Gastkommentar Ombudsman Franco Muff: «No risk, no fun»

Der Ombudsman über die schwierige Situation mit der Reise-Kundschaft in der Pandemie.

Wir sind im August 2021 angekommen auf einer Reise, die ungefähr im Februar 2020 angefangen hat. Unsere ersten Reaktionen auf die Nachrichten auf Fernost waren verhalten, ein Virus in China? So etwas ähnliches hatten wir doch schon mal erlebt und es hatte sich alles schnell wieder zum Guten gewendet. Allesamt waren wir der Ansicht, wir würden wieder mit einem blauen Auge davonkommen.

Dem Ombudsman ging es nicht anders. Er durfte an einer Treffpunkt Sendung im «Radio SRF 1» Studiogast sein und strahlte dabei grossen Optimismus aus. «Das würden wir im Sommer dann langsam hinter uns lassen.» Der Effekt auf unsere Branche war furchterregend und alle wurden bis an ihre Grenzen belastet und noch immer kreist eine Ungewissheit über uns, wie lange das wohl noch so weitergehen möge.

Für die Ombudsstelle war und ist es eine ebenso herausfordernde Zeit, die viele, neue Erkenntnisse bringt.

Im Verkauf hat man schon immer viel für manchmal wenig gearbeitet. Nun war es aber doch unglaublich, welch grossen Aufwand für Stornierungen und Neubuchungen bewältigt werden musste. Die Mehrarbeit war das eine, der finanzielle Schaden das andere. Als Ombudsman kann ich den Kolleginnen und Kollegen nur gratulieren und meine Anerkennung aussprechen, für deren Verhalten und Durchhaltewillen in dieser schwierigen Phase! Bis auf ein paar wenige Fälle, konnten wir stets auf eine gute Zusammenarbeit zählen, was uns die Arbeit etwas erleichterte.

Das anfänglich fehlende Verständnis für die Situation unserer Branche und das Gejammer der Schweizer Hoteliers waren für den Ombudsman ein grosses Ärgernis. Im Schweizer Fernsehen wurde unermüdlich für Ferien in der Schweiz geworben. Teilweise verständlich, weil bei dieser Art von Tourismus schlussendlich mehr Wertschöpfung in der Schweiz verbleibt.

Dennoch, es war aus meiner Sicht etwas zu viel des Guten. Wie wir alle mehr oder weniger glücklich zur Kenntnis nehmen konnten, hat der unermüdliche Einsatz des SRV und unser aller schlussendlich für die Branche noch Positives gebracht.

Felix Muster, unser Kunde, hat sich in dieser Zeit in verschiedensten Facetten gezeigt. Da war die Konsumentin, welche Flexibilität bewies und sehr lange daran glaubte, noch verreisen zu können. Da war der Reisende, der durch die Umstände und die gesundheitliche Bedrohung vollends eingeschüchtert wurde und sich schleunigst aus jeglicher Verantwortung nehmen wollte.

Augenfällig insgesamt war und ist, dass wir Schweizer ein übersteigertes Sicherheitsgefühl haben, was nicht immer nur positive Folgen mit sich bringt. Ich möchte dies nicht werten, erstaunt es doch am Ende nicht, dass Leute, die in einem grundsätzlich sicheren und gut organisierten Land wie die Schweiz leben, entsprechend reagieren.

Was hingegen negativ zu Buche schlug, war die von einer grossen Anzahl manifestierten, fehlende Risikobereitschaft kombiniert mit oftmals egoistischem Verhalten und fehlendem Verständnis für eine von der Situation gebeutelte Branche. Selbstverständlich musste die Ombudsstelle derweil gewisse Reisebüros über die Folgen der Situation basierend auf dem schweizerischen Gesetz für Pauschalreisen aufmerksam machen, was von diesen teilweise mit Kopfschütteln und Unverständnis quittiert wurde.

Dass allerdings eine grosse Anzahl an Konsumenten in keiner Weise Verständnis aufbringen wollten, dass Reisebüros nicht endlos gratis arbeiten können, war für unsere Stelle eine grosse Enttäuschung und Herausforderung zugleich.

Es wurde mit allen Mitteln um einbezahltes Geld gekämpft. Verhandlungen um Beträge von 50.00 – 150.00 stellten leider keine Seltenheit dar. Eine Dame hat dazu sogar die Zeitschrift «Saldo» ins Schlepptau genommen, welche dann voreingenommen und schlecht recherchiert über die Ombudsstelle gewettert hat. «So what», das hat nichts an unserer Position verändert.

