Oktober 2021 und März 2022 auf der Seven Seas Explorer und der Seven Seas Voyager.
  • M’Ocean vertreibt Tradewind. Der deutsche Kreuzfahrt-Spezialist M’Ocean wurde zum Generalagenten für die DACH-Märkte des englischen Anbieters Tradewind ernannt. Tradewind vermarktet im Auftrag der kroatischen Bauwerft Brodosplit den Grosssegler Golden Horizon, ein Neubau, der ursprünglich von Star Clippers in Auftrag gegeben wurde und nach Streitigkeiten von der Werft zurückbehalten wurde. Die Golden Horizon wird als grösstes rahgetakeltes Segelschiff der Welt bezeichnet, ist ein Nachbau der historischen France II und verfügt gar über eine Eisklasse. Die Jungfernfahrt mit 272 Gästen ist für den 1. Juni ab Harwich (GB) geplant.
  • Coral mit neuem Expeditionsschiff. Der australische Expeditionsanbieter Coral Expeditions hat von der Vard-Werft in Vietnam den Neubau Coral Geographer übernommen (120 Pax). Dabei handelt es sich um ein Schwesterschiff der 2019 ausgelieferten Coral Adventurer, das nun am 31. März ab Cairns zu seiner Jungfernfahrt aufbrechen soll.
  • MSC und die neue Virtuosa. Bereits im Februar hat MSC die neue MSC Virtuosa, ein Schwesterschiff der MSC Grandiosa, übernommen. Nun gibt MSC mehr Details zum Neubau bekannt, der ja bis anhin noch nicht mit Gästen unterwegs war. So wird die Virtuosa über fünf Spezialitätenrestaurant, fünf im Reisepreis inkludierte A-la-carte-Restaurants und ein Buffetrestaurant verfügen, zudem über 21 Bars und Lounges. Zwei kulinarische Konzepte sind neu: Das lateinamerikanische Hola! Tacos & Cantina und das Indochine Restaurant mit Fusion-Food.
  • Oceania mit Details zur neuen Vista. Oceania Cruises hat den Namen ihres ersten Neubaus der Allura-Klasse kommuniziert, der bei Fincantieri erbaut wird: Der für 2023 terminierte Cruiseliner wird «Vista» heissen und Platz für 1200 Passagiere bieten. Die Vista soll sich mit einem warmen, einladenden Ambiente auszeichnen, wie erste Skizzen des Grand Dining Rooms bereits aufzeigen. Die Reederei verspricht daneben «einzigartige Premieren» in den Bereichen Gastronomie und Gästeerlebnis. Ein Schwesterschiff ist für 2025 geplant.
  • Princess mit Preisvorteil für 2022. Princess Cruises setzt 2022 gleich fünf Schiffe in Europa ein, darunter auch die neue, erst im Oktober 2020 ausgelieferte Enchanted Princess. Um die Saison zu lancieren, gelten bei Buchung bis 31. März 2021 im Rahmen eines Frühlings-Sale stark reduzierte Preise. Die Sonderraten kommen auch für die übrigen Princess-Seereisen weltweit zur Anwendung. Ein Tipp: Princess wird in der Saison 2021/22 gleich vier Schiffe in Australien/Südpazifik einsetzen.
  • Arosa gibt Buchungen 2022 frei. Die deutsche Arosa Flussschiff hat ihre Reisen für 2022 veröffentlicht und bereits zur Buchung freigegeben. Das Programm sieht mit 13 Premium-Schiffen, darunter dem neuen E-Motion Ship, das ab Frühling 2022 auf dem Rhein zum Einsatz kommt und dank Batteriespeicher emissionsfrei unterwegs ist, insgesamt über 50 verschiedenen Routen in 13 Ländern Europas vor. Ein Schwerpunkt im Jahr 2022 bildet u.a. die «Floride Expo» in Almere (NL), eine der wichtigsten Gartenbauausstellungen der Welt.
  • Plantours plant Grossen Seen im 2022. Die modernisierte Hamburg der deutschen Plantours ist einer der ganz wenigen Cruiseliner, der die Grossen Seen in Kanada und USA befahren kann. Ermöglicht wird dies durch die einfahrbare Kommandobrücke, welche die Passagen durch die 15 engen Schleusen des St. Lorenz Stroms erlaubt. Pünktlich zum Beginn des Indian Summers hat nun Plantours für Herbst 2022 erneut zwei 18-tägige Routen ab Montreal angekündigt. Bereits am 19. Oktober 2021 legt die Hamburg übrigens eine ganz spezielle Reise auf, die in 64 Tagen ab Hamburg in die Antarktis führt.
  • Celebrity kündigt Galapagos 2023 an. Das Galapagos-Programm von Celebrity Cruises mit der neuen Celebrity Flora, der Celebrity Xpedition und der intimen Celebrity Xploration, ist jetzt buchbar. Angeboten werden sechs unterschiedliche Reiserouten im aussergewöhnlichen Naturparadies.
  • Cunard präsentiert Jubiläumsweltreisen 2023. Aus Anlass des 100. Jahrestages der ersten Weltreise eines Cunard-Schiffes (RMS Laconia) legt die Reederei im Januar 2023 ab Hamburg, resp. Southampton zwei grosse Seereisen rund um den Globus auf. 106 Tage ist die Queen Victoria auf einer Weltreise westwärts unterwegs, 103 Tage die Queen Mary auf einer Route ostwärts. Einzelne Segmente sind buchbar, bis 30.11.2021 gibt es Ermässigungen.

(Beat Eichenberger)