Schweizer Reederei übernimmt das grösste europäische Kreuzfahrtschiff

Urbane Metropole auf See und viel Nachhaltigkeit – das ist die neue MSC World Europa. TRAVEL INSIDE war an der Übergabe in St. Nazaire dabei.
Die MSC World Europa in St. Nazaire. ©BE

Eine geschwungene Linie zieht sich wellenförmig hoch über das Schiff dahin, die in der Nacht von weitem wie ein ferner Horizont leuchtet. Die vertikale Bugform fliesst fast nahtlos in einen «windschlüpfrig» wirkenden Vorderaufbau über – das Aussendesign der neuen MSC World Europa ist sichtlich bemüht, trotz der schieren Grösse dem Schiff eine gewisse Beschwingtheit und Leichtigkeit zu vermitteln.

Ein feierlicher Anlass

Am Montag, 24. Oktober, wurde die neue MSC World Europa auf den Chantiers de l’Atlantique in St. Nazaire (F) an die in Genf beheimatete Reederei MSC Cruises übergeben. Ein Anlass, den MSC Cruises mit geladenen Gästen und internationalen Medien jeweils gebührend zu feiern weiss. Die Gründer- und Inhaberfamilie Aponte, die gesamte Führung und Teams der Cruise-Sparte und natürlich auch der Bauwerft zelebrierten das Ereignis, an dem auch per Knopfdruck der erste Stahlschnitt für die MSC World America, der zweiten Einheit der neuen World-Klasse, erfolgte.

Taufe mit Laurent Castaing, Gianluigi Aponte, Taufpatin Elâ Aponte und Kapitän Massa. ©BE

Das Schiff wurde übrigens der Tradition verpflichtet schon vor dem ersten Auslaufen gleich ein erstes Mal getauft: Elâ Aponte, die Gattin von MSC-President Diego Aponte und Schwiegertochter von Firmengründer Gianluigi Aponte, amtete dabei als Taufpatin. Die zweite «Show»-Taufe findet dann am 13. November in Doha (Katar) statt.

«Mit der MSC World Europa, dem grössten Schiff, das je für eine europäische Reederei gebaut wurde, haben wir eine neue Etappe in der Kreuzfahrtindustrie erreicht», sagte Laurent Castaing, General Manager von Chantiers de l’Atlantique. Auf der französischen Werft wurden bis anhin bereits 15 Kreuzfahrtschiffe fünf verschiedener Bauklassen (Lirica, Musica, Fantasia, Meraviglia und jetzt World) für MSC Cruises entwickelt und erbaut.

Das besondere an der MSC World Europa unterstrich Pierfrancesco Vago, Executive Chairman Cruise Division der MSC Group klar und deutlich: «Nachhaltigkeit ist die entscheidende Herausforderung unserer Zeit. Dieses bahnbrechende Schiff stellt die nächste Phase unserer Reise in Richtung emissionsfreien Kreuzfahrtbetrieb dar». Und auch Gianluigi Aponte wies in seiner Dankesrede auf die grosse Bedeutung des ersten Passagierschiffs mit LNG-Antrieb für MSC Cruises wie auch der Bauwerft hin.

Nachhaltigkeit rückt an erste Stelle
Pierfrancesco Vago (l.) und Laurent Castaing. ©BE

Tatsächlich werden die Bestrebungen auf dem Weg zu einer klimafreundlicheren Zukunft von MSC Cruises immer vehementer in den Vordergrund gerückt: Die MSC World Europa ist zwar nicht das allererste LNG-betriebene Schiff der Branche – Vorreiter waren Aida und Costa –, für Pierfrancesco Vago aber das Beste: «Die MSC World Europa ist unserer Meinung nach das Kreuzfahrtschiff mit der weltbesten Leistung in Bezug auf die Emissionen pro Gast», sagte er. Dies wurde von Werft-CEO Laruent Castaing bestätigt.

Flüssigerdgas (LNG) gilt aktuell als umweltfreundlichster Treibstoff und reduziert die für die Luftverschmutzung verantwortlichen Emissionen von Feinstaub, Schwefel- und Stickoxiden weitgehend bis fast gänzlich und den für das Klima relevanten CO₂-Ausstoss um rund 25%. Die Dual-Fuel-Motoren können zusätzlich mit schwefelärmerem Marinegasöl betrieben werden, wobei in diesem Falle ein SCR-Reinigungssystem zur Reduzierung der NOx-Emissionen (Stickoxide) zum Einsatz kommt. Das Schiff verfügt ebenfalls über einen Landstromanschluss, der aber noch längst nicht in jedem Hafen zur Verfügung steht.

