Deutsche Reisebranche sieht schwarz für 2021

DRV-Präsident Norbert Fiebig sieht keine Trendwende. TRAVEL INSIDE Deutschland-Korrespondent Wolfram Marx berichtet von der Jahrestagung.
DRV-Präsident Norbert Fiebig. © DRV/Wyrwa

Der Deutsche Reiseverband (DRV) sieht die deutsche Reiseindustrie vor einem weiteren schweren Jahr. «Wir haben für 2021 keine guten Nachrichten, eine Trendwende gibt es nicht», stellte DRV-Präsident Norbert Fiebig auf der virtuellen Jahrestagung des Verbands am Dienstag klar.

Der Umsatz bei Veranstalterreisen lag nach den Zahlen von Travel Data + Analytics (TDA) in diesem Jahr 67% niedriger als 2019. «Wir müssen das Geschäft möglichst bald wieder aufnehmen, dafür benötigen wir aber gute Rahmenbedingungen», so Fiebig. Da sieht er besonders die Politik gefordert. Es sei eine klare Strategie erforderlich, um die Unsicherheit der Verbraucher zu senken. Eine Wiederholung des Zickzack-Kurses wie in diesem Jahr beispielsweise bei den Testeinrichtungen an den Flughäfen, die erst auf-, dann wieder abgebaut wurden, dürfe es nicht noch einmal geben.

Die Quarantänebestimmungen seien ein «absoluter Killer», sie entsprächen quasi einem Reiseverbot und müssten unbedingt beendet werden. Für rund 75% der Unternehmen sind die Quarantänemassnahmen und ihre Durchsetzung verantwortlich für ausbleibende Reisebuchungen, lautet ein Ergebnis des DRV-Branchenchecks. Dazu seien auch noch die Appelle der Regierung gekommen, auf Reisen zu verzichten. Hier setzt auch Thomas Bösl, Geschäftsführer von RTK und Reiseland, an: «Die Politiker sollen Reisen nicht weiter ins Abseits stellen. Reisen sind nicht schlecht.» Beide wollen klare Konzepte von der politischen Seite. «Sie sollen Safe Corridors einrichten. Um den Neustart vorzubereiten sind verlässliche Bedingungen erforderlich. Die Branche hat ihre Beiträge mit Hygienekonzepten und anderen Massnahmen geleistet», erklärt Fiebig.

Je mehr Tests, desto mehr Sicherheit

Das kommende Jahr werde noch sehr stark von den schwierigen Bedingungen bestimmt  ablaufen. Der Impfstoff könne die Entwicklung begünstigen, so Fiebig, aber durch dessen Einsatz werde sich der Schalter nicht sofort umlegen. Es bleibe abzuwarten, wie das Vakzin anschlägt und wie sich der Verbrauch entwickelt und abgedeckt werden kann.

Parallel dazu müsse es auch eine kluge Teststrategie geben. «Zukünftig sollte es für alle Passagiere vor dem Abflug als Voraussetzung einen Antigen-Schnelltest geben. Je mehr Tests wir haben, desto höher ist die Sicherheit. Schnelltests sind möglich und sie bringen mehr als die Quarantäne.» Ein weiterer entscheidender Faktor seien die konjunkturelle Entwicklung und das Konsumverhalten der Verbraucher.

«Wir sind verhalten positiv für 2021. Es ist deutlich, dass die Wertschätzung von Reisen eher gestiegen ist. Es gibt einen hohen Nachholbedarf, der Wunsch der Kunden nach Urlaub ist da». Möglich seien 50 bis 60% des Umsatzes von 2019, der bei EUR 36 Mia. gelegen habe, sieht der Verbandschef leichte Hoffnungsschimmer. Nach dem Branchencheck des Verbandes rechne die Hälfte der Unternehmen, dass das Geschäft wieder anlaufe.

Griechenland lief am besten

«Es gab nur wenige Länder ohne Einschränkungen, das Buchungsverhalten war sehr zögerlich. Reiseausgaben und Reisedauer sind zurückgegangen, die Buchungsentscheidung erfolgt extrem kurzfristig. Rund 60 Prozent der Septemberreisen wurden erst im September gebucht», bilanziert Fiebig. Im März seien die Buchungseingänge eingestürzt, im Sommer lag das Minus bei 81%.

Beim Blick auf die europäischen Flugziele hat Griechenland mit einem Minus von 55% am besten abgeschnitten, in Spanien betrug es 69%. Für Ägypten (67%), Tunesien (90%) und die Türkei (77%) sind die Rückgänge ebenfalls extrem hoch. Nach den Zahlen von TDA gab es bessere Werte für die Autoziele Deutschland, Österreich, Polen und Italien, wobei keines der Länder das Vorjahresniveau erreicht hat. Thailand kommt mit einem Rückgang von 41% durch den starken vergangenen Winter noch glimpflich davon.

Der Druck der Strasse half

Der Branchencheck des DRV zeichnet ein düsteres Bild. Rund 75% der Unternehmen berichten über Umsatzausfälle von 80 bis 90 Prozent. Rund 95 Prozent der Reisebüros stufen ihre wirtschaftliche Situation als «sehr stark belastet» ein. 3% sehen keine Überlebensperspektive. «Aber es zeigt sich, dass die Unternehmen der Branche kämpfen», so Fiebig.

77% der Reiseveranstalter und 84% der Reisebüros haben die staatlichen Hilfen beantragt. «Die Überbrückungshilfe ist überlebenswichtig», so Fiebig. «Es ist ein gutes Signal, dass die Überbrückungshilfe III von Januar bis Juni 2021 verlängert wird. Die Branche ist auf die Unterstützung angewiesen.» Es sei aber eine Nachjustierung notwendig, denn die Förderung erfolge nicht proportional.

Thomas Bösl und Reisebüro-Inhaberin Vanessa Genter von Fox Touristik sehen es als essentiell an, dass 2019 als Referenzjahr bei der Berechnung der Hilfen angesetzt wird. «Es führt ins Leere, auf entgangene Provisionen und Margen stornierter Reisen zu setzen, denn für den Beginn 2021 hat es praktisch keine Buchungen gegeben», meint Fiebig. Der Staat sei noch mal gefordert, der Verband werde auf die Lücken hinweisen. Geholfen habe aber immer auch der Druck der Strasse mit den diversen Demonstrationen der Reisebüros. «Er ist in der Politik angekommen und war zu begrüssen.»

(Wolfram Marx)