Gastkommentar: «Irgendwann nicht mehr genügend Personal im Cockpit»

Aviatik-Journalist und TRAVEL INSIDE Autor Kurt Schaad über den Knatsch zwischen der Swiss und den Piloten.

Die Swiss kündigt den Piloten-GAV. Grosse Aufregung in den Medien. Vor allem in Bezug auf die Staatshilfen, die sozialverträgliche Lösungen verlangen.

Wie immer wird die Suppe nicht so heiss gegessen, wie sie gekocht wird. Und diese Suppe wurde schon mehrfach gekocht – und immer wieder ausgelöffelt. Je nachdem, wer sich am längeren Hebel wähnte, hat schon mehr als einmal den GAV gekündigt. Einmal die Aeropers, ein anderes Mal die Swiss.

Und «Kündigung» kann in diesem Fall auch falsch verstanden werden. Der GAV zwischen der Fluggesellschaft und ihren Piloten läuft bis Ende März 2022. Die Swiss hat kundgetan, dass sie den bestehenden Vertrag ab diesem Datum, mit diesem Inhalt, nicht erneuern werde. Der bestehende GAV läuft also aus.

Nun sind die Zeiten, in denen verhandelt wird, schon etwas speziell. Wie sich das Fluggeschäft in Zukunft entwickeln wird, ist, «dank» Corona, mit so vielen Unsicherheiten wie noch nie behaftet. Die Swiss möchte jetzt schon von den Piloten gewisse Zugeständnisse, um die wahrscheinlich nachhaltigen Folgen von Covid 19 besser abfedern zu können. Und das macht sie sicher auch mit einer langfristigen Perspektive.

Wenn von einer komplexen Sachlage die Rede ist, dann auch deshalb, weil für beide Seiten strategische Überlegungen mit vielen Unsicherheiten verbunden sind.

Die Swiss ist relativ schlank aufgestellt, was sie in den vergangenen Jahren zur Ertragsperle innerhalb des Lufthansakonzerns gemacht hat. Diese Schlankheitskur steht der Lufthansa noch bevor. Dass es ein schmerzhafter Prozess sein wird ist absehbar. Denn die «Billig»-Konkurrenz steht schon in den Startlöchern und wartet nur darauf, den Markt aufmischen zu können. Der Preiskampf ist am Horizont schon sichtbar.

Davon wird auch die Swiss betroffen sein. Als Netzwerk Carrier mit einem Hub in Zürich wird auch sie unter dem Rückgang bei den Langstreckenflügen mit den ertragreichen Geschäftsreisen zu leiden haben.

Mit den Piloten der Edelweiss konnte man sich bereits einigen. Das ist auch einfacher, weil die Edelweiss mit ihren tieferen Kostenstrukturen die «günstigere» Airline innerhalb der LH Group ist. Und natürlich wäre es für die Swiss von Vorteil, wenn sie mit ihren Piloten eine ähnliche Lösung finden würde wie mit denjenigen der Ferienfluggesellschaft. Bei dieser können beispielsweise die Bedarfsspitzen im Cockpit mit Freelancern abgedeckt werden.

Die Swiss hat gerade in diesen Tagen ihre Flüge auf 10 Prozent heruntergefahren. Sollte sie aber ab dem kommenden Sommer ihr Volumen wieder steigern können, hätte sie irgendwann nicht mehr genügend Personal im Cockpit zur Verfügung. Diesen Bedarf mit Freelancern zu bestücken, ist nach jetzigem GAV nicht möglich.

Dass die Swiss hier Zugeständnisse erreichen will, ist nachvollziehbar, dass sich die Pilotengewerkschaft dagegen wehrt wohl auch. Man wird sich wohl oder übel am Verhandlungstisch wiederfinden und irgendwann zu einer Lösung kommen. Die beiden Seiten sind zu stark voneinander abhängig, als dass sich die eine oder andere Seite erlauben könnte, das Tischtuch zu zerschneiden.


Kurt Schaad schreibt diesen Gastkommentar als Aviatik- und Reisejournalist, der auf verschiedenen Ebenen mit der Reisebranche verbunden ist, als Gründer und Leiter des SRF-Wirtschaftsmagazins «Eco», das bei Sendebeginn gleich mit dem Beginn der Finanzkrise konfrontiert war und als Auftritts- und Kommunikationscoach, der auf Management Level arbeitet.