Thurgau Prestige: So geht das neue Fluss-Erlebnis

Erste Hotelschiffe nehmen auf Europas Flüssen wieder Fahrt auf – was hat Corona verändert? Augenschein beim Neustart eines Schweizer Flussschiffs unter etwas anderen Voraussetzungen.
Empfang in Saarlouis durch (v.l.) Operations-Manager Peter Kaufmann, Bordarzt Dr. Willem Mulder und Reiseleiterin Tatjana Pierau. © Beat Eichenberger

Mit dem europaweiten Lockdown fiel im Frühling auch der Start der Flussfahrten-Saison ins Wasser. Seit Mitte Juni sind aber Reisen im Schengen-Raum wieder weitgehend möglich. Erste Flussfahrten-Anbieter haben rasch reagiert, einzelne Schiffe entmottet und schicken sie nun mit neuen Schutzkonzepten auf Reise.

Erst kürzlich startete die Thurgau Prestige als erstes Schweizer Flussschiff seine Comeback-Fahrt auf der Saar.

  1. Tag: Vorsicht Gegenverkehr!

Mit wehend-weissem Kittel und schlohweissen Haaren im Wind empfängt Dr. Willem Mulder die Gäste an der Anlegestelle in Saarlouis. «Oh, der Erfinder Dr. Brown aus dem Film ‘Back to the Future’», lacht jemand. Paarweise steigen die Reisenden aus dem Bus und lassen sich von Mulder die Temperatur messen. Die Crew entlädt das Gepäck, desinfiziert die Handgriffe und bringt die Koffer auf die Kabinen. Alle tragen jederzeit Handschuhe und eine Schutzmaske – das Lächeln der Crew wird man in nächster Zeit nur den Augen ablesen können. Die Gäste ihrerseits haben sich während der Bus-Anreise von Basel an die Maske gewöhnt.

«Bitte die Hände desinfizieren», weist Bordreiseleiterin Tatjana Pierau beim Zustieg auf den Dispenser hin. Eine grosse Tafel informiert über die Schutzmassnahmen an Bord, die Rezeptionistin begrüsst die Reisenden hinter einer Plexiglasscheibe. Den Pfeilen und Abstandsmarkierungen am Boden entlang geht es zur Kabine, die Korridore sind als «Einbahnstrassen» angelegt. Auch im Restaurant und im Salon ist die Gehrichtung markiert, zwischen den Tischen gibt es mehr Freiraum als üblich. Hungrig geniessen die Gäste nach dem Welcome-Apéro mit Kapitän Tim Gorges ein erstes köstliches 4-Gang-Menü. Über Nacht bleibt das Schiff in Saarlouis vertäut, nach dem langen Anreisetag wird es im Salon nicht spät.

  1. Tag: Die Krux mit der Maske

Vereinzelt enttäuschte Gesichter am nächsten Morgen: Wegen Corona gibt es kein Frühstücksbuffet, der Service verlangt in den ersten Tagen etwas Geduld. «Die Umsetzung der Corona-Massnahmen war nicht einfach, da in Deutschland jedes Bundesland unterschiedliche Vorschriften kennt», erklärt Peter Kaufmann, Operations Manager von Thurgau Travel, der den Neustart überwacht. Sein Kredo: Grösstmöglicher Schutz ohne das Reiseerlebnis der Gäste zu beeinträchtigen. Im Schiffsinnern gilt eine Maskenpflicht, nicht aber beim Sitzen oder an Deck. Was prompt neue Fragen aufwirft: «Wohin mit der Maske, wenn ich sie abnehmen kann? Unters Kinn schieben? Auf den Tisch legen? In die Tasche stecken oder um den Arm wickeln?», diskutieren da und dort die 48 Reisenden. Das Schiff für 124 Passagiere ist bei weitem nicht ausgelastet und wird es in Corona-Zeiten vorläufig auch nicht sein – eine wirtschaftliche Herausforderung für das Unternehmen.

Ein erster Bus-Ausflug am Morgen entlang imposanter Zeugen der Kohlen- und Stahlindustrie nach Saarbrücken. In der Stadt ist in den Läden das Tragen einer Maske Pflicht, dafür fehlt fast überall ein Desinfektions-Dispenser. Am Nachmittag ein individueller Bummel durch das Städtchen Saarlouis: In den Cafés muss überall ein Kontakt-Formular ausgefüllt werden. Nach einer kurzen Fahrt während des Nachtessens legt die Thurgau Prestige über Nacht in Merzig an.

  1. Tag: Die Crew ist gefordert

Gleich am Morgen früh zieht das Schiff durch die beeindruckende Saarschleife nach Mettlach weiter. Hotelmanager Jos von der Reederei Scylla erläutert derweil: «Die neuen Abläufe wurden eine Woche mit der Crew geschult. Zudem: Die  Staffmitglieder belegen einzeln eine Kabine». Trotzdem: «Das permanente Tragen einer Maske ist gewöhnungsbedürftig», sagt die charmante Getränke-Kellnerin Irina aus Rumänien, die noch etwas mit der deutschen Sprache zu kämpfen hat. Überall wird viel häufiger gereinigt und desinfiziert als üblich. Auch neu: Wegen Corona wird das Tagesprogramm nicht mehr ausgedruckt sondern am Bord- TV gezeigt.

Am Vormittag lockt das individuelle Erkunden des malerischen Ortes Mettlach mit seiner historischen Abtei, heute Hauptsitz der Keramikfirma Villeroy & Boch. Und am Nachmittag steht ein Ausflug zur nahen Saarschleife auf dem Programm, die sich grandios unter dem hohen Aussichtsturm des Baumwipfelpfads durchzieht. Zurück auf dem Schiff misst Doktor Mulder wie jeden Tag bei allen Gästen die Temperatur, bei der Crew gar dreimal täglich. «Bei Fieber machen wir gleich einen Test, bei einem positiven Resultat geht’s ab ins nächste Spital», informiert der stets gut gelaunte pensionierte Hausarzt aus Holland. Er bleibt während der ganzen Fahrt an Bord, was für Flussschiffe unüblich ist.

  1. Tag: Corona? Geht doch!

Die letzte Etappe auf der Saar durch die lieblich-grüne Hügellandschaft bis Schweich bei Trier an der Mosel geniessen die Passagiere trotz bewölktem Himmel an Deck. Man plaudert, tauscht Erfahrungen: «Wir haben bereits im letzten November gebucht und befürchteten lange, dass die Fahrt annulliert wird. Umso glücklicher sind wir nun, an Bord sein können», so eine Dame aus Zürich. Die Freude, wieder in Sicherheit reisen zu können, überwiegt bei allen die kleinen Einschränkungen. Und so verlässt der Reporter in Schweich das Schiff mit dem Eindruck, dass die Weiterfahrt auf Mosel und Rhein eine runde Sache wird.

(Beat Eichenberger, Saarlouis)