Problemthema Fachkräftemangel: Wie weiter?

Die Touristik muss an ihrem Image feilen und attraktive Job-Pakete schnüren, so die Quintessenz der DRV-Tagung. TRAVEL INSIDE Korrespondent Wolfram Marx berichtet.
©DRV / Marcel Kautz

Erstmals hatte der Deutschen Reiseverband (DRV) die Jahrestagung in diesem Jahr geteilt. Nach der ersten Veranstaltung im Oktober in Berlin, ging es Anfang Dezember für vier Tage nach Taghazout in Marokko.

Diese zweite Runde war dabei geprägt von zwei Themen. Auf der einen Seite drehten sich diverse Beiträge und Workshops um die aktuellen Risiken, Gefahren und Auswirkungen der Klimakrise auf die Touristik und Ansätze und Ideen einer Verbesserung der Nachhaltigkeit der Branche.

Andererseits beschäftigten sich die mehr als 400 Teilnehmer mit den Problemen des Fachkräftemangels und der Gewinnung neuer Mitarbeiter für eine Branche, die derzeit besonders gefordert ist, um das Niveau vor der Corona-Pandemie wieder zu erreichen und langfristig weiter zu entwickeln. Dabei haben sich die beiden Problemstellungen für die Touristik, wie für die gesamte Wirtschaft, durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine weiter verschärft.

Der Fachkräftemangel zieht sich durch die gesamte Branche

Die Reiseindustrie befindet sich mit zahlreichen anderen Branchen in direktem Wettbewerb, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Dabei sind die Unternehmen gefordert, die Attraktivität der Touristik nach aussen aufzuzeigen und Menschen mit entsprechenden Modellen zu Start, Wechsel oder Rückkehr in Reisebüros, zu Veranstaltern oder anderen touristischen Dienstleistern zu motivieren und zu bewegen.

DRV-Präsident Norbert Fiebig ©DRV / Marcel Kautz

Die Problematik zeigt sich nicht bei einzelnen Unternehmen: betroffen vom Fachkräftemangel sind alle Unternehmen der Branche, unabhängig von ihrer Grösse. Alle sind gefordert, diese Lücken zu füllen und die sich nach dem Abflauen der Pandemie ergebenden Wachstumschancen nicht zu verlieren.

Rund 70 Prozent der Unternehmen haben Probleme, die offenen Stellen zu besetzen, merkte DRV-Präsident Norbert Fiebig in seiner Erklärung zur Eröffnung der Veranstaltung an.

«Es ist schwer, Fachkräfte zu finden. Wir müssen progressiv damit umgehen und die Abwanderung verhindern. Wir sind eine Zukunftsbranche» Für 2023 hätten nur 25 Prozent der Reisebüros angekündigt, dass sie ausbilden wollten. «Wir sind im Wandel, wir müssen den jungen Menschen etwas bieten.»

Die Touristik muss an ihrem Image arbeiten

Das Image der Branche wurde immer wieder genannt und kristallisierte sich als eines der entscheidenden Probleme, aber auch als wesentlicher Ansatzpunkt, heraus. Eine der durchgängigen Forderungen war, für den Tourismus ein gutes Image zu schaffen und dabei gute Ausbildungsmöglichkeiten aufzubauen.

Zentral seien Fragen wie die Arbeitsatmosphäre und die Lage des Arbeitsplatzes; sie hätten in der heutigen Situation eine wichtige Bedeutung. Die Perspektiven und die Basis für einen möglichen Karriereweg müssten aufgezeigt werden, die Touristiker müssten verstärkt in Schulen und Hochschulen präsent sein und es sei viel Lobbyarbeit erforderlich. Wichtig sei eine Bedarfsermittlung bei den Berufsanfängern; der direkte Kontakt mit den jungen Arbeitnehmern sei erforderlich.

In jungen Menschen reinversetzen

Im Laufe der Tagung standen für die Teilnehmer diverse Workshops auf dem Programm. Hier konnten sie dann weiter ins Detail gegangen, sich mit Kollegen und Experten austauschen und haben konkret mit einigen der drängendsten und Lösungsansätzen beschäftigt.