Darüber hinaus ist die MSC World Europa mit einer neuartigen Brennstoffzelle (SOFC) ausgestattet, die mit LNG betrieben werden kann. Dabei erzeugt eine 150-Kilowatt-Testanlage mit Hilfe einer elektrochemischen Reaktion Strom und Wärme. Man geht davon aus, dass die SOFC-Technologie den Ausstoss von Treibhausgasen im Vergleich zu LNG-Motoren erheblich reduzieren wird, ohne dabei Stickoxide, Schwefeloxide oder Feinstaube zu produzieren. Und sie wird neben LNG auch mit grünem Methanol, Ammoniak und Wasserstoff kompatibel sein.

In vielen weiteren Bereichen ist Energieeffizienz das zentrale Thema, so etwa mit einer innovativen Rumpfform, die den Widerstand im Wasser minimiert. Intelligente Belüftungs- und Klimatisierungssysteme sind mit Energierückgewinnungskreisläufen kombiniert, neue Datenerfassungssysteme tragen zur Optimierung der betrieblichen Effizienz bei. Wie die Reederei unterstreicht, entsprechen auch die Wasseraufbereitungs- und Abfallmanagementsysteme höchsten Anforderungen.

«Es ist das Ziel von MSC Cruises, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40% zu eliminieren und bis 2050 klimaneutral unterwegs zu sein», erklärte Lindon Coppell, Vice President Sustainability bei MSC Cruises, an einer Präsentation an Bord zum alles dominierenden Thema.

Eine «urbane Metropole» auf See

Die neue MSC World Europa weist eine Bruttoraumzahl von 215’868 BRZ auf und gehört somit nach den inzwischen fünf Einheiten der Oasis-Klasse von RCI (ab 225’280 BRZ) zu den allergrössten Kreuzfahrtschiffen der Welt. Das Schiff ist 333 Meter lang, 47 Meter breit, 68 Meter hoch, weist 22 Passagierdecks auf und kann in 2626 Kabinen und Suiten maximal 6762 Passagiere aufnehmen. Die bisher grössten MSC-Schiffe der Meraviglia-Plus-Klasse, die MSC Virtuosa und MSC Grandiosa, sind mit je 177’000 BRZ vermessen und nehmen maximal 6334 Passagiere auf.

Flaniermeile World-Galleria ©BE

Die Gäste hatten die Möglichkeit, die neue MSC World Europa während eines Übernachtaufenthalts an Bord rund 24 Stunden zu erkunden. Trotz der Grösse des Schiffs findet man sich rasch zurecht: Dominantes und zentrale Element ist die von bisherigen MSC-Schiffen bekannte Galleria, eine lange, elegante und farblich in weiss und silber gehaltene Flaniermeile, wo sich über drei Decks (6, 7, 8) Bars an Restaurants, Shops und Servicestellen reihen. Die eingangs beschriebene Beschwingtheit findet sich hier mit geschwungenen Deko-Strukturen wieder, ein LED-‘Himmel’ sorgt für abwechselndes Ambiente.

Neu auf einem MSC-Schiff gibt es in der World Gallerie im Pub Masters of the Sea eine Mikrobrauerei, wo aus entsalztem Meerwasser hauseigenes MSC-Bier gebraut wird, eine Gin Bar mit über 70 Ginsorten, die Fizz Champagne Bar, die Mixology Bar für ausgefallene Cocktails oder das stimmungsvolle Raj Polo Tea House. Permanent geöffnet ist das neue Luna Park Pizza & Burger, und für Feinschmecker empfiehlt sich das neue Chef’s Garden Kitchen von Niklas Ekstedt, wo eine frische saisonale Küche zelebriert wird.

