Kuenzle und Roemer: «Wir sind optimistisch!»

Zwei grosse Asien-DMC sehen gedämpftes Licht am Horizont.
Stephan Roemer (l.) und Laurent Kuenzle @ zVg

Werden sich asiatische Länder bald wieder dem internationalen Tourismus öffnen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Welche Auswirkungen hatten die Grenzschliessungen auf die Reiseindustrie, ihre Mitarbeitenden und die touristische Infrastruktur?

TRAVEL INSIDE hat die Schweizer Chefs von zwei der grossen Destination Management Companies (DMC) – mit Sitz in Bangkok und in zahlreichen asiatischen Ländern tätig – zu aktuellen Fragen und zu einem Ausblick für das laufende Jahr befragt:

  • Laurent Kuenzle (CEO Asian Trails)
  • Stephan Roemer (CEO Diethelm Travel)

Wie präsentiert sich die aktuelle Situation in den Ländern in denen Sie tätig sind?

Kuenzle: Südostasiatische Länder und China sind entweder für Touristen geschlossen oder unterliegen Einschränkungen, einschliesslich Quarantäne, die es regulären Touristen derzeit schwierig oder unmöglich machen, in ein Land in Südostasien zu reisen.

Roemer: Mit Ausnahme der Malediven und Sri Lanka sind die restlichen elf Länder wo Diethelm Travel tätig ist für Touristen nicht bereisbar oder eine Einreise nur unter Einschränkungen möglich.

Rechnen Sie in absehbarer Zukunft mit Öffnungen für den Tourismus und wenn ja, für welche Länder/Destinationen?

Kuenzle: Wir gehen derzeit davon aus, dass Singapur und Bali die ersten Destinationen sein werden, die sich für reguläre Touristen öffnen, unter welchen Bedingungen (nur für geimpfte Touristen, innerhalb ausgewiesener Länderblasen usw.) ist jedoch noch nicht klar. Wir hoffen, dass Thailand im dritten Quartal die Reisebeschränkungen für Touristen lockern wird, aber auch hier sind wir uns nicht sicher, unter welchen Bedingungen. Es herrscht Unsicherheit, aber die Provinzregierungen (wie z.B. Phuket in Thailand oder Bali in  Indonesien) üben mehr denn je Druck auf die Zentralregierungen aus, Massnahmen für allgemeine Grenzöffnungen für Touristen zu ergreifen.

Roemer: Ja, wir rechnen mit graduellen Öffnungen. Dafür gibt es auch schon Anzeichen an einigen Destinationen. Namentlich Bali, Singapur und möglicherweise Japan (abhängig ob die Olympiade stattfinden wird) werden Vorreiter sein.

Wie gross ist der bisher durch die Pandemie entstandene Schaden?

Kuenzle: Die Auswirkungen sind dramatisch. Die Ankünfte internationaler Touristen sind seit April 2020 zum Stillstand gekommen. Die Anzahl Kunden von Asian Trails ist um 95% gesunken. Wir haben unsere Belegschaft um 25% und die Gehälter aller Mitarbeiter um 50% reduziert. In Asien sind wir auf unsere eigenen Finanzen angewiesen, wir erhalten praktisch keine Unterstützung von den Regierungen. Wir sind unseren Eigentümern sehr dankbar, die an unsere langfristige Zukunft glauben und uns in der Krise unterstützen.

Roemer: Der Umsatzeinbruch über die gesamte Gruppe betrug 2020 rund 70 % (Januar-März waren die Länder noch geöffnet). 2021 ist der Einbruch nach heutigem Stand bei 94%.

Könnte Asien durch eine zu zögerliche Öffnung Touristen an andere Destinationen verlieren?

Kuenzle: Definitiv Ja. Die Gewinnerziele werden jene sein, die ihre Grenzen ohne Einschränkungen oder limitierteden Restriktionen öffnen, die das Reisen erleichtern, und die in der Lage sind, den wirtschaftlichen Nutzen mit den Vorschriften für den Erhalt der öffentlichen Gesundheit in Einklang zu bringen.

Roemer: Diese Gefahr besteht natürlich. Internationale Touristen zeigen oft Flexibilität bei der Destination, das sieht man im Moment. Einige karibische Staaten, Ostafrika und der Indische Ozean profitieren ganz klar vom zurückhaltenden Regime in Asien.