Selbst wenn gesundheitlich angeschlagene Leute mehrere Reisen gebucht hatten, sahen diese nun unter den neuen Bedingungen plötzlich keinen Grund mehr, bei einer selbst verkündeten Stornierung Kosten tragen zu müssen. Es war nun unzumutbar zu reisen und das Argument «vulnerabel» fiel immer wieder. Hierzu mussten durch uns oftmals Dinge klargestellt werden. Konsumenten, welche aus Verängstigung Reisen annullierten, waren daher nun plötzlich Bittsteller, weil sie nicht begreifen wollten, warum ein Ausstieg aus dem Vertrag vor einer Absage einer Reise durch den Anbieter zu Gebühren führen sollte. Oft fehlte schlicht der Mut zum Risiko die weitere Entwicklung abzuwarten.

Interessanterweise hat aber eine stattliche Anzahl an Reisenden den Mut, Flüge zu buchen oder Reisen zu buchen, ohne den Abschluss einer Annullationsversicherung. Am Ende ist dieser Entscheid immer eine Frage des Aufwands. Gewiss lohnt sich der Abschluss einer Versicherung eher weniger für einen Flugschein im Wert von beispielsweise CHF 120.00.

Was hingegen mehr als befremdlich wirkt, ist der Umstand, dass ein Teil dieser Konsumenten im Ernstfall dann keine Bereitschaft zeigt, das Risiko zu tragen und mit diversen Mitteln versucht, das Reisebüro oder die Ombudsstelle dazu zu bringen, eine Kostensenkung herbeizuführen. Die Ansicht der Ombudsstelle ist diesbezüglich klar, hier sollte man kein Entgegenkommen zeigen! Unzählige Selbstbucher im Internet haben ebenso zahlreiche, schlechte Erfahrungen gemacht.

Gerade das Buchen von Flügen über diverse Portale, führte bei den Stornierungen der Flüge durch Airlines zu grossen Frustrationen, bieten diese Portale doch äusserst selten eine Stelle, die sich mit dem Wort «Kundendienst» benennen dürfte. Wenn man dann noch das anfänglich passive Verhalten der Airlines mit einbezieht, ist klar nachvollziehbar zu welchen Szenarien es vor manchem Bildschirm im trauten Heim gekommen ist.

Die Rekordzahl, der durch die Ombudsstelle bearbeiteten Fälle im Jahr 2020 beinhaltet Flugbuchungen über Internetportale selbstverständlich nicht, da wir eine Hilfestellung bei diesbezüglichen Hilferufen klar ausschliessen mussten. Erstens, weil die Bearbeitung nicht unsere Aufgabe gewesen wäre und zweitens, weil wir auch hier der Ansicht sind, dass man das eingegangene Risiko tragen soll.

Wahrscheinlich stimmt die Aussage schon, dass je sicherer ein Land ist, desto tiefer die Risikobereitschaft ausfällt. Allerdings gibt es dennoch erwähnenswerte Ausnahmen wie die nachfolgende. Bei der Miete eines Transporters für gerade einen Tag, hat man vollends auf den Abschluss von Versicherungen verzichtet. Aus Unachtsamkeit oder Unwissen um die Höhe des Fahrzeugs wurde schliesslich das Dach völlig eingedrückt und die Seitenwände ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Für die nachträglich angefallenen Kosten hätte man sich gut und gerne einen Kleinwagen kaufen können. Nicht verwundert hat, dass man versuchen wollte, über uns eine Kostensenkung zu erreichen, was logischerweise zwecklos war.

Was nehmen wir mit aus all diesen Erlebnissen? Konsumenten haben das Recht, gut und zuvorkommend bedient zu werden. Veranstalter und Reisebüros haben sich an das Pauschalreisegesetz und das OR zu halten.

Es wird Konsumenten geben, welche die unbürokratische Hilfe der Reisebüros zum Anlass nehmen werden, inskünftig wieder im Reisebüro zu buchen. Leider fehlt beim Ombudsman allerdings der Glaube, dass dies die Mehrheit sein wird.

Am Ende wird dann doch wieder der Einstiegpreis das Zünglein an der Waage spielen. Die Reisebranche sollte daraus lernen, endlich die seit Jahren diskutierte Gebührenordnung anzugehen damit zumindest immer die geleistete Arbeit entschädigt wird.

(Franco Muff, Ombudsman)