Feedback: «Politische Diskussion loszutreten, könnte ein Reinfall werden»

Der auf Reiserecht spezialisierte Rechtsanwalt Rolf Metz kommentiert die Abstimmungsresultate der TRAVEL INSIDE Umfrage zum Pauschalreisegesetz.

Rolf Metz, Rechtsanwalt und Autor mehrerer Publikationen über das Reiserecht

Rolf Metz ©Massimiliano Bononi

«TRAVEL INSIDE hat eine interessante Umfrage bei seinen Lesern gemacht mit – für einen Juristen – überraschenden Resultaten.

Die Resultate sind so überraschend wie die mehrheitlichen Voten anlässlich der Generalversammlung des Schweizer Reise-Verbandes.

Scheinbar hat die Reisebranche ‘Morgenluft’ geschnuppert, weil in der EU eine Diskussion über die Reiserechtsrichtlinie entbrannt ist. Die Europäische Kommission hat am 29. November 2023 einen Entwurf der überarbeiteten Reiserecht-Richtlinie veröffentlicht.

Der Tenor lautet: ‘Verbesserte Rechte und verbessere Informationen für Reisende’. – Die EU treibt also den Verbraucherschutz weiter voran. Und die Reisebranche hat das Nachsehen.

Dass in der Branche ein gewisser Unmut herrscht, kann nachvollzogen werden. Schliesslich ist das Bundesgesetz über Pauschalreisen ein Konsumentenschutzgesetz. Die Reisenden müssen also gegenüber den Veranstaltern und Reisebüros geschützt werden.

Ein Argument für eine Revision des Pauschalreisegesetzes ist sein «Alter», von 1993, das kann doch nicht modern sein! Wer das Gesetz liest und seine Anwendung durch die Gerichte berücksichtigt, stellt fest, dass die modernen Kommunikationsformen durchaus vom Gesetz erfasst werden.

Selbst die Internetbuchungsportale sind abgedeckt, dazu braucht es kein neues Gesetz. Auch Einzelleistungen wie ‘Nur Flug’, Hotelunterkunft usw. sind rechtlich geregelt, nämlich im Obligationenrecht oder der Spezialgesetzgebung. Da gibt es auch keine Lücke.

Das Pauschalreisegesetz ist eine ‘Minimallösung’ wie das Bundesgericht schon mehrmals betont hat. Und entspricht unserer ‘Handschlagsmentalität’.

Wer einen objektiven Blick in die geltende Reiserechtrichtlinie der EU wirft, wird das Handtuch werfen. All die Informationsvorschriften und zwingend einzuhaltenden Formalitäten usw. entsprechen in keiner Weise der schweizerischen Mentalität und Rechtsanwendung. Selbst Praktiker aus der EU warnen davor, die EU-Reiserechtrichtlinie als Vorbild zu nehmen.

Was könnten Änderungen bringen?

Wir leben im Zeitalter des Konsumentenschutzes (siehe die EU-Gesetzgebung), wir haben eine sozialdemokratische Justizministerin, da wäre eine Verschärfung der Bestimmungen zu Lasten der Reisebranche und in Anlehnung an das EU-Recht durchaus eine Option.

Die Reisebranche hat im Parlament keine grosse Lobby, ob ihre Anliegen genügen gehört würden, ist fraglich. – Und wie das von der EU-Kommission am 29. November 2023 publizierte Papier zeigt, der Konsumentenschutz wird weiter ausgebaut.

Dank der Kulanz der Reiseveranstalter, dem Ombudsman der Schweizer Reisebranche und immer noch vernünftigen (im Vergleich zum Ausland) Reisenden, haben wir in der Schweiz ganz wenige Gerichtsfälle. Wollen wir all dies aufs Spiel setzen, nur um ein ‘modernes’ Reiserecht zu haben?

Einfach eine Diskussion auf der politischen Ebene loszutreten, könnte sich als Reinfall entpuppen und zum gegenteiligen Resultat führen.»

Rolf Metz