Neustart in Ungarn mit den wichtigsten Partnern

Nach der Schliessung der Schweizer Vertretung prüft Ungarn eine Wiedereröffnung, auch dank der guten Kaufkraft der Touristen.
Klára Wirth, Leiterin Tourismusentwicklung Deutschland & Österreich, Ungarisches Tourismusamt Visit Hungary. © GA

Letzte Woche fand in Budapest der erste, vom Ungarischen Tourismusamt organisierte Discover Central Europe Networking Day mit anschliessendem Fam Trip durch Ungarn statt. Über 170 Partner aus 15 Nationen sowie die touristischen Vertretungen von Tschechien, Polen und Slowakei waren dabei.

TRAVEL INSIDE Autorin Gabrielle Attinger sprach in Budapest mit Klára Wirth, Leiterin Tourismusentwicklung für Deutschland und Österreich, über diesen Neustart des Tourismus.


Klára Wirth, Sie starten mit einem Networking-Anlass nicht nur für Ungarn, sondern für ganz Mitteleuropa in die Zeit nach der Pandemie. Warum?

Wir arbeiten seit bald 20 Jahren im touristischen Bereich mit den Partnern der Visegrád-Gruppe (V4) zusammen. Wir möchten die ganze mitteleuropäische Region als kulturell reiche und sichere Destination bekannt machen. Momentan hat Ungarn das Präsidium inne. Es ist aber durchaus denkbar, dass dieser Anlass künftig einmal in einem der Partnerländer, in Tschechien, der Slowakei oder Polen stattfinden wird.

Sie sind für die Tourismusentwicklung in Ungarn aus Deutschland und Österreich zuständig. Wo bleibt da die Schweiz?

Gute Frage! Die Schweizer Vertretung wurde ja nach einer strategischen Entscheidung im Jahr 2016 zusammen mit solchen in anderen Ländern geschlossen. Letztes Jahr erschien dann die neue Tourismusentwicklungsstrategie für Ungarn bis 2030. Während der Pandemie wurde diese noch in gewissen Punkten ergänzt und revidiert.

Im internationalen Bereich wurde darin aufgenommen, dass wir unsere Vertretungen im Ausland wieder eröffnen. Im kommenden April und Mai werden wir nun alle Märkte neu evaluieren. Wir werden die Statistiken anschauen, die Kaufkraft, was ein sehr wichtiger Punkt ist im Tourismus, und uns dann im internationalen Bereich neu aufstellen. Da bin ich schon ziemlich optimistisch, was die Schweiz betrifft.

Wie viele Prozent der Ungarn-Reisenden machen denn die Gäste aus der Schweiz aus?

Sie sind nicht unter den Top Ten. Aber ich sehe ein grosses Entwicklungspotential.

Wer gehört zu den Top Ten?

In den letzten zwei Jahren waren es wegen der Pandemie die Nachbarländer. Unser Quellmarkt Nummer 1 ist – wie für viele europäische Länder – Deutschland, gefolgt von unseren Nachbarländern, der Slowakei, Polen, Tschechien, Rumänien und Österreich.

Gibt es einen thematischen Fokus für den Tourismus nach der Pandemie?

Der Wellness- und Gesundheitstourismus liegt immer im Vordergrund, weil wir so viele Heilquellen haben. Die Kurgäste sind auch ein ganz wichtiger Teil des Tourismus, weil sie länger bleiben. Aber natürlich geht es hier in Ungarn nicht nur um Kur und Wellness. Auch das kulturelle Angebot ist sehr stark.

Wir bewerben jetzt die Region Balaton mithilfe des Labels Kulturhauptstadt Europas 2023 als Reiseziel für alle Jahreszeiten. Denn mit Veszprem-Balaton ist erstmals eine ganze Region zur Kulturhauptstadt gewählt worden, also auch die Umgebung von Veszprem, der Plattensee. Im Juli und August ist der See sehr stark von Badegästen besucht. Doch auch rund ums Jahr oder zumindest im Frühling und Herbst ist die Gegend sehr attraktiv. Es gibt Museen, Aktivferienangebote, Radwege, Kinder- und Familienparks.