Insgesamt stehen auf dem Schiff 20 Bars und Lounges und 13 verschiedene Restaurants zur Wahl, Aussenplätze an frischer Luft gibt es allerdings nur in einem sehr beschränkten Rahmen. Dafür kommt das Entertainment mit dem grossen World Theatre, der im hinteren Teil des Schiffes angelegten Panrorama-Lounge und der neuen, multifunktionalen Luna Park Arena in der Galleria nicht zu kurz.

Die spektakuläre Heck-Partie
Spektakuläre Aussenpromenade ©BE

Auf Deck 8 zieht sich von der World-Galleria eine neue, spektakuläre Schiffstruktur weiter, die verblüfft. Hier trennt sich der Schiffsbau Y-förmig in zwei seitliche Kabinen-Trakts, die in der Mitte bis zum Heck eine über 100 Meter lange und sieben Decks hohe Aussenpromenade frei geben. Ein ähnliches, aber noch länger über die Schiffsmitte gezogenes Konzept kennt man bereits von den Oasis-Schiffen. Verschiedene Lokale säumen diese belebte Frischluft-Promenade, die von städtischen Fronten der «Innenkabinen» mit Balkon geprägt ist. Aussenplätze, Strassenmusiker und Unterhaltung werden hier unterwegs für Stimmung sorgen.

Mit dem La Pescaderia entstand auf der Promenade ein neues Meeresfrüchte-Restaurant mit Takeaway, neu ist auch das Kaffeehaus-Konzept Emporium – gar eine Cigar-Lounge findet sich an der Promenade. Alle Blicke auf sich zieht natürlich die dominierende, filigrane Trockenrutsche Venom Drop, die sich über elf Decks geschwungen 74 Meter bis auf die Promenade stürzt.

Lifts führen von der Promenade direkt aufs Deck 18, wo sich über zwei Decks die räumlich unterteilten Buffet-Restaurants befinden. Weiter finden sich oben im hinteren Teil des Schiffes die Zen-Sonnenterrasse mit Pools ‘for adults only’, ein Aquapark mit Wasserrutschen, das äusserst breite Angebot für Kinder und Jugendliche mit verschiedenen Clubs, Locations und Aktivitäten sowie der Gym.

Der grosszügige, zentrale Pool La Plage mit Bars befindet sich in der Mitte des Schiffes, angegliedert ist ein Indoor-Pool. Oben voraus über mehrere Decks ist der MSC Yacht Club angelegt, der allerdings in St. Nazaire nicht zugänglich war. Die Reederei hat als Neuerungen zwei sehr grosszügige Owner’s Suiten angekündigt, neue Duplex-Suiten, Massageräume und ein neu gestaltetes Sonnendeck über zwei Etagen.

Die Standard-Balkonkabine präsentiert sich in korrekter Grösse und klassisch-elegant in Beige- und Brauntönen gehalten mit allem heute zu erwartenden Komfort. An Bord gibt es unter anderem mehr Suiten mit einem eigenen Whirlpool und neue Infinity-Ocean-View Kabinen mit einem Panorama-Schiebefenster, das sich geöffnet in eine Glasbalustrade verwandelt.

Bern-Deck 16 ©BE

Tipp für Insider: Jedes Deck ist zusätzlich zur Deck-Nummer mit einem Städte-Namen versehen. Alle Korridore der Deck sind mit künstlerisch ansprechenden Fotos der entsprechenden Stadt geschmückt. Für Heimweh-Schweizer darf man deshalb eine Kabine auf Deck 16, dem ‘Bern-Deck’, empfehlen.

Im Orient und dann im Mittelmeer

Die MSC World Europa wird in den nächsten Tagen und Wochen (ohne Gäste) nach Katar überführt, wo am 13. November in Doha die ‘offizielle’ Taufe stattfindet. Das Schiff steht danach während der Fussball-WM als schwimmendes Hotel zur Verfügung und nimmt am 20. Dezember eine Winter-Saison im Orient auf. Die einwöchigen Routen führen von Dubai nach Abu Dhabi, zur Insel Sir Bani Yas, Dammam in Saudi Arabien, Doha und zurück nach Dubai.

Am 25. März 2023 verlässt die MSC World Europa Dubai und nimmt Kurs auf das Mittelmeer, wo sie im Sommer 2023 einwöchige Kreuzfahrten mit Genua, Neapel. Messina, Valletta, Barcelona und Marseille auflegt.

Beat Eichenberger, St. Nazaire