So soll die Politik die Online-Buchungportale regulieren

Die Komplettreisen-Ankündigung gibt der Forderung nach einer Revision des PRG Aufwind – aber nicht bei allen, wie die letzte Folge der Serie von TRAVEL INSIDE zeigt.
©Shutterstock.com/Aleksandar Todorovic (Montage: TRAVEL INSIDE)

Die Schweizer Reisebüros und TO sehen dem angekündigten Ausbau des Booking-Angebots in Richtung Komplettreisen gelassen entgegen. Doch sie haben eine politische Forderung: Online-Buchungsportale, egal ob von Booking, Expedia oder Airlines sollen grundsätzlich dem Pauschalreisegesetz (PRG) unterstellt werden – genau gleich wie Reisebüros und TO.

Mit seiner Ankündigung begibt sich Booking in einen Graubereich, in dem viele Online-Buchungsportale fischen. Sie bieten mehrere Reisebausteine wie Flug, Hotel, Mietwagen oder auch Transfers und Ausflüge an, und berufen sich auf ihren Status als Vermittler von Einzelleistungen, womit sie nicht dem PRG unterstellt sind.

In der EU ist dieses Vorgehen unter Beschuss. Mit dem Begriff «verbundene Reiseleistungen» will sie dieser Praktik einen Riegel schieben. Zentrale Idee dahinter ist, wie der Kunde die Reisebuchung empfindet – und wenn er es als Komplettangebot sieht, soll er auch über die Pauschalreiserichtlinie geschützt werden.

Begrifflichkeiten aushebeln

Wortklauberei sei das, mit dem Online-Anbieter die Regeln aushebeln, findet Jonas Sulzberger von Sulzberger Reisen. «Booking.com spricht von ganzheitlichen Reisen» – das sei nichts anderes als eine Pauschalreise, ist für ihn klar. «Es kann nicht sein, dass sich booking.com mit anderen Begrifflichkeiten von den Regeln ausbedingt.»

Auch Martin Reber von Schär Reisen denkt, «dass damit Booking.com zum Touroperator wird und zwingend das Schweizer Pauschalreisegesetz befolgen muss. Hier sind Politik und Gesetzgeber gefragt, endlich zu handeln».

«Die gesetzlichen Spiesse müssen alle gleich lang sein, das ist keine Frage», fordert darum Marcel Heggli von Heggli Reisen. Das Pauschalreisegesetz müsse aber auch unabhängig von den neuen Angeboten dringend revidiert werden und auf die heutige Situation mit Micro-Touroperating angepasst werden – «zum Schutze des Kunden, aber auch als Sicherheit für uns Reisebüros gegenüber der TO’s und der Airlines».

Online-Plattformen nutzen Schlupflöcher

Heute ist das PRG löchrig wie ein Emmentalerkäse – und die Schlupflöcher nutzen die Online-Buchungsportale natürlich aus. «Das Gesetz ist veraltet und Airlines aber auch Buchungsplattformen werden nicht in die Pflicht genommen. Dies sollte sich schnellstmöglich ändern», mahnt Tim Bachmann, CEO von Hotelplan Suisse. Er sagt, «unabhängig der Ankündigung von Booking.com sind wir der Meinung, dass das Pauschalreisegesetz, an welches sich selbstverständlich auch Booking.com halten muss, revidiert werden soll».

Ob auf dem Schweizer Markt Regeln und Gesetze nur für stationäre Betriebe gälten – «oder wird auch gemessen, wer weniger greifbar ist?», fragt Martin Reber provokativ. Denn: «Airlines die MTO betreiben, Booking.com, Expedia.com, HRS – das Kriterium sollte nicht die fixe Adresse oder die Neiderlassung oder der Hauptsitz der Firma sein, sondern wer sich hier auf dem Markt tummelt, muss dem PRG unterworfen sein und in einem vom Gesetzgeber festgelegten Fonds Mitglied sein.» Die Beiträge müssten nach dem Umsatz in der Schweiz definiert werden.

Politik hat eine Holschuld

Den Ball sieht Reber klar bei der Politik: «Dies ist eine klare Herausforderung für Politik und Gesetzgeber, für diese also eine Holschuld und nicht für Booking eine Bringschuld. Es sei aber auch «unsere Pflicht und in unser aller Interesse, die Komplettrevision des PRG raschmöglichst voranzutreiben und entsprechend zu lobbyieren».

Sonst, so Reber, «müssten wir Betriebslizenzen einführen, was wahrscheinlich nicht mal die schlechteste aller Ideen ist». Eine ähnliche Forderung hat gerade der deutsche Retailerverband VUSR gestellt. Er schlägt vor, für Reisebürobeitreiber und Reiseveranstalter minimale Qualifikations-Anforderungen für die Erteilung einer Lizenz zu verlangen.

Mit der Forderung nach einer Revision des PRG wird sich der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin des Schweizer Reise-Verbands (SRV) befassen müssen. Und dafür lobbyieren. Ein langwieriges Unterfangen, wie allen klar ist, denn «das hat in Bern überhaupt keine Priorität», befürchtet Nathalie Sassine von Travelboo stellvertretend für viele.

Radikal anders

Einer sieht das Heil für die Reisebranche allerdings nicht in einer Revision des PRG: «Das Pauschalreisegesetz stammt aus einer Zeit mit anderen Rahmenbedingungen. Die aktuellen Entwicklungen verdeutlichen, dass das Gesetz insgesamt nicht mehr zeitgemäss ist», meint Philpp von Czapiewski, Managing Director TUI Suisse.

Die Individualisierung von Reisen mit modularen Leistungen werde für Kundinnen und Kunden immer wichtiger. Dieser Trend werde sich fortsetzen und werde die modularen Angebote von unterschiedlichen Marktteilnehmern weiter erhöhen.

«Diese Anbieter sind zumeist keine klassischen Reiseveranstalter und die für das Gesetz relevante Pauschalreise ist nicht eindeutig definiert», so von Czapiewski. «Eine Einschränkung dieser Trends und eine Unterstellung von Buchungsplattformen unter dem bestehenden Pauschalreisegesetz wäre daher weder sinnvoll noch umfassend möglich.»

Reisebranche ist nicht chancenlos

Die Outgoing-Branche hat in der Tat bei weitem nicht das wirtschaftliche Gewicht des Incoming-Tourismus. Dennoch kann die Reisebranche mit einigen tausend Beschäftigten und hunderten von KMU die Politik für seine Anliegen mobilisieren, wie sich bei der Hilfe in der Corona-Pandemie eindrücklich gezeigt hat.

Und schliesslich bliebt auf jeden Fall auch ein wirtschaftliches Interesse: «Die Schweizer Politik muss begreifen, dass der Outgoing-Tourismus die letzte ‘Auffangstation’ für Gelder darstellt, die sowieso ins Ausland fliessen», hält Jonas Sulberger fest. «Der Umsatz und Gewinn der Schweizer Reisebranche bedeutet ja schliesslich auch Steuergelder.»

(Christian Maurer)