Wird sich das touristische Angebot und die Nachfrage danach nach Covid von jenem davor unterscheiden?

Kuenzle: Es wird Änderungen geben, aber es ist derzeit schwierig vorherzusehen, wie diese sowie ein Wiedereröffnungsplan im Detail aussehen werden. Im Allgemeinen sind derzeit 70% der Hotels in Asien geschlossen. Viele werden wieder eröffnen, aber es ist nicht klar, unter welchen Bedingungen (Qualität, Preisgestaltung) und ob einige dann auch über die finanziellen Mittel verfügen, um das Geschäft wieder aufzunehmen. Viele Zulieferer haben geschlossen: Restaurants, Bootsbetreiber usw. Es wird zunächst eine geringere Anzahl von Zulieferern geben als vor der Krise. Ich glaube aber auch, dass es viele neue Chancen und Möglichkeiten für neue Unternehmen geben wird und neue Infrastrukturen sehr schnell aufgebaut werden. Das ist Asien: Hier geht alles viel schneller als in anderen Teilen der Welt.

Roemer: Wir gehen davon aus, dass eine Anzahl Leistungsträger nicht mehr existieren werden. Das wissen wir von den Schliessungen von Hotels, Groundings von Airlines und auch von kleineren Nischenanbietern, welche ihr Geschäft eingestellt haben. Wir rechnen, dass der Reisende nach Asien zukünftig noch individueller mit gezielten Anforderungen reisen wird.

Rechnen Sie nach einer Öffnung mit einer relativ raschen Erholung des Tourismus nach Asien?

Kuenzle: Ich glaube an eine schnelle Erholung des Tourismus nach Asien. Nicht im Jahr 2021, aber 2022. Es gibt so viel Nachholbedarf, nicht nur regional sondern auch auf der Langstrecke. Die Menschen haben es satt, zu Hause zu sitzen. Sie  wollen wieder mit Familie und Freunden reisen und die Welt erkunden.

Roemer: Wir würden der asiatischen Bevölkerung eine rasche Erholung wünschen, denn sie leidet in einigen vom Tourismus abhängigen Ländern sehr stark. Realistischerweise rechnen wir mit einer Erholung innerhalb von zwei bis drei Jahren.

Wie stark fliessen Meinungen, Forderungen und Vorschläge von touristischer Seite in die Entscheidungen der Regierungen ein?

Kuenzle: Leider nicht genug. Wir sind der Ansicht, dass es eine Art Graben zwischen vielen Regierungen in Asien und den Realitäten der aktuellen Situation vor Ort und bei den Menschen gibt, und was getan werden sollte für ein besseres Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und der Gesundheit der Bevölkerung. In den meisten Ländern Asiens hatten in den letzten 12 Monaten die Gesundheitsministerien das fast alleinige Sagen und die Entscheidungsbefugnis. Während sie die Ausbreitung des Virus sehr erfolgreich eindämmten und für ihr schnelles und entschlossenes Handeln gelobt werden müssen, hat dies enorme Kosten für die Wirtschaft und den Lebensunterhalt der Menschen verursacht.

Roemer: Diethelm Travel engagiert sich sehr aktiv in einigen Ländern wo wir auch teilweise in Beraterstäbe eingebunden sind. Da die politische Demokratie in Asien noch keinen Stellenwert kennt wie beispielsweise in vielen westlichen Ländern, bleiben politische Entscheide oft autokratisch und kommen oft auch zum unerwarteten Moment.

Über alles gesehen: wie optimistisch sind Sie, was eine Rückkehr des Tourismus nach Asien im laufenden Jahr angeht?

Kuenzle: Ich bin vorsichtig optimistisch. Wir werden 2021 an keinem unserer Reiseziele grosse Touristenzahlen sehen, aber mit einer möglichen Öffnung im dritten Quartal können wir uns auf eine Nischenzahl von Touristen für die kommende Wintersaison und auf reguläre Zahlen im Jahr 2022 freuen.

Roemer: Wir sind optimistisch dass ab Juli eine graduelle Öffnung stattfindet und ab Herbst 2021 eine breite Öffnung Asiens im Tourismus besteht.

(TI)