Gibt es auch geographisch neue Schwerpunkte?

Ja. Mit unserer Strategie 2030 haben wir verschiedene touristische Regionen definiert. Fünf davon liegen im Osten, fünf im Westen des Landes, eine ist rund um Budapest und die Hauptstadt ist ein Reiseziel für sich. Im Osten fehlte die touristische Infrastruktur. In den letzten Jahren wurde jedoch viel darin investiert, in Unterkünfte etc., Nun liegt es an uns, diese Region auch bekannt zu machen.

Wie steht es mit der Weiterentwicklung des Kur- und Wellnesstourismus?

Wir haben bereits ein sehr breites Angebot in diesem Bereich. Die ärztlichen Behandlungen sind auf hohem Niveau. Budapest hat auch viele Schönheitskliniken und die Kurorte im westlichen Teil des Landes sind sehr gut aufgestellt für kleinere Eingriffe. Neu wurden In Hévíz und anderen Heilquellen jetzt auch Behandlungen für die Post- oder Long-Covid-Symptome entwickelt.

Mit welchen Hotelstandards können die Gäste heute rechnen?

Viersternequalität haben wir heute in allen ungarischen Städten. Die Häuser sind auch nach europäischem Standard klassifiziert, nach den Massstäben der Hotel Stars Union. Heute müssen alle Unterkünfte kategorisiert sein, denn sie müssen die Daten melden.

Wir haben vor zwei Jahren ein neues statistisches System eingeführt, eine digitale Datenbank. Dafür melden uns die Hotels nun etwa die Herkunft der Gäste nach Postleitzahl. Die Daten sind anonym, aber wir wissen so, wie viele Gäste z. B. aus der Region Zürich nach Hévíz gekommen sind.

Was ist denn für Sie wichtiger, die Anzahl Gäste zu steigern oder die Dauer ihres Aufenthalts?

Ungarn ist kein Land für Massentourismus. Letztes Jahr hatten wir 29 Millionen Übernachtungen – allerdings mehrheitlich von einheimischen Gästen. Vor Corona waren es 42 Millionen. Unser Ziel mit der Strategie 2030 ist es, 50 Millionen zu erreichen.

Aber generell möchten wir nicht die Anzahl der Touristen, sondern deren Aufenthaltsdauer steigern. Zum Vergleich: Österreich hatte – 150 Millionen Übernachtungen. Dagegen ist das fast gleich grosse Ungarn noch immer ein kleines, feines Reiseziel.

Im Kurtourismus aber ist die Anzahl Übernachtungen pro Gast schon auf einem sehr hohen Niveau.

Das stimmt. Die Aufenthaltsdauer hängt sehr stark davon ab, woher die Gäste kommen. Bei den europäischen Märkten insgesamt können wir aber davon ausgehen, dass sich die Aufenthaltsdauer noch steigern lässt. Auch Budapest ist mit seiner Umgebung eigentlich ein Reiseziel für vier bis fünf Tage.

Wie stark ist der Individualtourismus?

Vor allem von Österreich reisen viele mit dem eigenen Auto oder per Bahn an. Von Deutschland aus kommt die Mehrheit der Gäste aber mit Bussen oder an Bord eines Flussfahrtschiffs nach Ungarn.

Und was sind für Sie persönlich Highlights in Ungarn, die auf jeden Reiseplan gehören?

Ein Geheimtipp ist Ostungarn. Die Weinkeller in Tokaj für eine Weinverkostung aufzusuchen. Den Sonnenuntergang in der Puszta, im Hortobágy Nationalpark zu geniessen. Oder eine Radtour am Theiss-See zu machen.

(Interview: Gabrielle Attinger)