Zu den Veranstaltungen gehörte auch die DRV-Netzwerkstatt, die normalerweise als Tagesveranstaltung mit einzelnen Workshops konzipiert ist, die in Marokko in kürzeren Sessions angesetzt war. Ein Themenkomplex beschäftigte sich mit Fragen wie der Gewinnung von Berufseinsteigern.

«Es geht darum, wie wir die Branche attraktiv machen können. Wir müssen uns in junge Menschen reinversetzen und uns ihre Ideen, Ansprüche und Wünsche bewusst machen», erklärte Professor Alexander Dingeldey von der DHBW Ravensburg. «Diverse Studien zeigen, dass die Gen Z mehr Sicherheit erwartet; sie ist nicht mehr so weltoffen», sagte Sophia Krekel von Stepstone. «Wir müssen unsere Branche neu positionieren, denn es gibt ein Imageproblem, das immer wieder auftaucht.»

Einsatz der sozialen Medien zur Motivation der Berufseinsteiger

Dabei tauchte in der Diskussion auch das Argument auf, dass für eine bessere Kommunikation mit den jungen Menschen die sozialen Medien ein wesentliches Element seien. Hier liefe vieles an den Eltern bei der Jobsuche vorbei, die Berufsanfänger könnten aber direkt angesprochen werden.

©DRV / Marcel Kautz

Hier seien auch die Unternehmen gefordert, ihre Chancen zu nutzen, um die möglichen Bewerber anzusprechen und zu erreichen, stellte Michael Schumacher, Brand Partnership Lead – Travel und Finance von Tiktok fest.

«Tiktok ist eine sehr vielfältige Community, 40 Prozent der Nutzer interessieren sich für Recruiting. Sie wollen sich anders bewerben, nicht mehr mit dem traditionellen Bewerbungsschreiben. Die Unternehmen müssen Verständnis dafür zeigen, was die jungen Generationen wahrnehmen und wahrnehmen wollen.»

Die Nutzer erwarteten, dass sich die Unternehmen dort präsentierten, für die Arbeitgeber böten sich sehr relevante Reichweiten. Es gehe um eine authentische Darstellung und einen kreativen Umgang. Dabei müssten die Arbeitgeber auch über neue neue Wege und Ansätze wie den Einsatz von Videos nachdenken.

Pakete abseits der Bezahlung für die Rückkehrer

Als eine weitere Zielgruppe beschäftigten sich die Teilnehmer der Workshops mit den Rückkehrern in die Branche. Hier läge eine besondere Herausforderung für die Touristik, stellte Sandy Horchler von Holiday Extras klar: «Das Recruiting ist nach der Krise besonders schwierig. Wir müssen alle Aspekte betrachten, um die potenziellen Rückkehrer zu motivieren.»

Auch hier sei wieder die Darstellung der Branche ein wesentlicher Faktor. Den Kontakt mit den früheren Mitarbeitenden zu halten, sei nicht einfach, nannte Heike Schatten von MDT Travel Underwriting einen wesentlichen Knackpunkt für die Unternehmer. «Sie kennen die Risiken und die Schwachstellen der Touristik»

Nach Einschätzung der Teilnehmer müsse die Frage im Mittelpunkt stehen, welche Leute auf welches Profil passen und für diese müsse ein entsprechendes Paket geschnürt werden. Den Rückkehrern müsse mehr angeboten werden als nur der Job, dies reiche heute nicht mehr aus. Erforderlich seien flexible Arbeitsmodelle mit einer anderen Struktur der Arbeitszeiten. In den Reisebüros drehe es sich besonders um die Fragen der Arbeit am Samstag. Dies könne schliesslich das Quäntchen bei der Entscheidung für oder gegen den Job sein.

So sollte auch die Arbeit von anderen Standorten als nur dem Büro angeboten und ermöglicht werden. Die Hauptrolle liege nicht mehr bei der Bezahlung, wichtig sei ein attraktives und alle Aspekte umfassendes Gesamtpaket. Es gebe viele Faktoren abseits einer fairen Bezahlung zur Beeinflussung der Mitarbeitenden zur Rückkehr in die Branche.

Wolfram Marx, Taghazout